BT-Drucksache 18/9716

Herdenschutz und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den Wolf

Vom 21. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9716
18. Wahlperiode 21.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Birgit Menz, Caren Lay,
Eva Bulling-Schröter, Kerstin Kassner, Ralph Lenkert und der
Fraktion DIE LINKE.

Herdenschutz und die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den
Wolf

Die Zahl der sich in Deutschland ansiedelnden Wölfe steigt seit Jahren. Der Wolf
erobert sich immer mehr Regionen und Bundesländer als Verbreitungsgebiet zu-
rück. Entsprechend wächst das gesellschaftliche Konfliktpotenzial – sei es durch
tatsächliche Übergriffe von Wölfen auf Weidetiere, sei es durch über 100 Jahre
verloren gegangene Erfahrungen beim Zusammenleben mit dem Wolf. Trotz sei-
nes hohen internationalen Schutzstatus wird über die Zukunft des Wolfes in der
Bundesrepublik Deutschland entscheiden, ob es – auch politisch – gelingt, gesell-
schaftliche Akzeptanz zu erreichen. Das erfordert nicht nur Vermittlung von Ver-
haltensregeln in Wolfsgebieten, deren Notwendigkeit und Wirksamkeit verstan-
den werden, sondern auch einen Interessenausgleich mit Weidetierhalterinnen
und Weidetierhaltern sowie der Jägerschaft. Alle Expertinnen und Experten be-
stätigten in einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Ernährung und
Landwirtschaft des Deutschen Bundestages am 25. November 2015, dass für ei-
nen erfolgreichen Wolfsschutz effektive Herdenschutzmaßnahmen, möglichst
noch vor Eintreffen der ersten Wölfe, ausschlaggebend ist. Sie unterstützten die
Einrichtung eines bundesweiten Herden- und Wolfsschutz-Kompetenzzentrums.
Neben Politikberatung soll das Zentrum eine bundeseinheitliche Aufklärungs-
und Öffentlichkeitsarbeit entwickeln, Forschungsvorhaben initiieren, selbst
durchführen oder koordinieren sowie offizielle Informationen zum Thema Wolf
für die Bevölkerung, die Medien, Behörden und insbesondere für Betriebe mit
Weidetierhaltung bündeln. Die Minimierung des Risikos von Übergriffen von
Wölfen auf Weidetiere ist ein wesentlicher Schlüssel für die gesellschaftliche Ak-
zeptanz des Wolfs als heimisches Wildtier bei der Bevölkerung, nicht nur in den
Regionen mit realer Wolfpräsenz (siehe Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Her-
denschutz ist Wolfsschutz – Jetzt ein bundesweites Kompetenzzentrum auf-
bauen“ auf Bundestagsdrucksache 18/6327 vom 13. Oktober 2015).
Im Februar 2016 wurde durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit eine „Dokumentations- und Beratungsstelle des Bun-
des für den Wolf“ (DBBW) eingerichtet, die die zuständigen Landesbehörden bei
Fragen rund um den Wolf beraten und bundesweit Daten zur Ausbreitung des
Wolfes sammeln soll. Nach Ausschreibung wurde diese Beratungsstelle bei der
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) angebunden. Sie kooperiert
mit dem LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland,

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dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsver-
bund Berlin e. V. und dem Senckenberg Forschungsinstitut für Wildtiergenetik
(Standort Gelnhausen). Angesiedelt ist die Stelle im Senckenberg Museum für
Naturkunde Görlitz (SMNG). Zunächst sollen alle Wolfsnachweise in Deutsch-
land für eine neue Datenbank erfasst werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Aufgaben und Projekte zum Themenkomplex Herdenschutz/Wolf

werden von den einzelnen beteiligten Forschungseinrichtungen, dem
„LUPUS – Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland“,
dem „Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin“ (IZW), dem
„Senckenberg Forschungsinstitut für Wildtiergenetik“, Standort Gelnhausen
und dem „Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz“ (SMNG) bearbei-
tet (bitte einzeln für die beteiligten Einrichtungen aufführen)?

2. Wie ist die personelle und finanzielle Ausstattung der beteiligten For-
schungseinrichtungen für die „Dokumentations- und Beratungsstelle des
Bundes für den Wolf“ (DBBW), und wie hoch ist dabei der jeweilige Anteil
an Bundeshaushaltsmitteln?

3. Aus welchem Haushaltstitel des Einzelplanes 16 des Bundeshaushaltes wird
das Vorhaben finanziert?

4. Welche Daten zum Wolf sollen von der neu aufzubauenden Datenbank er-
fasst werden?

5. Welche aktuellen Zahlen sind der Bundesregierung aus den einzelnen Bun-
desländern zur Verbreitung des Wolfes, zu Verkehrsopfern und ungeklärten
Todesfällen bekannt (bitte nach Bundesländern auflisten)?

6. Wie viele Übergriffe durch den Wolf auf Weidetiere sind der Bundesregie-
rung bis zum heutigen Tag bekannt (bitte nach Tierart, Bundesland, Jahr und
Monat auflisten)?

7. Wer erhebt die Daten für die Datenbank der DBBW, wie wird die Datener-
hebung finanziert, und wie wird ihre Richtigkeit/Plausibilität gesichert
(Experten-Stellungnahmen zum Öffentlichen Fachgespräch „Herden-
schutz – Der Wolf im Spannungsfeld von Land- und Forstwirtschaft und der
Jagd“ vom 25. November 2015)?

8. Welche Empfehlungen der Expertinnen und Experten (vgl. Protokoll Fach-
gespräch Wolf) wurden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in das Kon-
zept für die DBBW aufgenommen, und wie finden sich diese in den Aufga-
benstellungen wieder?

9. Ist die Erarbeitung eines bundesweiten Wolfsmanagementplanes, wie von
Experten empfohlen, durch das DBBW geplant?
Wenn ja, bis wann soll dieser erstellt werden?
Wenn nein, warum nicht?

10. Wird die Bundesregierung die Methoden des Monitorings bundesweit an-
gleichen, um Vergleichbarkeit der Daten zu erreichen?
Wenn ja, bis wann?
Wenn nein, warum nicht?

11. Wie ist die Agrarressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung
und Landwirtschaft in diese Aufgaben eingebunden?

12. Welche Projekte zum Themenkomplex Herdenschutz/Wolf werden durch
die Agrarressortforschung realisiert bzw. wurden durch sie initiiert (bitte ein-
zeln mit Auftraggeber, Finanzquelle, Personal und Laufzeit aufführen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9716
13. Wie will die Bundesregierung die Aufnahme des Themas Wolf in die Bil-
dungsarbeit inklusive Schulen aufnehmen, und an welche inhaltlichen
Schwerpunkte wird dabei gedacht (vgl. WD 5 – 3000-034/16)?

14. Welche Forschungsvorhaben werden derzeit durch die Bundesregierung für
die Entwicklung eines effizienten Herdenschutzes im Rahmen des Wolfsma-
nagements gefördert, und mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregie-
rung den Herdenschutz bundeseinheitlich entwickeln?

15. Welches Konzept hat die Bundesregierung aufgrund welcher Erkenntnisse
im Umgang mit „Problemwölfen“?
Gibt es dazu bereits eine bundeseinheitliche Definition?
Wenn ja, wer hat diese erarbeitet?
Wenn nein, warum nicht?

16. Wer analysiert die Ursachen von Fällen, in denen Wölfe sich abweichend
von allgemeinen Erfahrungen gegenüber Mensch und Tier verhalten, und
welche Schlussfolgerungen wurden bisher wie und von wem gezogen bzw.
umgesetzt?

17. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu Übergriffen von Hunden auf
Weidetiere, und wie werden diese von wem erfasst, analysiert und bewertet?

18. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Haltung von Kreu-
zungstieren aus der (willentlichen oder unwillentlichen) Verpaarung von
Hunden mit Wölfen und ihre Relevanz für den Herdenschutz?
Wer erfasst, analysiert und bewertet diese?

19. Wird die Bundesregierung die rechtlichen Vorgaben in der Tierschutz-Hun-
deverordnung (TierSchHuV) so präzisieren, dass Herdenschutzhunde für die
Zeit des Bewachens einer Herde von den Bestimmungen des § 4 Absatz 1
Nummer 1 TierSchHuV ausgenommen sind, soweit dies aus tierschutzrecht-
licher Sicht zulässig ist und wie das die Amtschef- und Agrarministerkonfe-
renz vom 13. bis 15. April 2016 gefordert hat?
Wenn ja, bis wann?
Wenn nein, warum nicht?

20. Hält die Bundesregierung einen bundesweit einheitlichen Herdenschutz für
notwendig?
Wenn ja, wie, und bis wann will sie diesen entwickeln und implementieren?
Wenn nein, warum nicht?

21. Beabsichtigt die Bundesregierung, den Herdenschutz in das Konzept des
DBBW zu integrieren, oder wird für den bundeseinheitlichen Herdenschutz
aus Zuständigkeitsgründen ein eigenständiges Kompetenzzentrum einge-
richtet, das mit dem DBBW in enger Abstimmung kooperiert?
Wenn ja, bis wann?
Wenn nein, warum nicht, und wer müsste diese Aufgabe übernehmen (bitte
begründen)?

22. Hat die Bundesregierung Forschungsprojekte zum Verhalten zuwandernder
Wölfe, insbesondere hinsichtlich des Risikoverhaltens gegenüber Menschen
und Weidetieren, beauftragt?
Wenn ja, an welche wissenschaftlichen Einrichtungen, mit welchem Budget,
und für welchen Zeitraum?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/9716 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
23. Wird die Bundesregierung zur Sicherung der Qualität der Herdenschutz-
hunde und ihrer Vermittlung an Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter
und deren Schulung in dem Herdenschutz-Kompetenz-Zentrum Zucht- und
Ausbildungskriterien für Herdenschutzhunde staatlich vorgeben und koordi-
nieren, wie es in der Schweiz bereits üblich ist und in Deutschland die Ar-
beitsgemeinschaft (AG) Herdeschutzhunde e. V. derzeit ehrenamtlich reali-
siert?
Wenn ja, bis wann?
Wenn nein, warum nicht?

24. Wie wird die Bundesregierung die AG Herdenschutzhunde e. V. bei der Ein-
richtung eines Herdenschutz-Kompetenzzentrums integrieren?

25. Bis wann wird die Bundesregierung bundeseinheitliche Regelungen zur Un-
terstützung des Herdenschutzes in der Weidetierhaltung einführen?

26. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, wie erfolgreich der Wolf
seine biologischen Funktionen im Ökosystem Wald seit seiner Rückkehr
wahrnimmt?

27. Welche konkreten Unterstützungsleistungen (regulativ, finanziell) sind nach
Auffassung der Bundesregierung notwendig, um Weidetierhalterinnen und
Weidetierhalter bei der Nutzung von Herdenschutzhunden spürbar zu entlas-
ten, und in wessen Verantwortung müssen diese jeweils geregelt werden?

28. Auf welchen konkreten Wegen werden Erfahrungen aus den einzelnen Re-
gionen und Bundesländern analysiert, ausgetauscht und bewertet, bzw. wie
und wer zieht daraus Schlussfolgerungen, und wie werden diese umgesetzt?

Berlin, den 21. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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