BT-Drucksache 18/9845

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 18/9632, 18/9793 - Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten Maritimen Sicherheitsoperation SEA GUARDIAN im Mittelmeer

Vom 28. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9845
18. Wahlperiode 27.09.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Dr. Alexander S. Neu, Wolfgang Gehrcke,
Heike Hänsel, Jan van Aken, Christine Buchholz, Dr. Diether Dehm, Annette
Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema
Movassat, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 18/9632, 18/9793 –

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der NATO-geführten
Maritimen Sicherheitsoperation SEA GUARDIAN im Mittelmeer

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Mit dem vorliegenden Mandat trägt die Bundeswehr im Rahmen der NATO zur
weiteren Militarisierung des Mittelmeers bei. Die Bundeswehr ist an vier
Militärmissionen im Mittelmeer beteiligt. Die älteste Mission, die NATO-Operation
Active Endeavour (OAE), soll nun durch SEA GUARDIAN mit erweitertem Mandat
abgelöst werden. Das Einsatz-Mandat ist sowohl räumlich als auch thematisch äußerst
breit gefasst. Das Mandatsgebiet umfasst das gesamte Mittelmeer plus die Zugänge
und, das Einverständnis der Anrainer vorausgesetzt, die Territorialgewässer, außerdem
den dazugehörigen Luftraum.
2. SEA GUARDIAN soll den Seeraum überwachen und damit Waffen- und
Menschenschmuggel und Terrorismus, einschließlich den Islamischen Staat,
eindämmen. Schon ein Blick auf die Vorgängermission zeigt, dass dies zum Scheitern
verurteilt ist. OAE war ursprünglich als Reaktion auf die Anschläge am 11. September
2001 in New York unter Berufung auf den NATO-Bündnisfall eingerichtet worden
und sollte ebenfalls der Terrorbekämpfung dienen. Im Rahmen von OAE wurden in
14 Jahren über 129.000 Schiffsfahrten überwacht und 172 Schiffe kontrolliert,
allerdings wurde keine einzige Ladung illegaler Waffen beschlagnahmt und kein
einziger Terrorist verhaftet.
3. SEA GUARDIAN ist ebensowenig wie OAE ein wirkungsvoller Beitrag zur
Bekämpfung von Terrorismus. SEA GUARDIAN ist vielmehr der Versuch der
NATO, die militärische Kontrolle über den gesamten Schiffsverkehr im Mittelmeer
auszubauen. Über die Fläche des gesamten Mittelmeeres unterhält die NATO ein Netz
von über 8000 Horchposten, die dazu dienen, alle Schiffsbewegungen im Mittelmeer

Drucksache 18/9845 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
zu registrieren und auszuwerten. Gleichzeitig leistet die NATO der EU damit
Schützenhilfe, um die Migration über das Mittelmeer zu unterdrücken.
4. Die Europäische Union (EU) und die NATO verstehen das Mittelmeer als Südflanke
des gemeinsamen transatlantischen Raumes und koordinieren zunehmend
Überwachung und Kontrolle. Mit SEA GUARDIAN wird die EU-NATO-Kooperation
weiter verstärkt. SEA GUARDIAN soll mit der EU-Mission EUNAVFOR MED und
der EU-Grenzschutzagentur Frontex kooperieren.
EUNAVFOR MED war ursprünglich mit dem Auftrag gestartet, sogenannte Schlepper
zwischen Libyen und Italien abzufangen und Geflüchtete aus Seenot zu retten.
Mittlerweile wurde das Mandat von EUNAVFOR MED auf die Ausbildung der
libyschen Küstenwache und die Überwachung des Waffenembargos der Vereinten
Nationen (VN) über Libyen ausgeweitet. Aus EUNAVFOR MED ist eine
hochgefährliche Militärmission geworden.
In ähnlicher Weise soll auch SEA GUARDIAN in Kooperation mit Mittelmeer-
Anrainerstaaten, wie es heißt: „– auf deren Anfrage hin –“, dem Ausbau von
militärischen Kapazitäten „durch Ausbildung und gemeinsame Übung“ dienen.
Anrainerstaaten sollen unter Anleitung der NATO offenkundig militärische
Operationen durchführen, um NATO-Streitkräfte zu entlasten.
Durch die Kooperation von SEA GUARDIAN mit EUNAVFOR MED ist die NATO
nicht nur an der Kontrolle von Flucht- und Handelswegen im Mittelmeer beteiligt,
sondern militärisch vor der libyschen Küste involviert. Die Einrichtung von SEA
GUARDIAN ist somit ein weiterer Schritt zu einer gefährlichen und
konflikteskalierenden Militarisierung des Mittelmeers, die nicht zuletzt auch eine
Bedrohung für die Flüchtenden aus Afrika ein wachsendes Problem darstellt. Parallel
zur Aufrüstung im Mittelmeer steigt die Zahl derer, die auf den immer gefährlicheren
Überfahrt-Routen nach Europa ihr Leben lassen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

− die Bundeswehr nicht an der Operation SEA GUARDIAN zu beteiligen,
− die Bundeswehr aus allen bestehenden Militäroperationen im Mittelmeer

zurückzuziehen,
− in der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass die militärische Kooperation

mit der NATO im Mittelmeer beendet wird,
− in der NATO darauf hinzuwirken, dass die Operation SEA GUARDIAN nicht

eingerichtet wird,
− in der EU darauf hinzuwirken, dass EUNAVFOR MED durch eine zivile

Seenotrettung ersetzt wird.

Berlin, den 27. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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