BT-Drucksache 18/9344

Nachfragen zur Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung

Vom 3. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9344
18. Wahlperiode 03.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Dr. André Hahn, Kerstin Kassner,
Jan Korte, Dr. Petra Sitte, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Nachfragen zur Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und
Demokratieförderung

In ihrem Bericht „Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und
Demokratieförderung“ (Bundestagsdrucksache 18/9192) stellt die Bundesregie-
rung laufende Maßnahmen und Vorhaben in der Auseinandersetzung mit Rechts-
extremismus, Islamismus und anderen demokratiefeindlichen Bestrebungen vor.
Positiv zu vermerken ist, dass mit dem Einbezug des Konzepts der „gruppenbe-
zogenen Menschenfeindlichkeit“ (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 7) der
Blick deutlich über gesellschaftliche Randbereiche hinausgeht und Ideologien der
Ungleichheit in den Blick nimmt, die sich bis weit in die Mitte der Gesellschaft
hinein finden. In Zeiten von Pegida und einem aufstrebenden Rechtspopulismus
in Form der AfD ist eine solche Ausweitung des Blicks nach Auffassung der Fra-
gesteller nötig und angemessen. Leider wird dennoch weiter mit dem Ex-tremis-
musbegriff gearbeitet, der diese positive Ausweitung des Blicks gleich wieder zu
vernebeln droht, weil neben der damit intendierten Gleichsetzung von links und
rechts das zu beschreibende Problem von Rassismus, gruppenbezogener Men-
schenfeindlichkeit, Gewalt und Demokratiefeindschaft als Problem extremisti-
scher Randgruppen erscheint.
Unabhängig davon finden sich im Konzept der Bundesregierung zahlreiche posi-
tive Ansätze, die es konkret umzusetzen und zu füllen gilt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Bis wann soll der von der Bundesregierung in der Einleitung zu Bundestags-

drucksache 18/9192 erwähnte „Nationale Aktionsplan der Bundesrepublik
Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antise-
mitismus und darauf bezogene Intoleranz“ vorliegen, und was sind die
Gründe für eine Überarbeitung des vorhandenen Aktionsplans?

2. Wie soll die von der Bundesregierung angeführte „Einbindung und Konsul-
tation der Zivilgesellschaft“ (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 6) konkret
aussehen?
Welche Gruppen der Zivilgesellschaft sollen hier nach welchen Kriterien in
die Arbeit eingebunden werden?

3. Bezieht sich diese Zusammenarbeit vor allem auf das Forum gegen Rassis-
mus, oder sollen auch weitere Gruppen einbezogen werden, und wie ist das
Forum gegen Rassismus gegenwärtig zusammengesetzt, und wer entscheidet
über den Einbezug neuer bzw. weiterer Gruppen?

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4. Welche Art der „verstärkte(n) Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/9192, S. 5) strebt die Bundesregierung an?
Gibt es Beispiele für eine solche Zusammenarbeit, und bezieht sich dies vor
allem auf die Frage der Finanzierung oder auch der inhaltlichen Ausgestal-
tung von Projekten?

5. Wie will die Bundesregierung den von ihr selbst attestierten „gestiegene(n)
Bedarf an mobiler Beratung und Opferberatung“ (Bundestagsdrucksa-
che 18/9192, S. 20) abdecken?
Ist eine Mittelausweitung für die mobile Beratung und Opferberatung ge-
plant, und soll hiermit ein Stellenaufbau verbunden werden, der den gestie-
genen Bedarf abdecken kann?

6. Ist der Bundesregierung der von den Trägern der mobilen Beratung und Op-
ferberatung ermittelte finanzielle Bedarf für die Aufrechterhaltung der Qua-
litäts- und Fachstandards der Arbeit von Mobilen Beratungsteams (MBT)
und Opferberatungsstellen (OBS) vor dem Hintergrund des gestiegenen Be-
darfs bekannt, der sich auf jährlich 12,4 Mio. Euro beläuft, und wie ist dieser
Bedarf mit den von der Bundesregierung für diesen Bereich vorgesehenen
8,865 Mio. Euro vereinbar (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 40)?

7. Auf welcher inhaltlichen Grundlage ist Finanzplanung für die Landesdemo-
kratiezentren und damit für die MBTs und OBS‘ erfolgt?
Wurde mit den Verantwortlichen in den Projekten über diese Finanzplanung
und ihre Bedarfe gesprochen, und wie unterscheidet sich die Einschätzung
der finanziellen Bedarfe zwischen Bundesregierung und Projektträgern kon-
kret?

8. Wie stellt sich die von der Bundesregierung angestrebte „verbesserte recht-
liche Basis für die Arbeit der Zivilgesellschaft“ (Bundestagsdrucksa-
che 18/9192, S. 26) gegenwärtig konkret dar, und welche Schritte sind hier
seit 2013 unternommen worden?

9. Welche Schritte wurden von der Bundesregierung unternommen, um zu ei-
ner größeren „Verlässlichkeit“ und „Planungssicherheit“ für die Projekte zu
kommen, wie sie in den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
der 17. Wahlperiode gefordert wurden (Bundestagsdrucksache 17/14600,
S. 866)?

10. Welche Schritte zu einer „bundesgesetzlichen Basis unter (…) Einbeziehung
der Länder“ (Bundestagsdrucksache 17/14600, S. 867) wurden von der Bun-
desregierung auf den Weg gebracht, und hat es dazu Gespräche mit den Län-
dern gegeben (wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis)?

11. Hat die Bundesregierung Hinweise, warum die von ihr im Bericht auf S. 19
erwähnte „Distanzierungs- und Ausstiegsberatung“, die in allen Bundeslän-
dern stattfindet, in Sachsen im Jahr 2016 nicht mehr finanziell unterstützt
wird (vgl. die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundes-
minister der Finanzen, Jens Spahn, an den Abgeordneten Roland Claus vom
24. Juni 2016)?

12. Wird es bzw. hat es eine Ausschreibung für die von der Bundesregierung
angekündigten neuen Modellprojekte im Bereich „Rassismus und rassisti-
sche Diskriminierung“ sowie „Antidiskriminierung und Frühprävention im
Vorschulalter“ (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 10) geben?

13. Inwiefern lässt sich hier von einer Umsetzung von „Empfehlungen des NSU-
Untersuchungsausschusses zur Verstetigung und zum Ausbau bewährter An-
sätze“ (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 10) sprechen, und bezieht sich das
auch auf eine dauerhafte Finanzierung dieser Projekte?

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14. Wie stellt sich aus Sicht der Bundesregierung generell die „Überführung in-
novativer und erfolgreicher Ansätze in Regelstrukturen“ (Bundestagsdruck-
sache 18/9192, S. 15) dar, und welche Bespiele kann sie dafür anführen?

15. Bei welchen Zielgruppen der verschiedenen Maßnahmen der Bundesregie-
rung gibt es nach wie vor Lücken, insbesondere im Bereich bildungsferner
Schichten und Älterer, und welche Maßnahmen wurden bzw. werden ergrif-
fen, um hier die Reichweite der Programme zu erhöhen?

16. Gibt es im Rahmen der Bundeszentrale für politische Bildung Konzepte, wie
„extremistischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Einstellungen und
Parolen“ (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 12) bei denen zu begegnen ist,
die solche Parolen verbreiten bzw. ihnen hinterherlaufen?
Welche praktischen Erfahrungen gibt es bei der Arbeit mit solchen Men-
schen, und sollen solche Ansätze mit Blick z. B. auf Pegida u. a. verstärkt
werden?

17. Befasst sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Arbeitsgruppe „Deradi-
kalisierung“ im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) ausschließlich
mit dem Bereich des Islamismus, oder werden hier auch Beispiele aus dem
Bereich Rechtsextremismus behandelt, z. B. mit Blick auf die Erfahrung der
Aussteigerprogramme in diesem Bereich?

18. Welchen öffentlichen Stellen und zivile Akteure sind nach Kenntnis der Bun-
desregierung in die Netzwerkarbeit der „Clearingstelle Präventionskoopera-
tion“ eingebunden, sind Maßnahmen zur Erweiterung dieses Netzwerkes ge-
plant und ggf. welche?

19. Welchen Stellenwert nimmt im Bereich Islamismus die Förderung und Un-
terstützung von nichtpolizeilichen präventiven Ansätzen ein, die junge Men-
schen widerstandsfähig gegen Radikalisierung machen sollen, und welchen
Umfang hat diese Förderung im Vergleich mit Projekten und Programmen
zur (De-)Radikalisierung und Ausstiegshilfe?

20. Bietet im Bereich Ausstiegshilfe für islamistische/djihadistische Personen
das Bundesamt für Verfassungsschutz ebenso wie für Rechtsextremisten
Möglichkeiten, sich auf einem besonders hohen Anonymitäts- und Schutzni-
veau aus der Szene zu lösen, und wenn nein, warum nicht?

21. Beschränkt sich die historisch-politische Bildungsarbeit tatsächlich auf die
„kritische Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und der
SED-Diktatur“ (Bundestagsdrucksache 18/9192, S. 16), und warum wird
keine Einbeziehung z. B. der Frühphase der Bundesrepublik Deutschland an-
gestrebt, in der ein bis heute Öffentlichkeit und Wissenschaft beschäftigen-
der häufig verdrängender Umgang mit dem Nationalsozialismus stattfand
(vgl. z. B. Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesre-
publik und die NS-Vergangenheit, München 1997)?

22. Wie soll konkret „die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die im Alltag
von Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrung betroffen sind“ (Bun-
destagsdrucksache 18/9192, S. 17) erfolgen, welche konkreten Projekte sind
hier geplant, und vom wem sollen sie umgesetzt werden?

23. Mit welchen konkreten Projekten will die Bundesregierung „die Handlungs-
kompetenz und das Engagement von (potenziell) von Extremismus und
Menschenfeindlichkeit Betroffenen stärken“ (Bundestagsdrucksache
18/9192, S. 17)?

24. Welche Kommunen haben über das Programm „Partnerschaften für Demo-
kratie“ seit Anfang 2015 Projekte in den Bereichen islamistischer Extremis-
mus und linke Militanz beantrag bzw. umgesetzt (bitte nach Bereichen und
konkreten Projektinhalten aufschlüsseln)?

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25. Welche Initiativen sind an der Koordinierungsstelle Radikalisierungspräven-
tion beteiligt, und findet hier ein bundesweiter Austausch von Projekten aus
diesem Bereich statt?

26. Bis wann soll ein bundesweites Netz an Beratungsstellen im Bereich islamis-
tischer Extremismus aufgebaut sein, und in welcher Form beteiligt sich die
Bundesregierung an einem solchen Aufbau?

27. Wer setzt mit welchen Mitteln und bis wann das von der Beauftragten der
Bundesregierung für die neuen Bundesländer unterstützte Forschungsvorha-
ben „Ursachen und Hintergründe für Rechtsextremismus, Fremdenfeindlich-
keit und fremdenfeindlich motivierte Übergriffe in Ostdeutschland, sowie
die Ballung in einzelnen ostdeutschen Regionen“ (Bundestagsdrucksache
18/9192, S. 22) um?

28. Wie ist der aktuelle Stand der grundlegenden Überprüfung des Definitions-
systems „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK), seit wann arbeitet die er-
wähnte Bund-Länder-Arbeitsgruppe, und bis wann ist mit einem Ergebnis zu
rechnen?

Berlin, den 3. August 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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