BT-Drucksache 18/9567

Patientenschutz und Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerrechts in Deutschland

Vom 6. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9567
18. Wahlperiode 06.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Elisabeth Scharfenberg,
Maria Klein-Schmeink, Dr. Harald Terpe, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Kai Gehring, Tabea Rößner, Ulle Schauws, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Patientenschutz und Reformbedürftigkeit des Heilpraktikerrechts in Deutschland

In dem an der Grenze zu den Niederlanden gelegenen Brüggen-Bracht kam es
kürzlich im Zusammenhang mit einer Krebsbehandlung im so genannten Biolo-
gischen Krebszentrum Bracht zu mehreren Todesfällen. Ein dort tätiger Heilprak-
tiker hatte Patientinnen und Patienten ein nicht zugelassenes Medikament verab-
reicht (vgl. Meldung von SPIEGEL ONLINE am 13. August 2016).
Seit Juli 2016 muss sich ein Heilpraktiker vor dem Amtsgericht Kelheim wegen
fahrlässiger Tötung durch Unterlassung verantworten. Er hatte bei einer an Krebs
erkrankten Patientin eine Brustentzündung „ausgependelt“ und sie daraufhin mit
homöopathischen Substanzen behandelt (vgl. Mittelbayerische online vom
21. Juli 2016). Schon zu früheren Zeitpunkten waren vergleichbare Fälle Gegen-
stand der öffentlichen Berichterstattung in den Medien – so etwa am 9. August
2007 in der Sendung „Kontraste“ („Gefährliche Heilpraktiker – Keine Kontrolle,
keine Sanktionen“). Eine vollumfängliche Aufklärung der Umstände, die zu die-
sen Vorfällen geführt haben oder haben könnten, ist hierbei auch im Interesse des
Berufsstands der Heilpraktizierenden selbst, die mit ihrer Anwendung von natur-
heilkundlichen Therapien für eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern wert-
volle und gewünschte Dienste leisten.
Derzeit wird in der Öffentlichkeit vor dem Hintergrund dieser und anderer Fälle
erneut über das noch aus dem Jahr 1939 stammende Heilpraktikergesetz und des-
sen Reformbedürftigkeit diskutiert (vgl. DAZ.online vom 17. August 2016).
Problematisiert werden zum Beispiel die fehlenden einheitlichen und verbindli-
chen Anforderungen an die Ausbildung, Zulassung und Qualifikation der Heil-
praktiker. Der Umfang der von Heilpraktikern ausgeübten Heilkunde ist ebenfalls
umstritten (vgl. Deutsches Ärzteblatt online vom 19. August 2016). So dürfen
Heilpraktiker, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zwar keine rezeptpflichtigen
Medikamente verordnen, jedoch jede „berufs- oder gewerbsmäßig vorgenom-
mene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Lei-
den oder Körperschäden bei Menschen“ (§ 1 des Heilpraktikergesetzes) ausüben.
Zum Erwerb der Heilerlaubnis genügt es, wenn Heilpraktikeranwärterinnen und
-anwärter insbesondere eine Kenntnisprüfung bestanden, das 25. Lebensjahr voll-
endet und mindestens einen Hauptschulabschluss erworben haben. Auch die Ge-
sundheitsministerkonferenz der Länder hatte zuletzt im Juni 2016 die bestehen-
den Anforderungen an die Erlaubniserteilung „aus Gründen des Patientenschut-
zes“ als zu niedrig kritisiert und die Bundesregierung aufgefordert, „bessere Vo-
raussetzungen für die Einheitlichkeit der Kenntnisüberprüfungen“ zu schaffen.

Drucksache 18/9567 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bereits 2014 hatte sich eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft der Obersten
Landesgesundheitsbehörden (AOLG) mit dem Thema beschäftigt.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat die aktuelle Diskussion bislang da-
hingehend kommentiert, es sei „kaum zuständig“ und sehe keinen „Handlungs-
bedarf“ (vgl. DAZ.online vom 17. August 2016). Ähnlich äußerte es sich bereits
im Jahr 2007 (vgl. „Kontraste“, „Gefährliche Heilpraktiker – Keine Kontrolle,
keine Sanktionen“, Sendung vom 8. August 2007). Im Interesse des Erhalts, der
Weiterentwicklung und der Vielfalt von komplementärmedizinischen Angeboten
im Gesundheitswesen und im Interesse des Verbraucherschutzes sind Qualitäts-
standards und Aus-, Fort- und Weiterbildung anhand der heutigen Bedarfe zu
überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Wie viele Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker gibt es nach Kenntnis der

Bundesregierung derzeit in Deutschland?
b) Wie viele davon besitzen nach Kenntnis der Bundesregierung eine auf ein

Teilgebiet beschränkte Erlaubnis (wenn möglich, bitte nach Teilgebieten
aufschlüsseln)?

c) Wie viele Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker besitzen nach Kenntnis
der Bundesregierung auch die Qualifikation zur Ausübung eines anderen
Gesundheitsberufes (zum Beispiel Physiotherapeuten)?

2. Inwieweit hat der Bund nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 des Grundge-
setzes (GG) die Regelungskompetenz für die Ausbildung und Zulassung von
Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern?

3. Inwieweit hat der Bund nach Artikel 74 Absatz 1 GG die Kompetenz zur
Regelung der Berufsausübung von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aufforderung
der Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom Juni 2016, die Inhalte
und Gegenstände der Kenntnisprüfung von Heilpraktikern zu überarbeiten
und ggf. auszuweiten?

5. a) Befürwortet die Bundesregierung eine Reform des in die Zuständigkeit
des Bundes fallenden Heilpraktikergesetzes?
Wenn nein, warum sieht sie keinen Handlungsbedarf?
Wenn ja, wann wird die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetz-
entwurf vorlegen, und welche Regelungen sollen darin enthalten sein?

b) Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit zur Überarbeitung der
Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz?
Wenn ja, in welchen Punkten?
Wenn nein, warum nicht?

6. Welche inhaltlichen Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung der Heil-
kunde bestehen für Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker mit Ausnahme der
Zahnheilkunde (§ 6 des Heilpraktikergesetzes)?

7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Vorschlägen, die
Ausübung der Heilkunde auf bestimmte Tätigkeiten zu begrenzen (vgl.
DAZ.online vom 17. August 2016)?

8. Welche Anforderungen an Inhalte, Struktur und Dauer der Ausbildung von
Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern gibt es derzeit?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9567
9. Inwieweit sieht die Bundesregierung es als unvereinbar mit dem Patienten-
schutz an, wenn Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärter in der Kenntnis-
prüfung lediglich medizinische Grundlagenkenntnisse nachweisen müssen,
vor allem auch vor dem Hintergrund ihres weiten Tätigkeitsspektrums?

10. Gibt es für alle Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker
a) rechtlich verbindliche Verpflichtungen zur regelmäßigen fachlichen Fort-

bildung, und wer überwacht deren Einhaltung,
b) rechtlich verbindliche Verpflichtungen zur Teilnahme an Maßnahmen der

Qualitätssicherung, und wer überwacht deren Einhaltung,
c) rechtlich verbindliche Verpflichtungen zur Aufzeichnung ihrer Feststel-

lungen und Maßnahmen (Dokumentationspflicht) sowie zur Aufbewah-
rung der Aufzeichnungen,

d) rechtlich verbindliche Verpflichtungen, eine Berufshaftpflichtversiche-
rung abzuschließen,

e) rechtlich verbindliche Beschränkungen der beruflichen Kommunikation
(Werbung),

f) rechtlich verbindliche Regelungen zur Wahrung der Unabhängigkeit und
zum Verbot unerlaubter Zuwendungen von Dritten?

Wenn es derartige rechtlich verbindlichen Verpflichtungen und Beschrän-
kungen bislang nicht gibt, inwieweit wird die Bundesregierung darauf hin-
wirken, solche Verpflichtungen einzuführen?

11. Welche zivilrechtlichen Haftungsvorschriften existieren für Heilpraktiker,
und inwieweit sind diese mit den Vorschriften zur Arzthaftung vergleichbar?

12. a) Welche gesetzlichen Krankenkassen erstatten nach Kenntnis der Bundes-
regierung von Heilpraktikern erbrachte Leistungen, und um welche Leis-
tungen handelt es sich hierbei?

b) Welche Anforderungen an die Qualität der erbrachten Leistungen werden
durch die gesetzlichen Krankenkassen jeweils definiert?

Berlin, den 6. September 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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