BT-Drucksache 18/9386

Beobachtungsansätze der Sicherheitsbehörden in sozialen Netzwerken und im sogenannten "Darknet"

Vom 9. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9386
18. Wahlperiode 09.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Martina Renner, Frank Tempel, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke
und der Fraktion DIE LINKE.

Beobachtungsansätze der Sicherheitsbehörden in sozialen Netzwerken und
im sogenannten „Darknet“

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, berichtete an-
lässlich der Vorstellung des „Bundeslagebildes Cybercrime 2015“ u. a. über die
erfolgreichen Ermittlungen gegen mehrere Handelsplattformen im sogenannten
„Darknet“ (vgl.: ZEIT ONLINE vom 27 Juli 2016: Auf einer Skala von null bis
Ziercke höchstens eine drei“, www.zeit.de/digital/datenschutz/2016-07/bundes-
kriminalamt-darknet-jahresbericht). Allerdings räumte das BKA auf Nachfrage
von „netzpolitik.org“ ein, dass verlässliche Zahlen über die NutzerInnen im soge-
nannten „Darknet“ nicht vorlägen und Schätzungen allein auf der Basis von Hoch-
rechnungen möglich seien (vgl.: netzpolitik.org vom 27. Juli 2016: „BKA hat keine
belastbaren Zahlen: Also doch keine Million Menschen in Deutschland, die im
Darknet Drogen, Waffen und falsche Pässe kaufen“, https://netzpolitik.org/
2016/bka-hat-keine-belastbaren-zahlen-also-doch-keine-million-menschen-in-
deutschland-die-im-darknet-drogen-waffen-und-falsche-paesse-kaufen/). Dem
Bundesamt für Verfassungsschutz stehen nach § 8 Absatz 2 des Bundesverfas-
sungsschutzgesetzes (BVerfSchG) zur Erfüllung seines gesetzlichen Auftrages
nachrichtendienstliche Mittel zur Verfügung. Dazu gehören auch verdeckte In-
formationsbeschaffung mittels Verbindungs- oder Vertrauenspersonen (V-Leu-
ten) oder Verdeckten Mitarbeitern/-innen (VM) bzw. die Nutzung von Tarniden-
titäten. Diese Maßnahmen können ebenfalls für Informationsbeschaffungen im
Internet genutzt werden. Strittig ist nach Ansicht der Fragesteller, inwieweit es
sich etwa beim Einsatz von Verdeckten Ermittlerinnen und Ermittlern, Verdeck-
ten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Gewährspersonen zur Erhebung von
personenbezogenen Informationen aus Chats, Foren, Mailing-Groups, Messen-
ger-Diensten und anderen Online-Kommunikationsplattformen um einen Eingriff
in das Fernmeldegeheimnis handelt, bei dem entsprechende rechtsstaatliche Ver-
fahren einzuhalten sind.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Plattformen zum Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistun-

gen sind dem BKA im Zeitraum seit 2013 im sogenannten „Darknet“ bekannt
geworden?

2. Welche illegalen Waren und Dienstleistungen wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung im Zeitraum seit 2013 auf den einzelnen Plattformen im
sogenannten „Darknet“ umgesetzt, und wie hoch war der nachweisbare Um-
satz der einzelnen Plattformen?

Drucksache 18/9386 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
3. Wie viele Zustellungen von illegalen Waren und Dienstleistungen sind der
Bundesregierung im Zeitraum seit 2013 bekannt?

4. In wie vielen Fällen haben nach Kenntnis der Bundesregierung Behörden di-
rekt oder durch Dritte Käufe im sogenannten „Darknet“ angebahnt oder
durchgeführt bzw. anbahnen oder durchführen lassen (bitte nach direkten
und vermittelten Käufen/Anbahnungen von Käufen aufschlüsseln und unter
Angabe von Daten und der betreffenden Waren/Dienstleistungen beantwor-
ten)?

5. Wie viele Personen konnte das BKA im Zeitraum seit 2013 als Beteiligte am
Handel von und mit illegalen Waren und Dienstleistungen identifizieren, und
in wie vielen Fällen wurden strafrechtliche Verfahren eingeleitet?

6. Sind der Bundesregierung persönliche Zusammenkünfte von Usern aus sog.
„Darknet“-Foren bekannt (bitte unter Angabe von Datum, Ort, teilnehmen-
den Personen und Anlass beantworten)?

7. Welche polizeilichen und/oder nachrichtendienstlichen Maßnahmen kamen
gegen in Frage 6 angesprochene Zusammenkünfte nach Kenntnis der Bun-
desregierung zum Einsatz (bitte unter Nennung der Maßnahmen, der betei-
ligten Behörden, der Daten und der Orte beantworten)?

8. In wie vielen Fällen wurden im Zeitraum seit 2013 Erkenntnisse zu und über
am Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen im sogenannten
„Darknet“ beteiligte Personen an Mitgliedstaaten der Europäischen Union
übermittelt oder von solchen Staaten abgefragt (bitte nach Jahren, Deliktsbe-
reichen und EU-Mitgliedstaaten aufschlüsseln)?

9. In wie vielen Fällen wurden im Zeitraum seit 2013 Erkenntnisse zu und über
am Handel mit illegalen Waren oder Dienstleistungen im sogenannten
„Darknet“ beteiligte Personen an Staaten außerhalb der Europäischen Union
übermittelt oder von solchen Staaten abgefragt (bitte nach Jahren, Deliktsbe-
reichen und Staaten aufschlüsseln)?

10. Hat das BKA im Zusammenhang mit Ermittlungen im oder zum sogenannten
„Darknet“ technische Unterstützung durch andere Sicherheitsbehörden in
Anspruch genommen, und wenn ja, welche Art der Unterstützung von wel-
cher Sicherheitsbehörde?

11. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat das
BKA seit 2013 Diskussionsgruppen, Chats, Facebook-Gruppen, Foren,
Messenger-Dienste, Mailing-Groups oder vergleichbare Plattformen über-
wacht (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kriminalitätsbereich, Protokoll bzw.
Kommunikationsdienst)?

12. In wie vielen Fällen hat sich das BKA Zugang zu solchen Kommunikations-
diensten bzw. -formen unter Nutzung von Tarnidentitäten bzw. sogenannten
„Fake Accounts“ verschafft?

13. In wie vielen Fällen und betreffend welche Kriminalitätsbereiche hat das
BKA Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiensten
und -formen an deutsche Behörden übermittelt (bitte aufschlüsseln nach Jahr,
Kriminalitätsbereich, Art übermittelter Erkenntnisse und Daten)?

14. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat das
BKA Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiensten
und -formen an ausländische Behörden übermittelt (bitte aufschlüsseln nach
Jahr, Kriminalitätsbereich, Art übermittelter Erkenntnisse und Daten, Emp-
fangsstaat)?

15. Welche personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten werden vom
BKA aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen erhoben und verar-
beitet?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9386

16. In wie vielen dieser Fälle und welche Kriminalitätsbereiche betreffend erging

vor der Informationsbeschaffung eine richterliche Anordnung?
17. In wie vielen dieser Fälle und welche Kriminalitätsbereiche betreffend führte

die Informationsbeschaffung zu (weiteren) Maßnahmen nach der verdeckten
Datenerfassung?

18. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat die
Bundespolizei (BPol) seit 2013 Diskussionsgruppen, Chats, Facebook-Grup-
pen, Foren, Messenger-Dienste, Mailing-Groups oder vergleichbare Plattfor-
men überwacht (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Kriminalitätsbereich, Proto-
koll bzw. Kommunikationsdienst)?

19. In wie vielen Fällen hat sich die Bundespolizei Zugang zu solchen Kommu-
nikationsdiensten bzw. -formen unter Nutzung von Tarnidentitäten bzw. so-
genannten „Fake Accounts“ verschafft?

20. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat die
Bundespolizei Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiens-
ten und -formen an deutsche Behörden übermittelt (bitte aufschlüsseln nach
Jahr, Kriminalitätsbereich, Art übermittelter Erkenntnisse und Daten)?

21. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat die
Bundespolizei Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiens-
ten und -formen an ausländische Behörden übermittelt (bitte nach Jahr, Kri-
minalitätsbereich, Art übermittelter Erkenntnisse und Daten, Empfangsstaat
aufschlüsseln)?

22. Welche personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten werden von
der Bundespolizei aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen erho-
ben und verarbeitet?

23. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat der Zoll
seit 2013 Diskussionsgruppen, Chats, Facebook-Gruppen, Foren, Messen-
ger-Dienste, Mailing-Groups oder vergleichbare Plattformen überwacht
(bitte nach Jahr, Kriminalitätsbereich, Protokoll bzw. Kommunikations-
dienst aufschlüsseln)?

24. In wie vielen Fällen hat sich der Zoll Zugang zu solchen Kommunikations-
diensten bzw. -formen unter Nutzung von Tarnidentitäten bzw. sogenannten
„Fake Accounts“ verschafft?

25. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat der Zoll
Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen
an deutsche Behörden übermittelt (bitte nach Jahr, Kriminalitätsbereich, Art
übermittelter Erkenntnisse und Daten aufschlüsseln)?

26. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche betreffend hat der Zoll
Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen
an ausländische Behörden übermittelt (bitte nach Jahr, Kriminalitätsbereich,
Art übermittelter Erkenntnisse und Daten, Empfangsstaat aufschlüsseln)?

27. Welche personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten werden vom
Zoll aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen erhoben und verar-
beitet?

28. In wie vielen Fällen und welche Phänomenbereiche betreffend hat das Bun-
desamt für Verfassungsschutz (BfV) seit 2013 Diskussionsgruppen, Chats,
Facebook-Gruppen, Foren, Messenger-Dienste, Mailing-Groups oder ver-
gleichbare Plattformen überwacht (bitte nach Jahr, Phänomenbereich, Proto-
koll bzw. Kommunikationsdienst aufschlüsseln)?

Drucksache 18/9386 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

29. In wie vielen Fällen hat sich das BfV Zugang zu solchen Kommunikations-

diensten bzw. -plattformen unter Nutzung von Tarnidentitäten bzw. soge-
nannten „Fake Accounts“ verschafft?

30. In welchem Umfang greift das BfV auf Gewährspersonen (V-Leute) zurück,
um personenbezogene und nicht personenbezogene Informationen aus sol-
chen Kommunikationsdiensten bzw. -plattformen zu erheben (bitte nach
Phänomenbereichen aufschlüsseln)?

31. In wie vielen dieser Fälle und welche Phänomenbereiche betreffend erging
vor der Informationsbeschaffung eine G 10-Anordnung?

32. In wie vielen dieser Fälle und welche Phänomenbereiche betreffend führte
die Informationsbeschaffung zu Maßnahmen nach dem G 10-Gesetz?

33. In wie vielen Fällen und welche Phänomenbereiche betreffend hat das BfV
Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen
an deutsche Behörden übermittelt (bitte nach Jahr, Phänomenbereich, Art der
übermittelten Erkenntnisse und Daten aufschlüsseln)?

34. In wie vielen Fällen und welche Phänomenbereiche betreffend hat das BfV
Erkenntnisse und Daten aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen
an ausländische Behörden übermittelt (bitte nach Jahr, Phänomenbereich,
Art der übermittelten Erkenntnisse und Daten, Empfangsstaat aufschlüs-
seln)?

35. Welche personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten werden vom
BfV aus solchen Kommunikationsdiensten und -formen erhoben und verar-
beitet?

36. In wie vielen Fällen und welche Kriminalitätsbereiche der Ermittlungsbehör-
den bzw. Beobachtungsgegenstände (Phänomenbereiche) der Verfassungs-
schutzbehörden betreffend haben die zuständigen Behörden nach Kenntnis
der Bundesregierung direkt oder über verdeckte/geheime Mitarbeiter/-innen
oder indirekt über Vertrauenspersonen, Vertrauensleute, Gewährspersonen
oder Informanten/-innen an Transaktionen von illegalen Waffen, verbotener
Substanzen nach dem Betäubungsmittelgesetz, Piraterieprodukten, verfas-
sungswidrigen Schriften, indizierten Tonträgern, Kinderpornografie etc. als
Käufer, Vermittler, oder Verkäufer mitgewirkt (bitte nach Kriminalitäts-
/Phänomenbereich, Jahr, beteiligte Behörde aufschlüsseln)?

Berlin, den 9. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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