BT-Drucksache 18/9317

Weiterentwicklung des Kinderzuschlags

Vom 1. August 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9317
18. Wahlperiode 01.08.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Ulle Schauws, Doris Wagner, Beate Walter-Rosenheimer,
Tabea Rößner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weiterentwicklung des Kinderzuschlags

Der Kinderzuschlag wurde als einkommensabhängige Ergänzung zum Kinder-
geld gemeinsam mit dem Arbeitslosengeld II eingeführt. Er soll Eltern unterstüt-
zen, die mit ihrem Einkommen zwar ihren eigenen Bedarf, nicht jedoch den Be-
darf ihrer Kinder decken können. Zweck dieser Leistung ist die Vermeidung der
SGB-II-Bedürftigkeit der Eltern allein aufgrund des Bedarfs ihrer Kinder (vgl.
Bundestagsdrucksache 16/8867, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bun-
deskindergeldgesetzes).
Bei der Evaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen wurde der Kin-
derzuschlag als eine Leistung identifiziert, die auf alle vier familienpolitischen
Ziele (wirtschaftliche Stabilität, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wohlerge-
hen von Kindern, Realisierung von Kinderwünschen) positiv wirkt (vgl. Prog-
nos AG, 2014, Endbericht Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen
Maßnahmen und Leistungen in Deutschland, S. 370).
Darüber hinaus weisen aber sowohl der Endbericht der Gesamtevaluation (vgl.
Prognos, 2014), die Studie „Schnittstellen im Sozial-, Steuer- und Unterhalts-
recht“ im Rahmen der Gesamtevaluation (Ott, Schürmann & Werding, 2012) als
auch zahlreiche Verbände und Gewerkschaften seit Jahren auf die Probleme bei
der Gewährung des Kinderzuschlags hin und regen eine Reform des Kinderzu-
schlags an.
Der Kinderzuschlag wird nur dann gewährt, wenn durch ihn die Hilfebedürftig-
keit im Sinne der Vorschriften über das Arbeitslosengeld II vermieden wird. Der
gleichzeitige Bezug von Kinderzuschlag und Arbeitslosengeld II ist damit ausge-
schlossen. Um ihn beziehen zu können, muss ein bestimmtes Mindesteinkommen
erreicht werden, andererseits darf ein bestimmtes Höchsteinkommen nicht über-
schritten werden. Diese Festlegung eines eng definierten Einkommenskorridors
macht den Kinderzuschlag zu einer komplizierten, bürokratisch aufwändigen Un-
terstützungsmaßnahme mit einer hohen Ablehnungsquote (Stellungnahme des
Zukunftsforum Familie e. V. zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf
eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des
Kindergeldes und des Kinderzuschlags, 2015, www.zukunftsforum-familie.de/
fileadmin/user_upload/pdf/infocenter/stellungnahmen/ZFF_SN_Freibetr_ge_
Kindergeld.pdf).

Drucksache 18/9317 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Besonders problematisch ist nach Auffassung der Fragesteller, dass der Kinder-
zuschlag (gemeinsam mit dem Wohngeld) bei zunehmenden Einkommen der El-
tern abgeschmolzen wird und ganz entfällt, sobald er auf die Hälfte des Maximal-
betrages gesunken ist. Damit endet der Bezug des Kinderzuschlags abrupt und
Familien haben dann trotz höheren Bruttoeinkommens netto weniger zur Verfü-
gung als zuvor (vgl. Ott, Schürmann & Werding, 2012).
Auch bei vielen Alleinerziehenden kommt diese Leistung selten an, da unter an-
derem sowohl Unterhalt als auch Unterhaltsvorschuss als Einkommen des Kindes
die Höhe des Kinderzuschlags mindern oder dadurch der Anspruch auf Kinder-
zuschlag ganz entfällt. Dadurch wirkt der Kinderzuschlag für Alleinerziehende
kaum armutsvermeidend (vgl. Prognos, 2014, S. 386).
Zum 1. Juli dieses Jahres wurde der Kinderzuschlag um 20 Euro auf 160 Euro
erhöht.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Familien beziehen derzeit den Kinderzuschlag nach § 6a des Bun-

deskindergeldgesetzes (BKKG) (bitte nach Familienform und Zahl der Kin-
der aufschlüsseln)?

2. Wie steht die Bundesregierung zu den Erkenntnissen der Studie „Akzeptanz
staatlicher Familienleistungen im Jahr 2010“ des INSTITUTS FÜR DEMO-
SKOPIE ALLENSBACH, dass der Kinderzuschlag in der Gesamtbevölke-
rung mit 5 Prozent genauso wenig bekannt ist wie das Wohngeld, sich nur
45 Prozent der derzeitigen Nutzer des Kinderzuschlags gut mit den Details
der Leistung auskennen und auch aktuelle Antragsteller überwiegend nur
über vage Kenntnisse verfügen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus
diesen Erkenntnissen?

3. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, wie viele Familien keinen
Kinderzuschlag beantragen, obwohl sie dem Grunde nach anspruchsberech-
tigt sind?
Wenn ja, welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung dazu, warum an-
spruchsberechtigte Familien ihren Anspruch nicht geltend machen (bitte
nach Familienform und Zahl der Kinder aufschlüsseln), und welche Schluss-
folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Quote anspruchsberechtigter
Eltern, die ihren Anspruch nicht geltend machen?

4. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, ob anspruchsberechtigte Fa-
milien den Kinderzuschlag gar nicht beantragen, da die Anspruchsvorausset-
zungen zu kompliziert sind oder sie nichts von der Leistung wissen (bitte
nach Familienform und Anzahl der Kinder aufschlüsseln)?
Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus
(Frage bitte getrennt beantworten)?

5. Wie viele Anträge werden aufgrund der Überschreitung der Höchsteinkom-
mensgrenze abgelehnt oder unterbrochen (bitte nach Familienform und An-
zahl der Kinder aufschlüsseln)?

6. Wie viele Anträge werden aufgrund der Unterschreitung der Mindestein-
kommensgrenze abgelehnt (bitte nach Familienform und Kinderzahl auf-
schlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9317
 

7. Inwieweit prüft die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Jobcenter automa-
tisch, ob Familien ihre SGB-II-Hilfebedürftigkeit mit dem Kinderzuschlag
überwinden können?
Gibt es hierzu in der Bundesagentur für Arbeit bzw. den Jobcentern eine gän-
gige Beratungspraxis und Hilfestellung bei der Beantragung des Kinderzu-
schlags?
Wenn ja, wie viele Anträge auf Kinderzuschlag sind über das Jobcenter bzw.
die Bundesagentur für Arbeit bei der Familienkasse eingegangen (bitte nach
Jahren, Bundesland und Familienform auflisten)?

8. Bei wie vielen Alleinerziehenden wird die Auszahlungshöhe des Kinderzu-
schlags abgeschmolzen oder entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag ganz,
weil das Einkommen des Kindes, z. B. durch Unterhaltszahlungen, Unter-
haltsvorschuss und/oder Waisenrente angerechnet wird?

9. Wie viele Familien, die Kinderzuschlag erhalten, beziehen nach Kenntnis der
Bundesregierung gleichzeitig Leistungen für Bildung und Teilhabe (bitte
nach Familienform, Kinderzahl und Leistungsart aufschlüsseln)?

10. Was verbirgt sich hinter der „Informationsoffensive Kinderzuschlag“, auf
die das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend in
seiner Vorhabenplanung vom 13. Januar 2016 hingewiesen hat, und wie sieht
hier der Zeitplan aus?

11. Was folgert die Bundesregierung aus der Gesamtevaluation der ehe‐ und fa-
milienbezogenen Leistungen, und welche Konzepte zur Weiterentwicklung
der Leistungen erarbeitet die Bundesregierung derzeit auf Grundlage der
Vorhabenplanung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend vom 13. Januar 2016, und wie sieht hier der Zeitplan aus?

12. Wie steht die Bundesregierung zur Empfehlung des Endberichts der Ge-
samtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen, dass eine Ab-
milderung der Abbruchkante bei Überschreitung der Höchsteinkommens-
grenze des Kinderzuschlags die derzeitigen negativen Erwerbsanreize ver-
ringern würde (vgl. Prognos, 2014, S. 216), und welche Schlussfolgerungen
zieht die Bundesregierung aus dieser Empfehlung?

13. Wie steht die Bundesregierung zu der Erkenntnis des Endberichts der Ge-
samtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen, dass der Kin-
derzuschlag bei Alleinerziehenden aufgrund der Anrechnung von Kindesun-
terhalt und Unterhaltsvorschuss auf den Leistungsanspruch kaum armutsver-
meidend wirkt (vgl. Prognos, 2014, S. 386), und welche Schlussfolgerungen
zieht die Bundesregierung aus dieser Erkenntnis?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Kinder zu-
sätzlich einen Anspruch auf den Kinderzuschlag erhalten werden, wenn
a) die Höchsteinkommensgrenze abgeschafft werden würde,
b) den Eltern ein Wahlrecht zwischen ALG-II-Leistungen und dem Kinder-

zuschlag eingeräumt werden würde?
In welchem Umfang würde dies den Bundeshaushalt belasten?

Drucksache 18/9317 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

15. Plant die Bundesregierung, ein Gesetz zur Reform des Kinderzuschlags in
den Deutschen Bundestag einzubringen?
Wenn ja, mit welchem Ziel, und wie und bis wann möchte sie dieses Geset-
zesvorhaben einbringen?
Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 1. August 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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