BT-Drucksache 18/9226

Aktivitäten des Military Engineering Centre of Excellence (MILENG COE) in Ingolstadt

Vom 14. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9226
18. Wahlperiode 14.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter,
Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko und der Fraktion DIE LINKE.

Aktivitäten des Military Engineering Centre of Excellence (MILENG COE) in
Ingolstadt

Das für Doktrinentwicklung und Transformation der NATO zuständige Allied
Command Transformation (ACT) wird seit dem Jahr 2004 von so genannten Ex-
zellenzzentren (Centre of Excellence – COE) unterstützt, die sich selbst als „in-
ternationale militärische Organisationen“ bezeichnen, die außerhalb der Kom-
mandostruktur der NATO stünden. Soweit den Fragestellern bekannt, existieren
bislang 23 vom ACT zertifizierte COE (www.nato.int/cps/en/natolive/topics_
68372.htm). Drei davon befinden sich in Deutschland, das zugleich auch als deren
Rahmennation fungiert: das Joint Air Power Competence Centre (JAPCC) in
Kalkar als erstes zertifiziertes COE der NATO, das Military Engineering Centre
of Excellence (MILENG COE) in Ingolstadt sowie das Centre of Excellence for
Operations in Confined and Shallow Waters (COE CSW) in Kiel.
Die Gründung des Civil-Military Cooperation Centre of Excellence (CCOE) in
Den Haag geht auf eine deutsch-niederländische Initiative zurück, womit beide
Staaten als Rahmennationen fungieren (www.nato.int/cps/en/natolive/topics_
68372.htm). Neben den Rahmennationen erhalten die jeweiligen COE finanzielle
Unterstützung und Personal aus verschiedenen Mitgliedstaaten, die als „Sponso-
ring Nations“ bzw. „Contributing Nations“ bezeichnet werden (www.nato.int/
cps/en/natolive/topics_68372.htm).
Die jeweilige Rahmennation handelt mit der NATO und weiteren NATO-Staaten
und -Partnern Abkommen (Memorandum of Understanding – MoU) über die Zu-
sammenarbeit, Unterstützung und Finanzierung der COE aus. Hierbei handelt es
sich um ein „Operational MoU“ zwischen den „Sponsoring Nations“, welches
Aufbau, Betrieb und Finanzierung eines COE definiert, während ein „Functional
MoU“ zwischen den „Sponsoring Nations“ und dem Headquaters Supreme Allied
Commander Transformation (HQ SACT) die Zusammenarbeit zwischen dem
COE, HQ SACT und weiteren NATO-Einrichtungen regelt. In Folge der Ver-
handlungen zwischen den beteiligten Nationen und dem HQ SACT wird das je-
weilige COE, sofern es alle nötigen Anforderungen erfüllt, von der NATO zerti-
fiziert. An den jeweiligen Arbeitsschwerpunkten der COE arbeiten verschiedene
Experten (Subject Matter Expert – SME), die häufig in weitere NATO-Arbeits-
gruppen eingebunden sind. Die Leistungen der Exzellenzzentren werden nicht
ausschließlich von der NATO genutzt, sondern können auch von verbündeten
Akteuren angefragt werden. Im Rahmen ihrer Arbeit unterstützen die Einrichtun-
gen auch laufende NATO-Einsätze (s. Christopher Schwitanski: NATO-Exzel-
lenzzentren – Planen für den nächsten Krieg, IMI-Studie 2016/06). Kontrolliert
wird die Arbeit eines COE über ein Führungskomitee (Steering Committee – SC),

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in welchem Vertreter der an der Einrichtung beteiligten Nationen sitzen (www.
stratcomcoe.org/steering-committee).
Das MILENG COE wurde im Jahr 2006 durch das ehemalige Euro NATO Trai-
ning Engineer Centre (ENTEC) initiiert und befindet sich in der Pionierkaserne
der Bundeswehr in Ingolstadt (Bundestagsdrucksache 18/4567). Es hat die Auf-
gabe, „in den Bereichen Ausbildung und Erziehung, Informationsmanagement,
Konzept-, Doktrinentwicklung und Durchführung von Experimenten teilstreit-
kräfteübergreifende Pionierfachexpertise bereitzustellen“ mit dem Ziel der „Ver-
besserung der Interoperabilität der Pionierkräfte innerhalb der NATO“ (Bundes-
tagsdrucksache 18/4567). Hintergrund ist laut Bundesregierung die von der
NATO im Jahr 2002 eingeleitete „Neuausrichtung der NATO-Kommandostruk-
tur mit der Zielsetzung einer Reduzierung bzw. Konzentration auf die militäri-
schen Kernfähigkeiten sowie den Vorgaben zur Entwicklung der Doktrinen für
die NATO-Reaktionskräfte (NRF)“ (Bundestagsdrucksache 18/4567).
Im Rahmen seiner Tätigkeit veranstaltet das MILENG COE regelmäßig verschie-
dene Veranstaltungen, darunter den so genannten Industry Day, der u. a. den Aus-
tausch zwischen Militär und Wirtschaft ermöglichen soll, und das Information
Exchange Seminar. Unter der Zielgruppe dieser Veranstaltung werden u. a.
NGOs, Internationale Organisationen, die Vereinten Nationen, Zivil-Militärische
Zusammenarbeiten (CIMIC), Industrie und die akademische Welt gelistet (siehe
offizielle Website: http://milengcoe.org/events/Pages/Information-Exchange-
Seminar-(IES).aspx).
Im Unterschied zu den anderen in Deutschland ansässigen Exzellenzzentren fin-
den sich auf der offiziellen Website des MILENG COE nur spärliche Informa-
tionen über die konkrete Tätigkeit der Einrichtung und der Zugang zu Publikati-
onen der Einrichtung ist nur mittels Login möglich (zum Vergleich siehe z. B.
www.japcc.org/publications/). Seit dem Jahr 2009 bis zum Jahr 2014 erhielt das
MILENG COE 510 151 Euro aus dem Bundeshaushalt (Bundestagsdrucksache
18/4567).
Die Fragesteller befürchten, dass mit den Exzellenzzentren gezielt und mit Steu-
ergeldern finanzierte Foren für Militärs und angehende Führungskräfte geschaf-
fen werden, im Rahmen derer durch Entwicklungen offensiver Einsatzszenarien,
Einführung neuer Technologien und verzerrter Bewertung vergangener und aktu-
eller Konflikte eine aggressivere NATO-Doktrin implementiert wird, welche
auch in Spezialfeldern, wie der Cyberkriegsführung, zur Anwendung kommt.
Auch eine Studie der Informationsstelle Militarisierung e. V. legt nahe, dass
durch die vermehrte Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure seitens der Ex-
zellenzzentren sowie den Einsatz strategischer Kommunikation und einseitige
militärische Betrachtung gesellschaftlicher und sozialer Problemstellungen die
Hemmschwelle für zukünftige militärische Einsätze weiter abgesenkt wird
(s. Christopher Schwitanski: NATO-Exzellenzzentren – Planen für den nächsten
Krieg, IMI-Studie 2016/06).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. In welcher finanziellen Höhe hat sich Deutschland in den Jahren 2014 und

2015 als Rahmennation an den COE beteiligt (bitte entsprechend der COE
nach Jahren auflisten)?

2. An welchen COE ist Deutschland in den Jahren 2014 und 2015 in welcher
finanziellen Höhe als „Sponsoring Nation“ beteiligt gewesen (bitte entspre-
chend der COE nach Jahren auflisten)?

3. Aus welchen Haushaltstiteln sind die finanziellen Mittel in welcher Höhe für
den Unterhalt und die Unterstützung des MILENG COE bereitgestellt wor-
den (bitte nach Jahren und Haushaltstiteln aufschlüsseln)?

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4. Welche weitere Unterstützung leistet die Bundesregierung dem MILENG
COE?

5. Mit welcher Begründung bzw. Intention initiierte das ENTEC im Jahr 2006
die Gründung des MILENG COE (Bundestagsdrucksache 18/4567)?

6. Welche Vorteile bietet das MILENG COE gegenüber dem bisherigen
ENTEC?

7. Welchen Mehrwert erhoffte sich die Bundesregierung von der Einrichtung
innerhalb der Kaserne „Auf der Schanz“?

8. Mit welcher Zielsetzung wurde das MILENG COE eingerichtet, was ist seine
Aufgabenstellung, und welche Arbeitsergebnisse werden angestrebt?

9. Welche Publikationen sind aus der Arbeit des MILENG COE bislang her-
vorgegangen, und wie werden diese dem Deutschen Bundestag und der Öf-
fentlichkeit zugänglich gemacht?

10. Ist oder war das MILENG COE entsprechend seiner Aufgabendefinition
an der Durchführung von Experimenten beteiligt (Bundestagsdrucksache
18/4567)?

11. Um was für Experimente handelt(-e) es sich dabei, und zu welchen Ergeb-
nissen haben sie geführt?

12. Findet im Rahmen der Arbeit des MILENG COE die Erprobung neuer Tech-
nologien und Systeme statt, um welche Technologien und Systeme handelt
es sich, und wie und wo werden diese erprobt (s. Christopher Schwitanski:
NATO-Exzellenzzentren – Planen für den nächsten Krieg, IMI-Stu-
die 2016/06)?

13. Wie werden die Inhalte des „Operational MoU“ zwischen den „Sponsoring
Nations“ und dem „Functional MoU“ zwischen den „Sponsoring Nations“
und HQ SACT dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht?

14. Wie werden die Inhalte und Ergebnisse der Arbeit des MILENG COE dem
Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?

15. Welche militärischen Organisationen und Akteure sind in die Tätigkeit des
MILENG COE mit welchen Aufgaben eingebunden oder unterhalten Koope-
rationen mit dem Exzellenzzentrum?

16. Hat das MILENG COE innerhalb oder außerhalb der Pionierkaserne „Auf
der Schanz“ bereits Lehrgänge oder Übungen mit Angehörigen anderer
Streitkräfte durchgeführt (bitte nach Datum unter Angabe der beteiligten Na-
tionen, der Dauer, Lehrinhalte und des Ortes auflisten), oder sind solche
Lehrgänge bzw. Übungen zukünftig geplant?

17. Welche nichtmilitärischen Organisationen und Körperschaften sind in die
Tätigkeit das MILENG COE mit welchen Aufgaben eingebunden?

18. In welche NATO-Arbeitsgruppen ist das MILENG COE im Rahmen seiner
Arbeit eingebunden?

19. Welche Personen vertreten Deutschland als „Sponsoring Nation“ im SC des
MILENG COE (bitte unter Angabe von Funktion und/oder Rang)?

20. An welchen konkreten inhaltlichen Projekten wird, nach Kenntnis der Bun-
desregierung, im MILENG COE im Rahmen seines Auftrags gearbeitet?

21. Wurden die Leistungen des MILENG COE auch von Akteuren angefragt, die
nicht Teil der NATO sind, und wenn ja, von welchen?

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22. Wurden bislang Auslandseinsätze der NATO oder ihrer Mitgliedstaaten
durch konkrete Projekte des MILENG COE unterstützt oder begleitet, oder
ist dies künftig vorgesehen (bitte nach Einsätzen und Art der Unterstützung
aufschlüsseln)?

23. Waren Mitarbeiter des MILENG COE bislang im Ausland tätig (bitte mit
Angabe des Zeitraums, Auftrags und Ortes)?

24. Für welche Themenfelder stellen beim MILENG COE so genannte SME
Expertise zur Verfügung (http://milengcoe.org/milengcoe/Pages/Core-Tasks.
aspx)?

25. Wieso ist der Zugriff auf Dokumente und Publikationen des MILENG COE
über die Website des Exzellenzzentrums im Unterschied zu anderen COE
nur mittels Login möglich?

26. Welche Gründe kann die Bundesregierung für diese – von den anderen COE
stark abweichende – Veröffentlichungspolitik bzw. Öffentlichkeitsarbeit
nennen?

27. Welche Unternehmen haben an bisherigen „Industry Days“ des MILENG
COE teilgenommen (bitte nach Jahren auflisten), und welche werden in
diesem Jahr bereits erwartet (http://milengcoe.org/events/Pages/Industry-
Day.aspx)?

28. Mit welcher Begründung richtet sich das „Information Exchange Seminar“
auch gezielt an zivile Teilnehmer (http://milengcoe.org/events/Pages/
Information-Exchange-Seminar-(IES).aspx)?

29. Welches Ziel wird mit der Einbindung ziviler Akteure im Rahmen der Ver-
anstaltung „Information Exchange Seminar“ verfolgt, welche Akteure haben
in der Vergangenheit an diesen Veranstaltungen teilgenommen (bitte nach
Jahren auflisten), und welche werden in diesem Jahr erwartet?

30. Welche Kontakte bestehen zwischen dem MILENG COE und privatwirt-
schaftlichen Unternehmen, und zu welchen Anlässen besuchten Vertreterin-
nen und Vertreter privatwirtschaftlicher Unternehmen das MILENG COE
(bitte unter Angabe der Unternehmen auflisten)?

31. Ist das MILENG COE an der Vergabe von Aufträgen an privatwirtschaftli-
che Unternehmen beteiligt (bitte unter Angabe der Unternehmen und der Art
des Auftrags auflisten)?

32. Welche Kontakte bestehen zwischen dem MILENG COE und privaten und
öffentlichen Forschungseinrichtungen, und zu welchen Anlässen besuchten
Vertreter privater und öffentlicher Forschungseinrichtungen, das MILENG
COE (bitte unter Angabe der Institutionen auflisten)?

33. Welche Formen der Kooperation bestehen zwischen dem MILENG COE und
den in der Pionierkaserne „Auf der Schanz“ stationierten Pioniereinheiten
der Bundeswehr und dem Ausbildungszentrum Pioniere?

34. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verortung des MILENG COE außer-
halb der NATO-Kommandostruktur, und welche möglichen Vorteile und Ri-
siken gehen aus ihrer Sicht hiermit einher?

35. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Tätigkeit des COE, und auf
welcher Grundlage?

Berlin, den 14. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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