BT-Drucksache 18/9835

Vorhaben des Bundes zur Reduzierung des Schienenlärms

Vom 21. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9835
18. Wahlperiode 21.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias Gastel, Tabea Rößner, Stephan Kühn (Dresden),
Dr. Valerie Wilms, Markus Tressel, Harald Ebner und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vorhaben des Bundes zur Reduzierung des Schienenlärms

Lärmvermeidung und Lärmschutz leisten einen elementaren Beitrag zum
Gesundheitsschutz und zur Steigerung der Lebensqualität. Denn Verkehrs-
lärm hat negative Auswirkungen u. a. auf das Herz-Kreislaufsystem und den
Blutdruck (vgl. NORAH-Studie: www.laermstudie.de/ergebnisse/ergebnisse-
im-ueberblick/).
In ihrem Koalitionsvertrag kündigen CDU, CSU und SPD die deutschlandweite
Halbierung des Schienenlärms bis zum Jahr 2020 (ausgehend von 2008) an; als
Zwischenziel wurde für das Jahr 2016 ein Umrüstungsstand von 50 Prozent der
Güterwagen vorgesehen (vgl. www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/
2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf;jsessionid=BB1D18CDE743D9C1D5C6
FA5E55A5FF08.s2t2?__blob=publicationFile&v=2). Mit Stand vom 15. Mai
2016 beträgt er lediglich 22,3 Prozent (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8651). Zu-
gleich betrug im Jahr 2015 der Anteil der leise abgerechneten Trassenkilometer
im Güterverkehr rund 16 Prozent (2014 12 Prozent; 2013 7,7 Prozent), wobei es
ausreichend ist, wenn in einem Zugverband mindestens 90 Prozent der Wagen
leise – also auf LL- oder K-Sohle umgerüstet – sind (vgl. ebd.).
Vor diesem Hintergrund erkundigen sich die Fragesteller nach dem Stand der
Umsetzungen der angekündigten Maßnahmen zur Verringerung verkehrsbeding-
ter Lärmbelastungen durch den Schienenverkehr sowie nach weiteren für die
Lärmreduzierung dienlichen Maßnahmen.

Wir fragen die Bundesregierung:

Umrüstung von Güterwagen auf „leisere“ Bremsen
1. Wie viele Güterwagen sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig

im nationalen Fahrzeugregister gelistet, und wie viele dieser Güterwagen
sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig mit „leisen“ Bremsen
(LL- und K-Sohlen) ausgestattet?

2. Wie viele Güterwagen von zum Konzern der Deutschen Bahn (DB) AG ge-
hörigen Wagenhaltern sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig
im nationalen Fahrzeugregister gelistet, und wie viele dieser Güterwagen
sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig mit „leisen“ Bremsen
ausgestattet?

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3. Wie viele Güterwagen, die nicht zum DB-Konzern gehören, sind nach
Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig im nationalen Fahrzeugregister
gelistet, wie viele davon gehören deutschen und wie viele ausländischen
Wagernhaltern, und wie viele sind davon jeweils mit lärmreduzierenden
Bremsen ausgestattet bzw. nicht ausgestattet?

4. Für wie viele Güterwagen wurde nach aktuellem Stand ein Antrag zur Um-
rüstung auf „leise“ Bremsen gestellt?

5. Bis wann rechnet die Bundesregierung damit, dass die im Koalitionsvertrag
als Zielstellung für 2016 vorgegebene Umrüstung von 50 Prozent aller Gü-
terwagen auf „leise“ Bremsen erreicht wird (bitte Monat und Jahr nennen)?

6. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um sicherzustellen, dass
nach dem Jahr 2020 keine Güterwagen ohne „leise“ Bremsen mehr im deut-
schen Schienennetz unterwegs sind?

7. Inwieweit ist die Bundesregierung der Ansicht, dass in Aussicht gestellte Än-
derungen rechtlicher Rahmenbedingungen möglichst frühzeitig konkret dar-
gelegt werden sollten, um der Wirtschaft Planungssicherheit zu ermögli-
chen?

8. Was ist der Stand bei der Erarbeitung der Rechtsgrundlage für das Verbot
lauter Güterwagen ab 2020, an der die Bundesregierung mindestens seit Ok-
tober 2014 arbeitet (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3010) und die noch 2016
verabschiedet werden soll (vgl. „Die Bahn wird leiser“, DER TAGESPIE-
GEL, 23. Februar 2016), und wann wird die Bundesregierung den Gesetz-
entwurf vorlegen (bitte Monat und Jahr angeben)?

9. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der derzeitige Sachstand für ein
EU-weites Verbot von nicht-„leisen“ Güterwagen ab 2020, und wie ist das
weitere Vorgehen terminiert?

10. Ist vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2015 erst rund 16 Prozent der abge-
rechneten Trassenkilometer im Güterverkehr „leise“ (Züge mit mindestens
90 Prozent von Wagen, die mit LL- oder K-Sohle umgerüstet sind) waren,
von der Bundesregierung vorgesehen, den Zuschlag für nicht-„leise“ Zug-
fahrten im Rahmen des lärmabhängigen Trassenpreissystems in Zukunft
weiter zu erhöhen, um den Druck über marktwirtschaftliche Instrumente sig-
nifikant zu verstärken (vgl. hierzu die Forderung des VPI-Verbands der
Güterwagenhalter in Deutschland e. V. nach einem Zuschlag von 30 Pro-
zent: www.vpihamburg.de/attachment/1857/download/2015_11_18_5-
kernbotschaften-langfassung.pdf)?
a) Wenn ja, wie sollte sich die Höhe der lärmabhängigen Spreizung der Tras-

senpreise aus Sicht der Bundesregierung in den nächsten Jahren weiter-
entwickeln (bitte zukünftig vorgesehene Schritte konkret angeben)?

b) Wenn nein, warum nicht?
11. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung rechtlich möglich, die lärmabhän-

gigen Trassenpreise um 30 Prozent zu spreizen?
Wenn nein, warum nicht, und was ist die nach Kenntnis der Bundesregierung
rechtlich maximal mögliche Spreizung?

12. Wie viel Geld wurde bisher im Jahr 2016 aus den lärmabhängigen Trassen-
preisen vereinnahmt, und mit welchen Einnahmen rechnet die Bundesregie-
rung für das gesamte Jahr 2016 (im Jahr 2015 waren es laut Bundestags-
drucksache 18/8651 ca. 11,4 Mio. Euro)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9835

13. Wie viele laufleistungsabhängige Bonusanträge wurden nach Kenntnis der

Bundesregierung für das Programmjahr 2015 gestellt , und wieviel Geld aus
den vereinnahmten lärmabhängigen Trassenpreisen wurde für das Pro-
grammjahr 2015 als Boni ausgezahlt?

Lärmmonitoring
14. Wie ist der Stand zur Erarbeitung der Konzeption für ein deutschlandweites

Monitoringsystem, und welche Fortschritte hat die Bundesregierung bei der
Erarbeitung der Konzeption seit Mai 2016 gemacht (vgl. Bundestagsdruck-
sache 18/8651)?

15. Wann wurde mit der Erarbeitung des Konzeptes begonnen, und welche In-
stitutionen, Verbände und Unternehmen wirken bei der Erarbeitung mit bzw.
sollen noch mitwirken?

16. Bis wann soll das Konzept nach Planung der Bundesregierung fertig sein,
und bis wann plant die Bundesregierung die Umsetzung?

17. Bis wann plant die Bundesregierung die vorgesehenen etwa 15 Messstellen
(vgl. Bundestagsdrucksache 18/8651) in Betrieb zu nehmen, und an welchen
Streckenabschnitten (bitte möglichst genau lokalisieren) werden sich diese
aus heutiger Sicht befinden?

18. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um durch das Monitoring identifi-
zierte Wagenhalter lärmauffälliger Wagen zur zeitnahen Reparatur zu ver-
pflichten?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht?

Innovationsprämie für „besonders leise“ Güterwagen
19. Wie ist der Stand bei der Erarbeitung der Förderrichtlinie, die Festlegungen

zu den Fördervoraussetzungen und dem Förderumfang für eine Innovations-
prämie enthalten soll, und welche Fortschritte hat die Bundesregierung bei
der Erarbeitung der Förderrichtlinie seit Mai 2016 gemacht (vgl. Bundes-
tagsdrucksache 18/8651)?

20. Um wieviel db(A) muss ein neuer Güterwagen die gesetzlich vorgeschriebe-
nen Lärmgrenzwerte (TSI Noise) unterschreiten, damit von den im Haus-
haltsentwurf eingestellten 60 Mio. Euro profitiert werden kann?

21. Welche Lärmemissionen gehen von den „leisesten“ der heute auf dem Markt
angebotenen Güterwagen nach Kenntnis der Bundesregierung aus?

22. Wie hoch ist die maximal mögliche Förderung pro angeschafftem Güterwa-
gen?

23. Wann wird die Bundesregierung die Förderrichtlinie veröffentlichen (bitte
Monat und Jahr angeben), und ab wann soll die Förderrichtlinie in Kraft tre-
ten?

Lärmschutz / Lärmsanierung
24. Wie steht die Bundesregierung zu dem Konzept der niedrigen Lärmschutz-

wände, von denen nunmehr die erste eine Vollzulassung für Deutschland er-
halten hat und gemessene Reduktionen des Lärms bei Güterzügen zwischen
4 und 7 dB(A) erzielt werden konnten (vgl. RailBusiness, Ausgabe 35/16
vom 29. August 2016)?

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25. Beabsichtigt die Bundesregierung die niedrigen Lärmschutzwände als neuen

Standard für Lärmschutzwände vorzusehen?
Wenn ja, ab wann?
Wenn nein, warum nicht?

26. Welche Gründe sind nach Kenntnis der Bundesregierung dafür verantwort-
lich, dass in den letzten Jahren kontinuierlich Haushaltsmittel für die Lärm-
sanierung am Bestandsnetz in jährlich zweistelliger Millionenhöhe nicht ge-
nutzt wurden (im Jahr 2015 wurden 23 Mio. Euro der bereitgestellten Mittel
nicht genutzt)?

27. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung und nach Kenntnis der Bun-
desregierung die Deutsche Bahn AG ergriffen, um den Mittabfluss zu ver-
bessern?

28. Aus welchen Gründen geht die Bundesregierung davon aus, dass im Jahr
2016 140 Mio. Euro der für die Lärmsanierung am Bestandsnetz bereitge-
stellten 150 Mio. Euro abgerufen werden können, obwohl bis zum 31. Au-
gust 2016 lediglich knapp 42 Mio. Euro abgerufen werden konnten?

29. Welche Mittel hat die Bundesregierung für die kommenden Jahre im Rah-
men des Zukunftsinvestitionsprogramms (ZIP) für zusätzliche Investitionen
in den Lärmschutz vorgesehen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/8651), und
für welche Maßnahmen können die Mittel verwendet werden?

Sekundärer Luftschall/Erschütterungen
30. Inwieweit sind der Bundesregierung die steigende Bedeutung von Erschüt-

terungen insbesondere im Schienengüterverkehr (vgl. Lutzenberger et al
2016, „Erschütterungen und sekundärer Luftschall aus dem Schienenver-
kehr“, in: Müller / Möser (2016); Taschenbuch der Technischen Akustik.
Berlin, Heidelberg: Springer, DOI: 10.1007/978-3-662-43966-1) und die
Auswirkungen des sogenannten sekundären Luftschalls bekannt, und welche
Konsequenzen zieht sie daraus?

31. Inwieweit sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf aus der Feststellung
des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), dass es kein spezielles Regel-
werk zur Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle beim sekundären Luft-
schall gebe (vgl. Urteil des BVerwG 7 A 14.09), und welche Regelwerke
sind nach Auffassung der Bundesregierung zur Bestimmung des sekundären
Luftschalls für ober- und unterirdische Strecken anzuwenden?

32. Ist der Bundesregierung die steigende Problematik der Schwingungsanre-
gung durch die immer präzisere Verlegung der Schwellen im Abstand von
60 cm bei einem Drehgestellabstand der meisten Güterwagen von 180 cm
bekannt (vgl. Interview mit Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht, Eisenbahntechni-
sche Rundschau, Oktober 2015)?
Wenn ja, was unternimmt bzw. plant die Bundesregierung hiergegen vorzu-
nehmen, und wie beurteilt sie die Forderung nach einer geringfügigen Ver-
ringerung des Schwellenabstands?

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33. Was für ein Schwellenabstand wäre nach Kenntnis der Bundesregierung

technisch anzustreben, um die o. g. Schwingungsanregung zu minimieren,
und welche Mehrkosten (absolut/relativ) je Kilometer für den Bau eines
Gleises würden nach Kenntnis der Bunderegierung entstehen, wenn man zu-
künftig einen solchen Schwellenabstand vorschreiben würde (Alternativ
bitte für einen Schwellenabstand von 55 cm und 57,5 cm angeben)?

Berlin, den 21. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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