BT-Drucksache 18/9568

Beschaffung und Flüge der NATO-Drohnen GLOBAL HAWK sowie ihrer Derivate MQ-4C TRITON und EURO HAWK

Vom 6. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9568
18. Wahlperiode 06.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger, Ulla Jelpke,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion DIE LINKE.

Beschaffung und Flüge der NATO-Drohnen GLOBAL HAWK sowie ihrer Derivate
MQ-4C TRITON und EURO HAWK

Die fünf von der NATO bestellten Drohnen des Typs GLOBAL HAWK werden
bis zum Ende dieses Jahres an den vorgesehenen Standort in Sigonella/Sizilien
überführt (Informationsdienst DefenseNews vom 25. Januar 2016). Laut der Bun-
desregierung erfolgt die Übergabe der NATO-AGS-Drohnen „sukzessive und
entlang des Integrierten Programmplanes“ (Bundestagsdrucksache 18/5538, Ant-
wort zu Frage 1). Demnach war die Auslieferung des ersten Luftfahrzeuges an
den Auftraggeber, die NATO AGS Management Agency (NAGSMA), 52 Mo-
nate nach Vertragsschluss vorgesehen. Das letzte der fünf Luftfahrzeuge soll
58 Monate nach Vertragsschluss dem Auftraggeber übergeben werden, alle be-
stellten Drohnen würden also noch in diesem Jahr nach Italien überführt. Im Som-
mer 2015 wurde die erste GLOBAL HAWK der NATO bei einer Übergabezere-
monie erstmals öffentlich vorgestellt (Informationsdienst Flightglobal vom
5. Juni 2016). Sie trägt die militärische Kennung „NATO 1“ und ist die erste von
insgesamt fünf Drohnen des Programms „Alliance Ground Surveillance“ (AGS)
in Sigonella/Sizilien. Vorher wurde die „NATO 1“ auf der Luftwaffenbasis
Edwards in Kalifornien getestet, die Ergebnisse sollen für das Zulassungsverfah-
ren in Italien genutzt werden. Nicht alle NATO-Staaten beteiligen sich an der
Finanzierung des NATO AGS; so wollen etwa Großbritannien und Frankreich
von der Möglichkeit der Leistung einer „Beistellung nationaler Systeme“ Ge-
brauch machen. Worum es sich dabei handeln soll, ist unklar.
Vor Aufnahme des Regelflugbetriebs führt die NATO AGS Force eine zweistu-
fige Einsatzprüfung nach einem durch den Nutzer zu entwickelnden Prüfplan
durch. Erst nach erfolgreichem Abschluss dieser Prüfungen würde die militäri-
sche Anfangsbefähigung bzw. die volle Einsatzbereitschaft erklärt. Nach Ein-
schätzung der italienischen Zulassungsbehörde sollte der Erstflug nach Sachstand
vom Sommer 2015 im Frühjahr 2016 möglich sein. Allerdings sei es laut der
Bundesregierung durch Versäumnisse der Northrop Grumman Corporation zu ei-
nem „Verzug“ gekommen, da zulassungsrelevante Unterlagen nicht rechtzeitig
übergeben wurden.
Der Aufbau der Satellitenkommunikationsanlage für das NATO AGS begann im
Januar 2015. Die Sammlung, Prozessierung und Auswertung der Aufklärungsda-
ten setzt laut der Bundesregierung eine Kommunikationskomponente und eine
Auswertungskomponente voraus und sei aus technischer Sicht „grundsätzlich
überall dort möglich, wo eine entsprechende Datenverbindung zum und Zugriffs-
berechtigung auf das System besteht“. Im NATO AGS ist hierfür die Beschaffung
von sechs Mobile General Ground Stations (MGGS), zwei Transportable General
Ground Stations (TGGS) und zwei Deployable UAV Control Elements (DUCE)

Drucksache 18/9568 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

vorgesehen. Die erste MGGS ist vom Rüstungskonzern Airbus ausgeliefert wor-
den (Pressemitteilung About Airbus Defence and Space vom 11. Juli 2016). Da-
ten des Überwachungsradars der Drohne könnten dadurch an Auswertestationen
in der ganzen Welt verteilt werden. Auch Daten anderer kompatibler „Command,
Control, Intelligence, Surveillance and Reconnaissance“-Systeme (C2ISR) wür-
den empfangen.
Schon vor der Erklärung der vollen Einsatzbereitschaft und der Aufnahme des
Regelflugbetriebs testet die US-Luftwaffe die Flugbereitschaft der GLOBAL
HAWK im europäischen Luftraum (Bundestagsdrucksache 18/7706). Bis zu
fünfmal im Monat fliegen GLOBAL HAWK der USA, die ebenfalls in Sigonella
stationiert sind, Missionen über der Ostsee. In einem eigens eingerichteten Kor-
ridor fliegen die GLOBAL HAWK im Rahmen der „European Reassurance Ini-
tiative“, mit der die USA mehr Truppenpräsenz gegenüber Russland demonstrie-
ren wollen, über Italien, Frankreich und Deutschland (www.bundeswehr.de vom
28. Januar 2016). Die geplante NATO-Drohnenflotte und die bereits auf Si-
gonella stationierten GLOBAL HAWK der US-Luftwaffe sind zu 95 Prozent bau-
gleich (DefenseNews vom 25. Januar 2016). Laut einem Sprecher der Hersteller-
firma Northrop Grumman ergeben sich durch die gemeinsame Stationierung auf
Sizilien Synergieeffekte. So würden die Drohnen der US-Luftwaffe helfen, Über-
flugverfahren für das bald beginnende NATO-Programm zu entwickeln.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann im Jahr 2016 werden die einzelnen, im Rahmen des NATO AGS be-

stellten Drohnen des Typs GLOBAL HAWK nach Kenntnis der Bundesre-
gierung ausgeliefert und an den vorgesehenen Standort in Sigonella/Sizilien
überführt?

2. Welche militärische Kennung tragen die Drohnen?
3. Wann soll die zweistufige Einsatzprüfung für die einzelnen Drohnen begin-

nen und beendet werden?
4. Für wann ist die militärische Anfangsbefähigung bzw. die volle Einsatzbe-

reitschaft anvisiert?
5. Was ist der Bundesregierung über aktuelle Probleme des Zulassungsprozes-

ses der Drohnen des NATO AGS bekannt?
a) Inwiefern ist der von der italienischen Zulassungsbehörde für das Früh-

jahr 2016 angekündigte Erstflug der „NATO 1“ erfolgt, bzw. für wann ist
dieser nunmehr geplant?

b) Sofern es beim Erstflug zu Verzögerungen kam, worin lagen diese be-
gründet?

c) In welchen Lufträumen finden die Tests der italienischen Zulassungsbe-
hörde mit den NATO-Drohnen nach Kenntnis der Bundesregierung statt?

6. Was ist der Bundesregierung mittlerweile über Angebote aus Großbritannien
und Frankreich zur „Beistellung nationaler Systeme“ für das NATO AGS
bekannt?

7. Wie viele deutsche Soldaten sind derzeit als Piloten und bzw. oder Ausbilder
für die Drohnen EURO HAWK, GLOBAL HAWK und MQ-4C TRITON
qualifiziert und zertifiziert (bitte aufschlüsseln), und welche weiteren Solda-
ten sollen diese Zertifizierung perspektivisch erhalten?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9568
8. Wann werden die einzelnen Kommunikations- und Auswertungskomponen-
ten ausgeliefert und, sofern es sich um ortsfeste Anlagen handelt, in Sigonella
bzw. an anderen Standorten installiert?
a) Auf welche Weise und mit welchen Produkten welcher Hersteller soll die

Datenverbindung jenseits der Sichtlinie (Beyond Line of Sight) zwischen
den einzelnen Elementen des NATO AGS als militärisches Kommunika-
tionsnetz realisiert werden (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

b) Welche Anlagen zur Datenweiterleitung über Satelliten sowie Relaissta-
tionen werden hierfür errichtet?

9. Inwiefern werden für die Flüge der NATO-Drohnen auch Kommunikations-
und Auswertungskomponenten der US-Luftwaffe genutzt?

10. Wie viele NATO-Drohnen können gleichzeitig von Sigonella aus gesteuert
werden?

11. Welche Operatoren für welche Arbeiten werden für die Steuerung und die
Auswertung der Daten beim Flug einer GOBAL HAWK benötigt, und wel-
che einzelnen Aufgaben werden von diesen übernommen?

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, ob und inwiefern in entspre-
chenden Gremien bereits Einsatzformen oder Einsatzszenarien der NATO-
Drohnen behandelt werden?

13. Über welche (auch nicht gesicherten) Erkenntnisse verfügt die Bundesre-
gierung darüber, inwiefern die GLOBAL HAWK der NATO und die bereits
auf Sigonella stationierten GLOBAL HAWK der US-Luftwaffe ähnlich
oder baugleich sind, und worin bestehen eventuelle Abweichungen (De-
fenseNews vom 25. Januar 2016)?

14. Welche Flüge der Riesendrohne des Typs GLOBAL HAWK hat die US-
Luftwaffe nach Kenntnis der Bundesregierung bereits im Rahmen der „Eu-
ropean Reassurance Initiative“ von Sigonella Richtung Russland vorgenom-
men (Bundestagsdrucksachen 18/7706 und 18/6978; bitte Datum und Route
der Flüge angeben)?
a) Inwiefern fanden die Flüge in dem vom Bundesministerium der Verteidi-

gung eingerichteten Korridor in Deutschland statt, und welche Störungen
oder Abweichungen sind der Bundesregierung bekannt?

b) Inwiefern wurde bei der Ankündigung der Flüge gegenüber dem Bundes-
verteidigungsministerium die Frist von mindestens 72 Stunden vor einem
geplanten Überflug eingehalten (Bundestagsdrucksache 18/6978)?

c) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, von welchen Bodenstatio-
nen oder Missionskontrollelementen die GLOBAL HAWK der US-Luft-
waffe bei den Flügen durch den deutschen Korridor gesteuert werden?

d) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, von welchen Bodenstatio-
nen oder Missionskontrollelementen die GLOBAL HAWK nach ihrem
Transit durch Deutschland über der Ostsee gesteuert werden?

e) Inwieweit hat die US-Regierung bereits deutlich gemacht, nach Ende Ok-
tober 2016 eine Verlängerung der erteilten Überfluggenehmigung bean-
tragen zu wollen?

15. Inwiefern hat die Bundesregierung mittlerweile in Erfahrung gebracht, ob
eine Steuerung der GLOBAL HAWK über der Ostsee bzw. die Nutzung er-
langter Daten auch über die US-Basis in Ramstein erfolgte bzw. erfolgen
kann?

Drucksache 18/9568 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

16. Sofern ihr weiterhin keine Kenntnisse darüber vorliegen, inwiefern kann sie

dies über ihr Verbindungskommando der Bundesluftwaffe, das in Ramstein
beim Oberbefehlshaber der US-Luftwaffe angesiedelt ist, in Erfahrung brin-
gen?

17. Inwiefern rechnet die Bundesregierung weiterhin für April 2017 mit der
Wiederaufnahme der „Testflüge“ mit dem EURO HAWK Full Scale
Demonstrator (FSD) (Bundestagsdrucksache 18/8004)?

18. Welches bodengestützte System zum Erkennen und Ausweichen anderer
Luftfahrzeuge wird bei Testflügen des EURO HAWK FSD in Deutschland
im Jahr 2013 verwendet?

19. Hinsichtlich welcher weiterer Leistungen sollte das Angebot der EuroHawk
GmbH vom Mai 2015 bezüglich der Wartungsarbeiten am Gesamtsystem
sowie der notwendigen Arbeiten zur Befundung und Wiederinbetriebnahme
der zum EURO-HAWK-System zugehörigen Bodenstationen und des ISIS
sowie zur Erteilung einer neuen vorläufigen Verkehrszulassung überarbeitet
und aktualisiert werden (Bundestagsdrucksache 18/8004)?
a) Worin bestanden die bereits bekannten „Obsoleszenzprobleme“, und wel-

che Defizite existierten hinsichtlich der Beistellliste, der Risikobewertung
und der Zeitplanung?

b) Inwiefern hat der Rüstungskonzern Airbus Defence and Space seine Zu-
lassung für das Unternehmen EuroHawk luftfahrttechnischer Betrieb in-
zwischen erneuert?

c) Worin bestand die Forderung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informa-
tionstechnik und Nutzung der Bundeswehr nach einer Anpassung der
Vorgehensweise bei der Wiederinbetriebnahme des EURO HAWK FSD,
die nach amtsseitiger Prüfung des am 29. Januar 2016 eingegangenen An-
gebots der EuroHawk GmbH erfolgte?

20. Inwiefern ist die grundsätzliche Einigung zwischen der Bundesregierung und
Airbus zum ehemals strittigen Entwicklungsvertrag inzwischen erfolgt, bzw.
inwiefern ist der Close-out-Vertrag wie vorgesehen im März 2016 unter-
zeichnet worden (Bundestagsdrucksache 18/8004)?
a) Welche aus dem Entwicklungsvertrag noch geschuldeten, aber bisher

noch nicht erfüllten Leistungen muss Airbus weiterhin erbringen?
b) In welcher Höhe werden Airbus die in den Jahren 2012 und 2013 durch-

geführten Arbeiten zur Genehmigung als luftfahrttechnischer Betrieb und
für die Aufrechterhaltung der Lieferbereitschaft für das Luftfahrzeugsys-
tem EURO HAWK ab Oktober 2013 vergütet (Bundestagsdrucksache
18/8004)?

21. Wann soll der für Oktober 2016 vorgesehene neue Vertrag für die geplante
Stufe 2 der Wiederinbetriebnahme des EURO HAWK nach derzeitigem
Stand geschlossen werden?

22. Inwiefern liegt mittlerweile eine konkrete Kostenschätzung für die vorab auf
36 Monate verlängerten Testflüge des EURO HAWK FSD in Stufe 3 vor,
die das Bundesministerium der Verteidigung auf weitere 160 Mio. Euro be-
zifferte, bzw. inwiefern liegt mittlerweile ein entsprechendes Angebot der
Industrie vor?

23. Was kann die Bundesregierung zur Einhaltung des Zeitplans über eine Aus-
sage zur Zulassbarkeit der Drohne MQ-4C TRITON mitteilen, die für das
dritte Quartal 2015 angekündigt war, zunächst auf Februar 2016 verschoben
wurde und nun für November 2016 erwartet wird (Bundestagsdrucksachen
18/8004, 18/3663, 18/5538 und 18/6978)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9568

24. Welche Dokumente zur Zulassbarkeit der MQ-4C TRITON wurden durch

die US Navy im Rahmen des Regierungsvertrages (Foreign Military Sales –
FMS – Planning Case) übergeben, und welche wurden zurückgehalten?

25. Um welche Anteile wurde der Studienvertrag mit der Firma IABG im No-
vember 2015 ergänzt, die das Luftfahrtamt der Bundeswehr bei der Zulass-
barkeit der MQ-4C TRITON unterstützt?

Berlin, den 6. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.