BT-Drucksache 18/9734

zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/8609 - Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken

Vom 23. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9734
18. Wahlperiode 23.09.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Jutta
Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/8609 –

Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen
stärken

A. Problem
Mit dem 2015 in Kraft getretenen Kleinanlegerschutzgesetz wurden die Kompe-
tenzen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ausgeweitet.
Bis dato war die BaFin primär der Stabilität der von ihr beaufsichtigten Unterneh-
men sowie einem funktionsfähigen und stabilen Finanzsystem verpflichtet.

Um den finanziellen Verbraucherschutz zu stärken und Verbraucherinnen und
Verbraucher vor unseriösen Finanzinstrumenten und -praktiken zu schützen,
wurde unter anderem die Verpflichtung zum „kollektiven Verbraucherschutz“ als
Bestandteil der Aufsichtstätigkeit der BaFin im Kleinanlegerschutzgesetz veran-
kert. Die BaFin soll damit dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in
ihrer Gesamtheit verpflichtet sein und im öffentlichen Interesse Missständen
nachgehen, die über die Probleme eines konkreten Einzelfalls hinausgehen.

Nach Einschätzung der Fraktion DIE LINKE. fehlt dem kollektiven Verbraucher-
schutz jedoch die Durchschlagskraft. Die Befugnisse der BaFin reichen nicht aus,
um Verbraucherinnen und Verbraucher effektiv und wirksam bei erlittenen Ver-
mögensschäden (bis hin zum Totalverlust ihres Angesparten) zu unterstützen.

B. Lösung
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. sieht vor, dass der Deutsche Bundestag die
Bunderegierung auffordern soll,

1. durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der Zuständigkeit sowie der Ver-
pflichtung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, innerhalb ihres
gesetzlichen Auftrags, zur kollektiven Sicherung der Rechtsverfolgung zugunsten
der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten;

Drucksache 18/9734 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. einen weiteren Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzdienstleistungsauf-
sichtsgesetzes, des Kapitalanlagegesetzbuches, des Vermögensanlagengesetzes,
des Wertpapierhandelsgesetzes, des Wertpapierprospektgesetzes und anderer zur
Erreichung des Zwecks des verbesserten Schutzes von Kleinanlegern vorzulegen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Der Antrag diskutiert keine Alternativen.

D. Kosten
Der Antrag beinhaltet keine Angaben zu den Kosten.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9734
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/8609 abzulehnen.

Berlin, den 21. September 2016

Der Finanzausschuss

Ingrid Arndt-Brauer
Vorsitzende

Matthias Hauer
Berichterstatter

Sarah Ryglewski
Berichterstatterin

Susanna Karawanskij
Berichterstatterin

Drucksache 18/9734 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Matthias Hauer, Sarah Ryglewski und Susanna
Karawanskij

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/8609 in seiner 173. Sitzung am 2. Juni 2016 dem
Finanzausschuss zur federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur Mit-
beratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. sieht vor, dass der Deutsche Bundestag beschließen soll,

I. festzustellen,
dass dem kollektiven Verbraucherschutz durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die
notwendige Durchschlagskraft fehlt und die BaFin stärker für die Vielzahl der geschädigten Verbraucherinnen
und Verbraucher eintreten muss, damit deren berechtigte Ansprüche gewahrt bleiben. Sie sei folglich mit der
Verpflichtung auszustatten, die Rechtsverfolgung kollektiv zu sichern, um die Position der Verbraucherinnen und
Verbraucher zu stärken.

II. die Bundesregierung aufzufordern,
in einem ersten Schritt

1. durch geeignete Maßnahmen die Einhaltung der Zuständigkeit sowie der Verpflichtung der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht, innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags, zur kollektiven Sicherung der Rechtsverfol-
gung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gewährleisten;

2. einen weiteren Gesetzentwurf zur Änderung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes, des Kapitalanlagege-
setzbuches, des Vermögensanlagengesetzes, des Wertpapierhandelsgesetzes, des Wertpapierprospektgesetz und
anderer zur Erreichung des Zwecks des verbesserten Schutzes von Kleinanlegern vorzulegen, der folgende As-
pekte erfüllt:

– Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch zur kol-
lektiven Sicherung der Rechtsverfolgung verpflichtet.

– Die BaFin trifft gegenüber den ihrer Aufsicht unterliegenden Instituten und anderen Unternehmen alle Anord-
nungen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu beseitigen und dabei
zu gewährleisten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher einen eingetretenen oder drohenden Schaden
innerhalb laufender Verjährungsfristen prüfen und verfolgen können. Zu diesem Zweck kann die BaFin von
den betroffenen Unternehmen Dokumente verlangen und Maßnahmen anordnen, die zur Wahrung der An-
sprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern notwendig sind. Hierbei ist sicherzustellen, dass diese Maß-
nahmen die Verjährung der Ansprüche hemmen.

– Emittenten und andere Verursacher werden unter Androhung von wirksamen Sanktionen gegen die entschei-
denden Personen zu einem Vorschlag für eine Schadenswiedergutmachung aufgefordert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9734

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat den Antrag in seiner 110. Sitzung am 21. September 2016
beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/8609 in seiner 87. Sitzung am 21. September 2016 erst-
malig und abschließend beraten.

Der Finanzausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/8609.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD betonten, der Antrag verkenne die Aufgaben einer Aufsichts-
behörde. Die BaFin sei nicht befugt, einseitig als Rechtsbeistand für den Verbraucher zu fungieren. Eine dahin-
gehende Erweiterung der Aufgaben der BaFin lehne man ab. Die Grenzen zu den Zuständigkeiten der Zivilge-
richte würden ansonsten verwischt. Im Übrigen gelte, dass ein Rechtstitel ohne Nutzen sei, wenn keine finanzielle
Verwertungsmasse vorhanden sei. Darüber hinaus seien Ausfälle von Anlagen nicht per se rechtswidrig. Es gebe
Risikoprodukte, bei denen sei die Möglichkeit eines Forderungsausfalls immanent. Bei solchen Produkten müss-
ten die Anleger beim Kauf über das Risikoprofil möglichst gut informiert werden, um eine aufgeklärte Entschei-
dung zu ermöglichen.

Der Antrag berücksichtige darüber hinaus nicht, dass es bereits viele Schutzmechanismen für Anleger im Fall von
Forderungsausfällen gebe. Zu nennen seien etwa die Ombudsleute bei den Banken, die Möglichkeit von Ver-
bandsklagen oder auch die Kapitalanlegermusterverfahren. In den vergangenen Jahren habe es einige wichtige
gesetzliche Verbesserungen beim Verbraucherschutz für Kleinanleger gegeben. Der vorliegenden Antrag der
Fraktion DIE LINKE. helfe nicht, den Anlegerschutz weiter zu verbessern. Die dort genannten Bespiele würden
nicht zu den im Antrag erhobenen Forderungen passen. Das Problem bestünde nicht darin, dass Anleger, die vor
Gericht ihre Rechte einklagen würden, schlechte Chancen hätten, sondern darin, dass zu wenige Anleger wissen
würden, dass ihnen möglicherweise erfolgreich der Klageweg zur Verfügung stehe und gleichzeitig der Einstieg
in ein solches Verfahren relativ kompliziert sei. Die Rolle der BaFin als kollektiver Verbraucherschützer und der
bei den Verbraucherzentralen eingerichtete Finanzmarktwächter würden aber verbesserte Transparenz und damit
verbesserte Möglichkeiten für betroffene Anleger schaffen, ihre Rechte durchzusetzen.

Die Fraktion DIE LINKE. erläutert, der vorliegende Antrag wolle Kleinanleger auf gleiche Augenhöhe mit den
großen Unternehmen der Finanzbranche bringen. Die geforderten erweiterten Befugnisse der BaFin sollten im
Fall von Marktmissbrauch greifen – bei unseriösem und betrügerischem Handeln. Dadurch solle vor allem der
Schutz von privater Altersvorsorge verbessert werden. Marktmissbrauch könne nicht nur im Vorfeld eines Anla-
geangebotes vorliegen, sondern auch bei Tatverdeckung von gescheiterten Anlagemodellen. Der Auftrag der
BaFin zum kollektiven Verbraucherschutz würde durch den Antrag nur geringfügig erweitert. Man nehme zur
Kenntnis, dass der Deutsche Bundestag die Rechte der Kleinanleger in den letzten Jahren gestärkt habe. Trotzdem
würden Lücken verbleiben. Der Antrag ziele darauf ab, die BaFin in die Lage zu versetzen, die Anleger zu schüt-
zen, nachdem eine Anlagepleite geschehen sei. Die BaFin solle nicht die gerichtliche Vertretung der Geschädigten
übernehmen und auch nicht einzelne Verbraucherinteressen vertreten, sondern die Kleinanleger in ihrer Gesamt-
heit unterstützen, indem sie den Auftrag der kollektiven Rechtssicherung erhalte. Die BaFin sollte dafür sorgen,
dass sich die Verantwortlichen nach einer Anlagepleite nicht der Verfolgung entziehen oder die Tat verdecken
könnten, etwa durch Bilanzfälschung oder Herbeiführen einer Insolvenz. Dafür gebe es viele einschlägige Bei-
spiele. Manche Anbieter würden Ausfälle und Pleiten einfach aussitzen bzw. gezielt auf Verjährung setzen. In
solchen Fällen würde Kleinanlegern der Klageweg versperrt. Die BaFin solle die Möglichkeit der Rechtsverfol-
gung sicherstellen. Mit dem Antrag wolle man eine kleine Lücke in der Gesetzeslage schließen, die einen großen
Schritt für den Verbraucherschutz bedeuten würde.

Drucksache 18/9734 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeigt der Antrag der Fraktion DIE LINKE. ein wichtiges Pro-
blem auf: Der rechtliche Schutz bei Kapitalanlagebetrug funktioniere in Deutschland nicht. Keine Rechtsschutz-
versicherung in Deutschland würde solche Fälle noch abdecken. Es sei lohnenswert, Anlagebetrug zu begehen,
weil mangels Versicherungsschutz nur sehr wenige Anleger ihre Rechte einklagen würden. In Bezug auf die Ge-
samtzahl der Fälle seien die dabei entstehenden Kosten bei den Anbietern so gering, dass sich in diesem Bereich
Betrug in Deutschland ex post fast immer lohne. Wenn man das in einer Marktwirtschaft zulasse, würden immer
wieder Kleinanleger Schaden nehmen und vom Rechtsstaat enttäuscht werden. Bei den Rechtsschutzversicherun-
gen seien in den letzten Jahren häufig die AGB geändert worden, so dass Kleinanleger überrascht würden, bei
solchen Rechtsstreitigkeiten nicht geschützt zu sein.

In anderen Ländern hätten die Finanzaufsichtsbehörden gleichzeitig staatsanwaltschaftliche Befugnisse. Dort
würden die Kenntnisse der Finanzaufsicht auch zur Rechtsdurchsetzung genutzt. In Deutschland sei dies anders.
Man müsse überlegen, ob nicht einer der Gründe für das Gefühl, dass der Staat die Masse der kleinen Leute nicht
mehr ausreichend vertrete, sein könnte, dass immer wieder tausende Menschen in ihrem persönlichen Leben die
Erfahrung machen würden, dass sie im Fall von schweren finanziellen Problemen durch Betrugsfälle nicht ge-
schützt würden. Man müsse dieses Problem ernst nehmen. Eine Marktwirtschaft, in der das Haftungsprinzip nicht
durchgesetzt werde, sei wenig wert. Es sei problematisch, wenn immer striktere Regeln die Masse der ehrlichen
Akteure am Finanzmarkt belasten würden, während gleichzeitig Betrugsfälle lohnenswert blieben, weil die
Rechtsdurchsetzung im zivilen Bereich nicht funktioniere.

Berlin, den 21. September 2016

Matthias Hauer
Berichterstatter

Sarah Ryglewski
Berichterstatterin

Susanna Karawanskij
Berichterstatterin

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