BT-Drucksache 18/9818

Kernbrennstofffreiheit und Rückbau der acht im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten Atomkraftwerke sowie der Atomkraftwerke Grafenrheinfeld und Gundremmingen B

Vom 27. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9818
18. Wahlperiode 27.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kernbrennstofffreiheit und Rückbau der acht im Jahr 2011 endgültig
abgeschalteten Atomkraftwerke sowie der Atomkraftwerke Grafenrheinfeld
und Gundremmingen B

Im Zuge der 13. Atomgesetzesnovelle wurden im Jahr 2011 die acht deutschen
Atomkraftwerke (AKW) Brunsbüttel, Krümmel, Unterweser, Biblis A und B,
Philippsburg 1, Neckarwestheim 1 und Isar 1 endgültig abgeschaltet. Im letzten
Jahr erfolgte die endgültige Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld, im kommen-
den Jahr wird die des AKW Gundremmingen B folgen.
Der Beginn der wesentlichen Rückbaumaßnahmen für diese Anlagen hängt stark
davon ab, wann in ihnen jeweils die sogenannte Kernbrennstofffreiheit erreicht
wird. Darunter ist im Wesentlichen zu verstehen, dass die den Kernbrennstoff
enthaltenden Brennelemente aus Reaktorkern und Lagerbecken im Inneren des
Reaktorgebäudes entfernt und im benachbarten Zwischenlager am jeweiligen
AKW-Standort in Transport- und Lagerbehältern trocken zwischengelagert wer-
den – und damit das rückzubauende Reaktorgebäude kernbrennstofffrei gemacht
wird.
Das Tempo, in dem die Kernbrennstofffreiheit herbeigeführt werden kann, hängt
stark von der Verfügbarkeit der für die trockene Zwischenlagerung notwendigen
Transport- und Lagerbehälter ab. Diesen Zusammenhang hat die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits in mehreren Kleinen Anfragen thematisiert,
vgl. die Bundestagsdrucksachen 17/11756, 18/309 und 18/2335. Die Antworten
der Bundesregierung finden sich auf den Bundestagsdrucksachen 17/11944,
18/444 und 18/2427.
Die Bundesregierung ging, gestützt auf Aussagen der AKW-Betreiber, noch im
Jahr 2014 davon aus, dass in den acht eingangs genannten AKW die Kernbrenn-
stofffreiheit in den Jahren 2016 bzw. 2017 hergestellt werden kann (vergleiche
hierzu die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 65 der Abge-
ordneten Sylvia Kotting-Uhl auf Bundestagsdrucksache 18/2210).
Die Fragestellerinnen und Fragesteller waren bezüglich des Zeithorizonts 2016
bzw. 2017 dagegen schon länger skeptisch, unter anderem, weil es bezüglich der
verkehrsrechtlichen Zulassung des Behälters CASTOR® V/52 für abgebrannte
Siedewasserreaktor-Brennelemente wiederholt zu Verzögerungen kam, die mit
der Vollständigkeit der Antragsunterlagen zusammenhingen (siehe hierzu die
Antworten der Bundesregierung auf die Schriftlichen Fragen 51 auf Bundestags-
drucksache 18/115 und 65 auf Bundestagsdrucksache 18/2210 der Abgeordneten
Drucksache 18/9818 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Sylvia Kotting-Uhl). Hinzu kam, dass es neben verkehrsrechtlichen Behälterzu-
lassungen auch eine Reihe Anträge zu bearbeiten galt, die sich auf die einzelnen
Zwischenlager an den AKW-Standorten beziehen, vgl. hierzu Plenarprotokoll
18/16, Anlage 7.
Ferner waren bestimmte Beladeszenarien wie beschädigte Brennelemente bzw.
Brennstäbe oder Brennelemente mit Sonderabbränden noch nicht zugelassen.
Zum Teil waren sie noch nicht einmal beantragt, wie die Bundesregierung zu
Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/444 antwortete. Zudem genießen die neun
bzw. acht (nach der Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld) noch in Betrieb be-
findlichen AKW bei der Behälterversorgung einen Vorrang vor den acht 2011
endgültig abgeschalteten, wie auf Bundestagsdrucksache 18/444 der Antwort der
Bundesregierung zu Frage 9 zu entnehmen ist.
Diese Skepsis bezüglich des Zeithorizonts 2016/2017 und die Gründe hierfür the-
matisierten die Fragestellerinnen und Fragesteller zuletzt mit der Kleinen Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 18/4741. Mit ihrer dazugehörigen Antwort auf Bun-
destagsdrucksache 18/4887 gab die Bundesregierung erstmals an, dass laut den
Anlagenbetreibern eine Kernbrennstofffreiheit des AKW Isar 1 erst im Jahr 2018
und des AKW Unterweser erst um 2019/2020 zu erwarten sei.
Diese Kleine Anfrage will erneut zu mehr Klarheit und Belastbarkeit in der Frage
der Kernbrennstofffreiheit der 2011 endgültig abgeschalteten Atomkraftwerke
und des AKW Grafenrheinfeld beitragen und für einen aktuellen allgemeinen
Sachstand hinsichtlich des Rückbaus dieser neun Atomkraftwerke sowie der
Rückbauvorbereitungen für das im kommenden Jahr abzuschaltende AKW
Gundremmingen B sorgen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie ist nach den Erkenntnissen der Bundesregierung jeweils der aktuelle

Stand der Genehmigungsverfahren und Betreiberplanungen bezüglich der
Stilllegung und des Rückbaus der acht oben genannten, im Jahr 2011 end-
gültig abgeschalteten AKW sowie der AKW Grafenrheinfeld und Gundrem-
mingen B (bitte anlagenscharfe Angaben wie auf Bundestagsdrucksache
18/4887 machen)?

2. Welche neuen Zwischenlager mit welcher Auslegung für welche Arten von
Abfällen sind an diesen neun Standorten jeweils auf welcher rechtlichen
Grundlage geplant, beantragt oder genehmigt (bitte möglichst alle wesentli-
chen bekannten Eckdaten angeben, d. h. bitte insbesondere möglichst mehr
Eckdaten angeben als in der Antwort zu Frage 2 auf Bundestagsdrucksache
18/4887, wie beispielsweise beantragte/genehmigte Betriebsdauer, Lagerka-
pazität und Eckdaten bzw. Begrenzungen zum Inventar)?

3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele abge-
brannte Brennelemente in den acht im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten
AKW sowie im AKW Grafenrheinfeld aktuell im Reaktordruckbehälter oder
Lagerbecken lagern – sowie im Lagerbecken des AKW Gundremmingen B
(es wird möglichst um den tatsächlichen aktuellen Stand gebeten)?

4. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob und ggf. in welchen der
acht 2011 endgültig abgeschalteten Anlagen sowie den AKW Grafenrhein-
feld und Gundremmingen B Brennelemente vorhanden sind bzw. sein wer-
den, die einer längeren Abklingzeit als fünf Jahre bedürfen und daher zu ei-
nem Verzögerungsfaktor hinsichtlich eines möglichst frühen Zeitpunkts der
Kernbrennstofffreiheit werden bzw. werden könnten (ggf. bitte möglichst
mit Angabe der betreffenden Abklingzeit und ausführlicher Darlegung)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9818
5. Welche Erkenntnisse welchen Datums hat die Bundesregierung darüber,
wann die acht im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten AKW sowie die AKW
Grafenrheinfeld und Gundremmingen B jeweils kernbrennstofffrei werden
sollen bzw. sein können?

6. Wie viele Sonderbrennstäbe, für die Behälter-/Zwischenlagerungszulassun-
gen jeweils erst noch beantragt oder erteilt müssen, existieren jeweils in den
acht 2011 endgültig abgeschalteten AKW sowie den AKW Grafenrheinfeld
und Gundremmingen B aktuell (laut Bundestagsdrucksache 18/4887 lagen
der Bundesregierung hierzu bezüglich der acht 2011 endgültig abgeschalte-
ten AKW im Mai 2015 keine neueren Erkenntnisse als vom August 2014
vor)?

7. Wie ist der aktuelle Stand des Pilotverfahrens zur Verpackung von Sonder-
brennstäben in Köchern und deren Aufbewahrung in CASTOR-Behältern im
AKW Biblis (bitte möglichst ausführlich dalegen)?
Welche Restlaufzeit wird das Pilotverfahren nach aktueller Schätzung noch
haben, und welche Erkenntnisse hat es bislang schon gebracht (zum diesbe-
züglichen Stand vom Mai 2015 siehe Bundestagsdrucksache 18/4887)?
Wie ist der Ablauf der Verpackung von Sonderbrennstäben im Pilotverfah-
ren, und sind daran Änderungen absehbar?
Welche zusätzlichen Einrichtungen mussten in das Lagerbecken eingebracht
werden?

8. Wie viele Brennelemente lagern jeweils in den hier thematisierten AKW, die
den für den Standort bestimmten Transport- und Lagerbehälteranforderun-
gen bezüglich des Mindestabbrandes nicht entsprechen, und wie viele sons-
tige Sonderbrennstäbe lagen dort jeweils (bitte differenziert angeben)?

9. Welche Untersuchungen zu Kritikalitätssicherheit und weiteren im Zusam-
menhang mit den geringen Abbränden relevanten Aspekten werden nach
Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig von wem durchgeführt, und wel-
cher Zeithorizont wird für die Lösung des Problems veranschlagt?

10. Welche Zwischenlagergenehmigungsverfahren für bestrahlte Brennele-
mente und Behälter- bzw. Behältertypzulassungsanträge inklusive Abwei-
chungsanträge etc. sind derzeit beim Bundesamt für kerntechnische Entsor-
gungssicherheit (BfE) anhängig und ggf. mit welcher Priorisierung (bitte dif-
ferenziert wie auf Bundestagsdrucksache 18/4887 sowie ggf. mit Priorisie-
rung darlegen)?

11. Welche rechtlichen und materiellen Auswirkungen hat das seit der Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2015 rechtskräftige Ur-
teil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 13. Juni 2013 zum Zwi-
schenlager Brunsbüttel auf diese anhängigen Antragsverfahren (zum diesbe-
züglichen Stand vom Mai 2015 siehe Bundestagsdrucksache 18/4887)?
Ist abzusehen, welche zeitlichen Effekte diese Auswirkungen auf die Verfah-
ren ungefähr bzw. grob geschätzt haben werden (ggf. bitte zeitliche Angaben
machen)?

12. Wie viele leere Transport- und Lagerbehälter welchen Typs sind an welchen
deutschen AKW-Standorten derzeit vorhanden?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über
a) die Stückzahlen jährlich neu verfügbarer Transport- und Lagerbehälter in

den kommenden zehn Jahren sowie
b) ihre (jährliche) Verteilung auf die einzelnen deutschen AKW?

Drucksache 18/9818 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den derzeitigen antrag-
stellerseitigen Stand der Arbeiten an Anträgen zur Zwischenlagerung der ins-
gesamt 26 ausstehenden Castoren mit verglasten radioaktiven Wiederaufar-
beitungsabfällen aus La Hague und Sellafield in Zwischenlagern an Atom-
kraftwerkstandorten (ggf. bitte auch mit zeitlichen Prognosen angeben)?

Berlin, den 27. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.