BT-Drucksache 18/9396

Mitverantwortung deutscher Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in Südafrika

Vom 11. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9396
18. Wahlperiode 11.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Inge Höger, Jan van Aken, Annette Groth, Andrej Hunko,
Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Mitverantwortung deutscher Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen in
Südafrika

Im Rahmen eines südafrikanischen Bergarbeiterstreiks wurden am 16. August
2012 34 streikende Bergleute der Mine Marikana von der Polizei getötet. Die
Opfer des „Massakers von Marikana“ waren Angestellte der Lonmin-Bergwerke,
die u. a. dem deutschen Unternehmen BASF Platin liefern.
Hinterbliebene, v. a. Witwen der Opfer von Marikana, sowie der anglikanische
Bischof von Pretoria, Johannes Seoka haben in den Jahren 2015 und 2016 an Ak-
tionärsversammlungen von BASF teilgenommen, um das Unternehmen in die
Pflicht zu nehmen und Anerkennung sowie Entschädigungsleistungen an die Hin-
terbliebenen zu erwirken. Jedes Mal haben sich die Aktionärinnen und Aktionäre
von BASF für nicht zuständig erklärt (Pressemitteilung der Kirchlichen Arbeits-
stelle Südliches Afrika, 4. Mai 2016, www.presseportal.de/pm/82457/3319090).
Wie Nichtregierungsorganisationen nach Auffassung der Fragesteller zu Recht
bedauern, existieren bislang keine internationalen Rechtsgrundlagen, die das Ver-
halten von Unternehmen einschränken. Daher können sie für die unzureichende
Umsetzung von Arbeitsstandards in Produktionsstandorten im Ausland nicht zur
Rechenschaft gezogen werden. Große internationale Konzerne missachten häufig
international anerkannte Arbeitsstandards oder umgehen diese, indem sie Miss-
stände bei ihren Zulieferern und Subunternehmen in der Regel trotz Kenntnisse
dieser Missstände ignorieren bzw. tolerieren (vgl. INKOTA Netzwerk – abgeru-
fen am 11. August 2016 –: Gute Arbeit, schlechte Arbeit – Decent Work und der
Kampf um eine würdige Beschäftigung weltweit, www.inkota.de/material/in-
kota-dossier/dossier-6/sarah-bormannjohannes-knierzinger/; Brot für die Welt/
Misereor/ECCHR: Transnationale Unternehmen in Lateinamerika. Gefahr für die
Menschenrechte?, S. 19, 40ff.; Stop Bad Mining – abgerufen am 11. August
2016 –: Diebstahl, http://stop-mad-mining.org/wp-content/uploads/2015/11/
Diebstahl_CIR-Studie-Stahl_web.pdf, S. 4-7; vgl. auch Schmalstieg, Transnatio-
nale Konzerne und das Jonglieren mit Arbeitsstandards, www.gegenblende.de/
33-2015/++co++3c9c5964-e1ec-11e4-8bc7-52540066f352 und www.spiegel.de/
wirtschaft/unternehmen/apple-zulieferer-foxconn-gesteht-arbeitsrechtsverletzungen-
in-china-a-927330.html) – BASF ist ein deutliches Beispiel für dieses Problem.
Die Bundesregierung hat im Jahr 2014 festgestellt, dass, wenn im Bereich der
Unternehmensverantwortung „freiwillige Selbstverpflichtungen sich nicht als
hinreichend erweisen, der Staat […] gefordert [ist], gegebenenfalls ordnungs-
rechtliche Maßnahmen zu ergreifen“ (Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/1044) seien. Auch wenn
sie rechtlich nicht dazu verpflichtet ist, nimmt diese Aussage die Bundesregierung
nach Auffassung der Fragesteller politisch in die Pflicht. Im Hinblick auf das

Drucksache 18/9396 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Massaker von Marikana hat die Bundesregierung allerdings bislang noch keine
ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen BASF ergriffen.
Zudem kommt es in der Kohleindustrie in Südafrika zu Menschenrechtsverstö-
ßen, wie beim Bau des Mega-Kraftwerkes Midupi und weiterer Kohleminen in
der Provinz Limpopo (www.misereor.de/fileadmin/publikationen/studie-wenn-
nur-die-kohle-zaehlt.pdf, S. 37-49). Beteiligt daran sind auch deutsche Unterneh-
men, z. B. Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe, eine deutsche Tochterfirma
des japanischen Konzerns Hitachi Power Systems, Siemens, AIC, Clyde Berge-
mann, Bilfinger Berger, Rheinmetall Defense Electronic, STEAG Energy Ser-
vice, BWF Group, Pro Term, INP International und IMR Anlagebau. Auch die
Bundesregierung ist mit einer Hermesbürgschaft an diesem Projekt beteiligt
(www.misereor.de/fileadmin/publikationen/studie-wenn-nur-die-kohle-zaehlt.pdf,
S. 50-60).
Der südafrikanische Energieversoger Eskom wird schon bald zwei neue Kohle-
kraftwerke in Betrieb nehmen: Kusile 2017 und Medupi 2019 (ebd.). Dabei ist
die Umweltverschmutzung in den von der Kohleindustrie betroffenen Gebieten
jetzt schon besorgniserregend. Die Wasserqualität in den Gebieten ist problema-
tisch, insbesondere aufgrund der Schwefeldioxid-Belastung (ebd.). Daraus ent-
stehen massive gesundheitliche Schäden für Anwohnerinnen und Anwohner.
Weitere Probleme sind die Luftqualität sowie die Gefahren, die mit stillgelegten
Minen zusammenhängen (neues deutschland, 14. Februar 2011, www.ag-
friedensforschung.de/regionen/Suedafrika/bergbau3.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Massaker von

Marikana vom 16. August 2012?
2. Wie schätzt die Bundesregierung eine etwaige Mitverantwortung des deut-

schen Unternehmens BASF für das Massaker von Marikana ein?
3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Position der BASF-Aktionärsver-

sammlungen von 2015 und 2016, wonach BASF keine Mitverantwortung
für das Massaker von Marikana trage (www.presseportal.de/pm/82457/
3319090)?

4. Plant die Bundesregierung ordnungsrechtliche Maßnahmen gegen BASF
wegen einer etwaigen Mitverantwortung des Unternehmens am Massaker
von Marikana sowie wegen bislang fehlenden Entschädigungszahlungen an
die Hinterbliebenen der Opfer?
a) Wenn ja, welche Maßnahmen sind geplant, und wann sollen sie umgesetzt

werden?
b) Wenn nein, warum nicht, und wie wäre das Ausbleiben ordnungsrechtli-

cher Maßnahmen kompatibel mit der Aussage der Bundesregierung, dass
solche Interventionen nötig seien, wenn „freiwillige Selbstverpflichtun-
gen sich als nicht hinreichend erweisen“ (Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage zu Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 18/1044)?

5. In welcher Höhe hat die BASF und ihre Tochterfirmen seit dem Jahr 2006
staatliche Beihilfen von der Bundesregierung erhalten (bitte sowohl die Ge-
samtsumme nennen als auch nach Art der Beihilfen und Jahren unterteilt auf-
listen)?

6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von Menschenrechtsverletzun-
gen, die in Südafrika aus dem Kohleabbau resultieren (www.misereor.de/
informieren/rohstoffe/kohle/)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9396
7. Wie schätzt die Bundesregierung die Mitverantwortung der deutschen Un-
ternehmen Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe, Siemens, AIC, Clyde
Bergemann, Bilfinger Berger, Rheinmetall Defense Electronic, STEAG
Energy Service, BWF Group, Pro Term, INP International und IMR Anlage-
bau für etwaige Menschenrechtsverletzungen die in Südafrika aus dem Koh-
leabbau resultieren, ein (www.misereor.de/informieren/rohstoffe/kohle/)?

8. In welcher Höhe hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2006 Projekte der
deutschen Unternehmen Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe, Sie-
mens, AIC, Clyde Bergemann, Bilfinger Berger, Rheinmetall Defense
Electronic, STEAG Energy Service, BWF Group, Pro Term, INP Internati-
onal und IMR Anlagebau mit Außenwirtschaftsförderungen und anderen
staatlichen Beihilfen unterstützt?

9. Inwieweit hält die Bundesregierung die Unterstützung des Kohleabbaus in
Südafrika mit dem Pariser Klimavertrag von 2015 für kompatibel?

10. Welche Rolle spielen menschenrechts- und umweltpolitische Aspekte bei der
Vergabe staatlicher Beihilfen durch die Bundesregierung, insbesondere im
Hinblick auf das Wirken deutscher Unternehmen in Südafrika?

Berlin, den 11. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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