BT-Drucksache 18/9562

Kontrolle und Entfernung von Internetinhalten zu sogenannter illegaler Migration

Vom 2. September 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9562
18. Wahlperiode 02.09.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen,
Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu,
Kersten Steinke, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Kontrolle und Entfernung von Internetinhalten zu sogenannter illegaler Migration

Im Juli 2016 hat die „Meldestelle für Internetinhalte“ bei Europol ihren
ersten Jahresbericht vorgelegt (www.europol.europa.eu/content/europol-internet-
referral-unit-one-year). Demnach wächst der Inhalt, der zur Entfernung an die
Provider gemeldet wird, deutlich. Bis Juli dieses Jahres wurden die Internet-
dienstleister auf 9 787 Veröffentlichungen aufmerksam gemacht. 8 949 Dateien
in Bild, Ton oder Schrift seien entfernt worden, was einer Erfolgsquote von mehr
als 91 Prozent entspricht. Europol hat keine Polizeivollmachten, die Entfernung
durch die privaten Firmen erfolgt freiwillig. Europol konzentriert sich nach eige-
nen Angaben auf al‐Qaida und den „Islamischen Staat“. Entsprechende Inhalte
fand die Polizeiagentur auf 70 verschiedenen Internetplattformen, die Ersuchen
zur Entfernung wurden jedoch nur bei 31 Anbietern gestellt. Mit weiteren Platt-
formen, die für „terroristische Propaganda“ genutzt würden, sei Europol „im per-
manenten Dialog“. Erstmals gibt es auch Zahlen zum Back-End der „Melde-
stelle“. Sämtliches gefundenes Material wird der Datenbank „Check the Web“
gespeichert, die einst vom Bundeskriminalamt (BKA) eingerichtet wurde (Bun-
destagsdrucksache 18/4582). Derzeit sind dort 4 963 Video- und Audiodateien
gespeichert, außerdem 4 335 Publikationen und 4 000 „Statements“. Die Daten-
bank dient unter anderem zum Abgleich neuer Ersuchen mit bereits bekanntem
oder anderswo entferntem Material. Die Kriminalitätsphänomene der „Melde-
stelle“ wurden letztes Jahr auf „Schleusungskriminalität“ und „hybride Bedro-
hungen“ erweitert, zunächst aber nicht aktiv verfolgt. Nach eigenem Bekunden
geht Europol jetzt gegen Fluchthelfer vor. Die Polizeiagentur hat hierfür türkisch-
und arabischsprachige Übersetzer eingestellt. 122 Accounts, die mit „illegaler
Migration“ in Verbindung stehen sollen, wurden bei den Providern beanstandet.
Inwiefern diese gelöscht wurden, beantwortet Europol nicht. Die Internetinhalte
zur mutmaßlichen „Schleusungskriminalität“ wurden bislang nicht von der „Mel-
destelle“ ermittelt, sondern von einer anderen Europol-Abteilung angeliefert. Zu-
ständig ist das im Februar 2016 eröffnete „Europäische Zentrum zur Bekämpfung
der Migrantenschleusung“ (EMSC), das Europol bei der „Zerschlagung von
Schleppernetzen“ stärken soll (Bundestagsdrucksache 18/8669). Die „Melde-
stelle“ hat sich im Bereich „illegaler Migration“ an sieben operativen Ermittlun-
gen beteiligt, darunter auch in den sogenannten Hotspots in Griechenland. Neben
den anderen Europol-Abteilungen hat auch die „Meldestelle“ drei Mitarbeiter
nach Griechenland entsandt.

Drucksache 18/9562 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Auf welche Weise wird die Bundesregierung die Schlussfolgerungen des Ra-

tes zur Migrantenschleusung vom 10. März 2016 umsetzen, bestehende In-
formationssysteme sowie öffentliche Daten, Plattformen und Partnerschaften
mit Unternehmen der sozialen Medien sowie alle anderen verfügbaren In-
strumente „optimal zu nutzen“, um Daten und Systeme „für eine prädiktive
Analyse der Migrantenströme und der sich daraus ergebenden Schleusertä-
tigkeiten zu nutzen“ (Bundestagsdrucksache 18/8669)?

2. Welche Software benutzt das BKA, „deren Funktionalitäten auch zur auto-
matisierten Auswertung in Sozialen Medien geeignet sind“ (Bundestags-
drucksache 18/9267)?

3. Was ist der Bundesregierung inzwischen darüber bekannt, auf welche Weise
die Europäische Kommission dafür Sorge trägt, „dass in Zusammenarbeit
mit den einschlägigen Agenturen konkret erfasst wird, wie soziale Medien
für die Zwecke der Migrantenschleusung verwendet werden“ (Schlussfolge-
rungen des Rates zur Migrantenschleusung vom 10. März 2016)?

4. Welche der 9 787 Veröffentlichungen, die von der „Meldestelle für Interne-
tinhalte“ bei Europol zur Entfernung an Internetdienstleister gemeldet wur-
den, stammten nach Kenntnis der Bundesregierung von deutschen Strafver-
folgern?

5. Bei welchen 31 Anbietern hat Europol die Entfernung der 9 787 Veröffent-
lichungen nach Kenntnis der Bundesregierung gestellt?

6. Mit welchen weiteren Plattformen, die für „terroristische Propaganda“ ge-
nutzt würden, ist Europol nach Kenntnis der Bundesregierung „im perma-
nenten Dialog“?

7. Auf welche Weise werden die in der Europol-Datenbank „Check the Web“
gespeicherten 4 963 Video- und Audiodateien, 4 335 Publikationen und
4 000 „Statements“ nach Kenntnis der Bundesregierung bereits zum Ab-
gleich neuer Ersuchen mit bereits bekanntem oder anderswo entferntem Ma-
terial genutzt?

8. Auf wie viele Stellen soll die „Meldestelle“ nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in 2016 und in 2017 anwachsen?
a) Welche Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterstützen die „Mel-

destelle“ derzeit mit zusätzlichem eigenen Personal?
b) Welche Regierungen haben zu welchem Zweck eigene Verbindungsbe-

amten für die „Meldestelle“ benannt?
9. In welche Ermittlungen oder Vorbereitung von herausragenden Ereignissen

(etwa die EURO 2016) war die „Meldestelle“ eingebunden, an denen sich
auch Strafverfolgungsbehörden aus Deutschland beteiligten?

10. Auf welche Kriminalitätsphänomene wurde die Zuständigkeit der „Melde-
stelle“ nach Kenntnis der Bundesregierung inzwischen erweitert?

11. Seit wann geht Europol nach Kenntnis der Bundesregierung gegen Postings
zu „illegaler Migration“ vor?

12. Welche näheren Angaben kann die Bundesregierung zur einer „großen Zahl
von Nutzerkonten“ bezüglich „illegaler Migration“ machen, die von Europol
analysiert wird (Bundestagsdrucksache 18/8669)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9562
13. Wie viele Inhalte oder Nutzerkonten, die mit „illegaler Migration“ in Ver-
bindung stehen sollen, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei den
Providern beanstandet, und wie viele davon wurden daraufhin entfernt?
a) Welche Art von Inhalten sollten von den Providern entfernt werden?
b) In welcher Datenbank werden die zu entfernenden oder entfernten Inhalte

bezüglich „illegaler Migration“ bei Europol gespeichert?
14. Von welcher Europol-Abteilung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung

die zu entfernenden Internetinhalte ermittelt, und inwiefern waren daran auch
deutsche Behörden (etwa durch Datenzulieferungen) beteiligt?

15. Welche deutschen Behörden beteiligen sich derzeit nach Kenntnis der Bun-
desregierung mit welchem Personal und welcher Unterstützung „Europäi-
schen Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung“ (EMSC) und am
„Joint Operational Office against Human Smuggling Networks“ (JOO) in
Wien?

16. Welche deutschen Behörden (Polizei, Zoll, Geheimdienste), Koordinations-
und Kooperationsplattformen oder sonstigen Zusammenarbeitsformen arbei-
teten nach Kenntnis der Bundesregierung seit Bestehen des EMSC und des
JOO mit diesen im Rahmen der gesetzlich zugewiesenen Aufgabenwahrneh-
mung zusammen bzw. lieferten Informationen?

17. An welchen gemeinsamen Ermittlungsgruppen sind das BKA und die Bun-
despolizei gegenwärtig nach dem Europäischen Rechtshilfeübereinkommen
beteiligt (Bundestagsdrucksache 18/9328)?

18. Welche weiteren Behörden aus EU-Mitgliedstaaten oder Agenturen haben
seit Bestehen des EMSC und des JOO nach Kenntnis der Bundesregierung
(auch anlassbezogen und zeitlich begrenzt) wie viele Mitarbeiter dorthin ent-
sandt?

19. An wie vielen Ermittlungen des EMSC im Bereich „illegaler Migration“ hat
sich die „Meldestelle“ nach Kenntnis der Bundesregierung beteiligt, und an
welchen dieser Ermittlungen nahmen auch deutsche Strafverfolgungsbehör-
den teil?

20. Zu welchem Zweck hat die „Meldestelle für Internetinhalte“ nach Kenntnis
der Bundesregierung Mitarbeiter in sogenannte Hotspots nach Griechenland
entsandt?

21. Auf welche Weise übernimmt die „Meldestelle“ nach Kenntnis der Bundes-
regierung, wie im Jahresbericht erklärt, die Funktion als „Hauptakteur“ im
sogenannten EU Internet Forum, an dem sich Delegierte von Google, Twit-
ter, Microsoft, Facebook, Ask.fm und Yahoo beteiligen?

22. Auf welche Weise könnte die „Meldestelle“, wie vom deutschen und franzö-
sischen Innenminister im Positionspapier „Ein Beitrag zur Erhöhung der in-
neren Sicherheit in Europa“ vom 23. August 2016 beschrieben, die „Aufde-
ckung entsprechender Inhalte und ihres Austauschs“ verbessern?

23. Wenn Internetfirmen Dateien beim Upload selbst überwachen und wenn nö-
tig entfernen sollen, inwiefern sollte hierfür aus Sicht der Bundesregierung
eine öffentlich-private Meldeplattform eingerichtet werden?

Berlin, den 2. September 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.