BT-Drucksache 18/9454

Einführung eines Jugend-Checks

Vom 9. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9454
18. Wahlperiode 09.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Dr. Franziska Brantner,
Ulle Schauws, Doris Wagner, Elisabeth Scharfenberg, Katja Dörner, Kai Gehring,
Maria Klein-Schmeink, Tabea Rößner, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Einführung eines Jugend-Checks

Die Autoren der 16. Shell-Jugendstudie beschreiben die Jugend von heute als
pragmatische Generation im Aufbruch: Sie sei optimistisch, zukunftsorientiert
und anspruchsvoll. Dass das Interesse an Politik unter Jugendlichen angestiegen
ist, ist insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine
wichtige Entwicklung. Kinder und Jugendliche stellen in der alternden Gesell-
schaft eine quantitativ und relativ zur übrigen Bevölkerung kleiner werdende
Gruppe. Um den Ausgleich zwischen den Generationen zu bewahren, ist es nach
Auffassung der Fragesteller zentral, die Interessen von Kindern und Jugendlichen
stärker zu berücksichtigen, sie artikulationsstark zu machen und ihre Mitwir-
kungs- und Partizipationsmöglichkeiten auszubauen und rechtlich abzusichern.
Der Gewährleistung der Rechte von Kindern und Jugendlichen – wie sie die UN-
Kinderrechtskonvention festschreibt – kommt in diesem Zusammenhang eine be-
sondere Bedeutung zu. In einer generationengerechten Gesellschaft muss es Kin-
dern und Jugendlichen nach Auffassung der Fragesteller möglich sein, ihre Inte-
ressen auch selbstständig vertreten zu können. Frühe Beteiligung schärft den Sinn
fürs Gemeinwohl, stärkt Zusammenhalt und Generationendialog, fördert Integra-
tion und Gerechtigkeit.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode
findet sich folgende Aussage:
„Eigenständige Jugendpolitik: Jugend ist eine eigenständige Lebensphase. Wir
begreifen Jugendpolitik als ein zentrales Politikfeld, das vorrangig von Ländern
und Kommunen vor Ort gestaltet wird. Um unsere jugendpolitischen Ziele zu
verwirklichen, benötigen wir eine starke Allianz für die Jugend mit einer neuen,
ressortübergreifenden Jugendpolitik, die die Belange aller jungen Menschen im
Blick hat. Gemeinsam mit Jugendlichen und ihren Jugendverbänden entwickeln
wir das Konzept einer eigenständigen Jugendpolitik weiter. Wir wollen Jugend-
lichen Freiräume ermöglichen, ihnen Chancen eröffnen und Rückhalt geben. Wir
werden gemeinsam mit den Jugendverbänden einen „Jugend-Check“ entwickeln,
um Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Interessen der jungen Generation
zu überprüfen.“ (S. 101).
Ebenso findet sich auf Seite 99 folgende Vereinbarung:
„Wir werden jede politische Maßnahme und jedes Gesetz daraufhin überprüfen,
ob sie mit den international vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen.“
(S. 99).

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Und auf Seite 96:
„Wir richten ein Prüfverfahren (Demografie-Check) ein, mit dem Gesetzesvorha-
ben, Richtlinien und Investitionen daraufhin überprüft werden, welche Auswir-
kungen damit auf kommende Generationen verbunden sind. Familienfreundlich-
keit verankern wir als Leitprinzip der Gesetzgebung und exekutiven Handelns.“
Im Sinne des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) ist
– Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist,
– Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist,
– junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist,
– junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist (vgl. § 7 SGB VIII).
Im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention, die die Bundesrepublik Deutschland
1992 ratifiziert hat, ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr
noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzu-
wendenden Recht nicht früher eintritt (vgl. Artikel 1 UN-Kinderrechtskonven-
tion).
Am 15. Juni 2016 führte das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen
und Jugend als Veranstalter eine Informationsveranstaltung zum Jugend-Check
durch.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung des

Jugend-Checks in den Deutschen Bundestag einbringen, und zu wann soll es
in Kraft treten?

2. Beabsichtigt die Bundesregierung zur Einführung des Jugend-Checks die
Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien bzw.
der Gesetzesfolgenabschätzung, und wenn ja, zu wann?

3. Soll der Jugend-Check verpflichtend in die Gemeinsame Geschäftsordnung
der Bundesministerien aufgenommen werden, und wenn nicht, wie kann
dann dessen verbindliche Umsetzung in den Bundesministerien gewährleis-
tet werden?

4. Welche Gesetze sollen zudem zur Etablierung des Jugend-Checks geändert
werden?

5. Plant die Bundesregierung eine unabhängige wissenschaftliche Evaluierung
der Wirkungen des Gesetzes?
Wenn ja, zu wann ist die Evaluierung geplant?
Wenn nein, warum nicht?

6. Zu wann ist die Ressortabstimmung vorgesehen bzw. wurde diese durchge-
führt?

7. Auf welche Probleme bei der Berücksichtigung der Rechte und Interessen
von jungen Menschen reagiert der Jugend-Check dessen Wirkungsdimensi-
onen entlang der Artikel der VN-Kinderrechtskonvention ausgerichtet sind,
wenn nach Aussage der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine An-
frage auf Bundestagsdrucksache 18/5628 vom 23. Juli 2015 jede gesetzge-
berische Maßnahme auf Bundesebene eingehend auf ihre Vereinbarkeit mit
der VN-Kinderrechtskonvention geprüft wird und die Vereinbarkeit mit den
international vereinbarten Kinderrechten grundsätzlich sichergestellt ist?

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8. Wie lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung die Notwendigkeit des
Jugend-Checks begründen, wenn nach Auffassung der Koalitionspartner Ju-
gendpolitik als ein zentrales Politikfeld begriffen wird, dass vorrangig von
Ländern und Kommunen vor Ort gestaltet wird?

9. Wie begründet die Bundesregierung, dass beim geplanten Jugend-Check
die Interessen und Rechte von jungen Menschen im Alter zwischen zwölf
und 27 Jahren im Vordergrund stehen, und wie erklärt die Bundesregierung
die Abweichung beispielsweise von der Begriffsbestimmung gemäß § 7
SGB VIII?

10. Wann und aus welchen Gründen hat die Bundesregierung entschieden, dass
die Belange von Kindern bis zum Alter von zwölf Jahren nicht Teil des Ju-
gend-Checks sind, nachdem sie auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/5628 am 23. Juli 2015 noch antwortete: „Das Prüfinstrument
(Jugend-Check) soll ressortübergreifend Maßnahmen erfassen, bei denen
Belange von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis zum Alter
von 27 Jahren betroffen sind.“?

11. Wie gedenkt die Bundesregierung die jungen Menschen an der Durchfüh-
rung des Jugend-Checks zu beteiligen und damit die Umsetzung des § 8 Ab-
satz 1 SGB VIII (demnach „Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Ent-
wicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen
Jugendhilfe zu beteiligen sind) und Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonven-
tion (demnach die Vertragsstaaten dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene
Meinung zu bilden, das Recht zusichern, diese Meinung in allen das Kind
berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und die Meinung des Kindes
angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife zu berücksich-
tigen. Zu diesem Zweck soll dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben
werden, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren
entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle
im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu wer-
den) zu gewährleisten?

12. Wie und mit welchen Ergebnissen hat die Bundesregierung die 12- bis 27-
Jährigen bisher an der Entwicklung des Jugend-Check beteiligt?

13. Wie begründet die Bundesregierung, dass ein Checkverfahren für Gesetzge-
bungsvorhaben ohne sanktionierende Wirkung, das geeignete Instrument ist,
um die Interessen der jungen Menschen künftig besser zu berücksichtigen?

14. Mit welchen Instrumenten zur Abschätzung der Folgen von Gesetzentwürfen
und Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher die Umsetzung des Arti-
kels 3 der UN-Kinderrechtskonvention gewährleistet, demnach bei allen
Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder
privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehör-
den oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes ein
Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichtigen ist, und wie verhalten
sich diese Instrumente zum geplanten Jugend-Check?

15. Welche anderen Instrumente wurden erörtert, und warum wurden diese nicht
für geeignet gehalten?

16. Wie wird die Bundesregierung beim Jugend-Check die Fragen der Ge-
schlechterrollen aufnehmen und bearbeiten?

17. Wie begründet die Bundesregierung die Notwendigkeit für ein Checkverfah-
ren für Volljährige?

18. Welche Kosten sind bisher für die Entwicklung des Jugend-Checks entstan-
den (bitte differenziert auflisten, welche internen und welche externen Kos-
ten entstanden sind)?

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19. Welche Kosten sind für die Entwicklung des Jugend-Checks insgesamt vor-

gesehen (bitte Einzelplan und Kostenstelle ausweisen)?
20. Welche Kosten werden nach jetzigem Planungsstand im Zusammenhang mit

der Durchführung des Jugend-Checks jährlich entstehen, und in welchem
Einzelplan werden diese etatisiert?

21. Mit wie viel Personalstellen und Kosten, für die Durchführung des im Rah-
men des Jugend-Checks geplanten Relevanzscreenings, rechnet
a) das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
b) das Auswärtige Amt
c) das Bundesministerium des Innern
d) das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
e) das Bundesministerium der Finanzen
f) das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
g) das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
h) das Bundesministerium der Verteidigung
i) das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
j) das Bundesministerium für Gesundheit
k) das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
l) das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicher-

heit
m) das Bundesministerium für Bildung und Forschung
n) das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-

wicklung
o) der Bundesminister für besondere Aufgaben?

22. Welche Aufgaben hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Monitoring-
Stelle UN-Kinderrechtskonvention beim Deutschen Institut für Menschen-
rechte und die Umsetzung der Rechte welcher Altersgruppe steht bei der Mo-
nitoring-Stelle im Vordergrund?

23. Inwiefern tangiert nach Auffassung der Bundesregierung der Jugend-Check
die Aufgaben der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder
(Kinderkommission), und wie sieht sie die Rolle der Kinderkommission nach
Einführung des Jugend-Checks?

24. Wie viele Gesetzentwürfe wurden in dieser Wahlperiode von der Bundesre-
gierung in den Deutschen Bundestag eingebracht?

25. Welche Gesetzentwürfe würde die Bundesregierung dem Jugend-Check-
Verfahren unterziehen (bitte nach Gesetzentwürfen der Bundesregierung,
Gesetzentwürfen von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und Gesetz-
entwürfen des Bundesrates aufschlüsseln)?

26. Sollen darüber hinaus auch Maßnahmen der Bundesregierung dem Jugend-
Check-Verfahren unterzogen werden, und wenn ja, mit wie vielen Maß-
nahmen ist jährlich zu rechnen, und nach welchen Kriterien wird die Aus-
wahl „aller relevanten Maßnahmen“ (vgl. Zwischenbericht Dezember 2015
zum Jugend-Check: www.jugendgerecht.de/downloads/Zwischenbericht_WS_
Jugend-Check_final.pdf) getroffen?

27. Wie soll das geplante unabhängige Prüfgremium besetzt sein, welche Exper-
tise bzw. Fachkompetenz sollen die Mitglieder haben, und wie soll die Leis-
tung der Mitglieder des Gremiums honoriert werden?

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28. Wo soll die Arbeitsstelle für den Jugend-Check angesiedelt werden, und wel-

che Ressourcen sollen ihr zur Verfügung stehen?
29. Beabsichtigt die Bundesregierung im Rahmen des Jugend-Check-Verfahrens

eine Mitwirkung oder Kooperation mit
 der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention,
 der Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinder-

kommission) des Deutschen Bundestages,
 dem Deutschen Jugendinstitut e. V. und
 zivilgesellschaftlichen Akteuren und Zusammenschlüssen wie der Nati-

onal Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinder-
rechtskonvention e. V.,

und wenn ja, wie?
30. Mit welchem Verfahren wurde in der 18. Wahlperiode jede politische Maß-

nahme und jedes Gesetz daraufhin überprüft, ob es mit den international ver-
einbarten Kinderrechten im Einklang steht?

31. Wenn eine o. g. Prüfung der Maßnahmen und Gesetze stattgefunden hat, mit
welchem Ergebnis?

32. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Prüfung der o. g.
Maßnahmen und Gesetze gezogen, und welchen Einfluss hatte dieses auf die
Entwicklung des Jugend-Checks?

33. Bei welchen Gesetzesvorhaben haben die Ergebnisse des Demografie-
Checks zu Änderungen geführt?

34. Plant die Bundesregierung, den Demografie-Check zu evaluieren, und wenn
ja, bis wann?

Berlin, den 9. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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