BT-Drucksache 18/9215

Agrarstrukturelle Folgen einer möglichen Insolvenz der KTG Agrar

Vom 7. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9215
18. Wahlperiode 07.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, Nicole Maisch
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Agrarstrukturelle Folgen einer mögliche Insolvenz der KTG Agrar

Am 20. Juni 2016 endete für den Konzern KTG Agrar SE die Frist zur ausstehen-
den Zinszahlung des Biowertpapiers II in Höhe von 18 Mio. Euro. Die Anleihe
besteht seit 2011 mit einem Zinssatz von 7,125 Prozent. Das Unternehmen teilte
einen Tag vor Fristende mit, die Zahlung nicht leisten zu können. Die Geldgeber
hatten bereits zuvor einen Aufschub von zwei Wochen gewährt. Das Unterneh-
men ließ verlauten, dass die Zinszahlung in der prospektierten Nachfrist und vor
der geplanten Hauptversammlung am 30. Juni 2016 in Hamburg erfolgen wird
(www.agrarheute.com/news/fristende-ktg-agrar-zahlen). Diese wurde jedoch er-
neut auf den 28. August 2016 verschoben (www.topagrar.com/ news/Home-top-
News-KTG-Agrar-verschiebt-Hauptversammlung-3815717.html).
Das Unternehmen verkündet, dass die Zahlung von dem Abschluss eines kurz-
fristigen Kredits abhänge, über den das Unternehmen derzeit verhandele; der
KTG solle schon bald Geld aus dem Verkauf von 825 Hektar Land zufließen. Der
Verkauf sei bereits notariell besiegelt worden, doch die Genehmigung der Behör-
den stehe noch aus. Die Zahlung der Zinsen einer weiteren KTG-Anleihe im
Herbst 2016 sei aufgrund der Erlöse aus der kommenden Ernte nicht in Gefahr.
Bereits 2015 hatte die KTG zur Rückzahlung einer weiteren Anleihe Land ver-
kauft. Anteile an russischen Schweine-Agrarfabriken wurden an den Fleischin-
dustriellen Tönnies Lebensmittel GmbH & Co. KG verkauft. Der im vergangenen
Jahr von der KTG angekündigte Einstieg des chinesischen Konzerns Fosun Inter-
national ist bislang ausgeblieben (Süddeutsche Zeitung vom 20. Juni 2016).
Die Aktie der KTG Agrar hat in der Folge 70 Prozent ihres Wertes verloren
(www.finanztreff.de/news/tiefer-fall-fuer-ktg-agrar/11367332). Die nicht frist-
gerechte Zinsrückzahlung der Anleihe durch die KTG Agrar AG hat auch nega-
tive Auswirkungen auf das börsennotierte Tochterunternehmen KTG Energie
AG. Nach dem Bekanntwerden der Zahlungsschwierigkeiten des Mutterkon-
zerns wurde das Unternehmensrating der KTG Energie AG herabgestuft. Das
Unternehmen Creditreform Rating AG stufte am 15. Juni 2016 die KTG Energie
AG von BB+ auf B mit negativem Ausblick herab. Grund für die Anpassung
seien mögliche Auswirkungen einer negativen Entwicklung bei der Mutterge-
sellschaft KTG Agrar auf die zukünftige Ertragslage und Finanzierungsmöglich-
keiten des Biogaserzeugers, teilte Creditreform mit (AgrarEurope vom 20. Juni
2016 und Agrarheute vom 20. Juni 2016, www.agrarheute.com/news/ktg-agrar-
ratingagentur-stuft-biogastochter-herab).
Die KTG Agrar bewirtschaftet ca. 45 000 Hektar in Ostdeutschland, Bayern, Li-
tauen und Rumänien, zählt zu den größten Agrarunternehmen Europas und hat in
erheblichem Maß von Agrarflächensubventionen und Bodenpreissteigerungen

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profitiert. Der Vorstandsvorsitzende S. H. wurde bereits 2002 wegen Insolvenz-
verschleppung rechtskräftig verurteilt. S. H. durfte in den darauffolgenden fünf
Jahren keine leitende Tätigkeit in Kapitalgesellschaften einnehmen. Die KTG
wurde 2005 von einer GmbH in eine AG überführt und bis 2007 von der Lebens-
gefährtin S. H.’s als Geschäftsführerin geführt. 2007 übernahm S. H. als Vor-
standsvorsitzender und Finanzvorstand die Geschäfte.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen bundespolitischen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung in

der Bodenmarktpolitik und der Agrarstrukturpolitik?
Welche konkreten Arbeitsziele hat sich die Bundesregierung bis zum Som-
mer 2017 gesetzt, und wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung und Errei-
chung dieser Ziele?

2. Wie ist der Arbeitsstand zur Fortführung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe
„Bodenmarktpolitik“ und zur Umsetzung der im Ergebnisvermerk des Ge-
spräches zur Bodenmarktpolitik vom 12. November 2015 des Parlamentari-
schen Staatssekretärs Peter Bleser erwähnten Handlungsempfehlungen der
Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“?

3. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung im Fall einer Insolvenz der
KTG Agrar einleiten, um negative Auswirkungen auf den landwirtschaftli-
chen Bodenmarkt und weitere Landkonzentrationen zu verhindern und die
„gesunde Landverteilung“ zu schützen bzw. wiederherzustellen?

4. Welche agrarstrukturellen Auswirkungen und Gefahren sieht die Bundesre-
gierung bei einer möglichen Insolvenz der KTG Agrar und ggf. Übernahme
durch andere global agierende landwirtschaftliche oder Finanzinvestoren?

5. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, die deutsche Landwirtschaft vor Aus-
wirkungen von spekulativen Bodenkäufen und Land-/Betriebskonzentratio-
nen zu schützen?

6. An welche Unternehmen der KTG Agrar, der KTG Energie oder Tochterun-
ternehmen wurden in den vergangenen zehn Jahren bundeseigene Flächen
verkauft?
Wie hoch war der Verkaufspreis, und wie hoch ist der seitdem erfolgte Wert-
zuwachs dieser Flächen entsprechend der durchschnittlichen Zunahme der
Bodenpreise oder einer anderen Wertabschätzung?

7. An welche Unternehmen der KTG Agrar, der KTG Energie oder Tochterun-
ternehmen sind Flächen im bundeseigenen Besitz verpachtet?

8. Bestehen offene Pachtforderungen gegenüber der KTG Agrar, der KTG
Energie und deren verbundenen Unternehmen?
Wie lang ist die Laufzeit der Pachtverträge?
Wann und unter welchen Bedingungen können diese gekündigt werden?

9. Welche bundeseigenen, an die KTG Agrar oder verbundene Unternehmen
(vgl. Frage 7) verpachteten Flächen sind bei einer möglichen Insolvenz eines
oder beider Unternehmen betroffen (bitte Flächen und Größenangabe auflis-
ten)?
In welchen Bundesländern liegen diese Pachtflächen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9215
 

10. Existiert die Möglichkeit bei einer vorliegenden Insolvenz oder der Über-
nahme durch einen anderen Investor, die Pachtverträge zwischen der
BVVG – Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH und der KTG Agrar
und deren verbundenen Unternehmen außerordentlich zu kündigen?

11. Wird die Bundesregierung im Fall einer Insolvenz der KTG Agrar Maßnah-
men einleiten, Pachtflächen, die zurzeit noch an die KTG Agrar verpachtet
sind, bevorzugt an Junglandwirte für Betriebsneugründungen und an lokal
ansässige bäuerliche Betriebe zu verpachten?

12. Wird die Bundesregierung im Fall einer Insolvenz der KTG Agrar Maßnah-
men einleiten, Pachtflächen, die zurzeit noch an die KTG Agrar verpachtet
sind und ökologisch bewirtschaftet werden, bevorzugt wieder an ökologisch
wirtschaftende Betriebe bzw. Betriebsneugründungen mit Wunsch, ökolo-
gisch zu wirtschaften, zu verpachten?

13. In welchem Umfang und seit wann bestehen offene Pachtforderungen der
BVVG gegenüber anderen börsennotierten Unternehmen als der KTG Agrar
oder anderen Kapitalgesellschaften?

14. Werden aktuell oder wurden innerhalb der letzten zehn Jahre Landflächen
im bundeseigenen Besitz an börsennotierte Kapitalgesellschaften wie die
KTG Agrar und deren Tochtergesellschaften oder andere Kapitalgesellschaf-
ten verkauft?
Wenn ja, welche Flächen in welcher Größe?

15. In welcher Größenordnung haben die folgenden, nach dem Firmenprofil der
Bisnode Deutschland GmbH (Robert-Bosch-Str. 11, 64293 Darmstadt, Tele-
fon 0 61 51 380–555, [email protected]) im Handelsregister eingetrage-
nen landwirtschaftlichen Unternehmen der KTG Agrar in den Jahren 2010
bis 2015 Agrarzahlungen erhalten (bitte Einzel- und Gesamtangaben):
1) „Zur Spetze“, Agrarproduktionsgesellschaft mbH, Flechtingen, Betriebs-

nummer 322960521
2) Agrar GmbH Kohlberg, Trusetal, Betriebsnummer 324478304
3) Agrar GmbH Altdöbern, Luckaitztal, Betriebsnummer 322752866
4) AK Feldfrucht GmbH, Postlow, Betriebsnummer 567213505
5) ATU Herzsprung Ackerbau und Tierzucht GmbH, Heiligengrabe, Be-

triebsnummer 324293604
6) Biogas Produktion Lübs GmbH, Oranienburg, Betriebsnummer

326488911
7) Biogas Produktion Schöllnitz GmbH, Luckaitztal, Betriebsnummer

323403429
8) BZ Foods SE, Bonn, Betriebsnummer 327080852
9) Delta Agrar GmbH, Linthe, Betriebsnummer 326805458
10) Delta Agrar Handels GmbH, Oranienburg, Betriebsnummer 326895943
11) Delta Agrar und Handels GmbH, Frankfurt am Main, Betriebsnummer

317677562
12) fentus 10. GmbH, Hamburg, Betriebsnummer 655754145
13) FZ Foods AG, Ringleben, Betriebsnummer 325658919
14) GranoProjekt GmbH, Bremen, Betriebsnummer 327709635
15) KTG Bioenergie AG, Hamburg, Betriebsnummer 324059479
16) KTG Biomethan AG, Hamburg, Betriebsnummer 325478719

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17) KTG Frischedienst GmbH, Linthe, Betriebsnummer 327096113
18) KTG Immobilien GmbH, Hamburg, Betriebsnummer 327059363
19) LAE Landhof Agrar und Energie GmbH, Breydin, Betriebsnummer

324768971
20) Landgut Deltus AG, Berlin, Betriebsnummer 326198811
21) Landwirtschaftliche Produktionsgesellschaft mbH Frehne Zwei, Marien-

fließ, Betriebsnummer 318141841
22) Landwirtschaftsbetrieb Ahrendt GmbH, Karft, Betriebsnummer

323186534
23) LaTherm Abwicklungsgesellschaft mbH, Dortmund, Betriebsnummer

546128112
24) LT Holding AG Berlin DE 100 771218523
25) NGH Agrar GmbH Nonnendorf DE 100 873013281
26) NGH Agrar Verwaltungs GmbH, Niedergörsdorf, Betriebsnummer

317748149
27) NOA Naturoel Anklam AG, Anklam, Betriebsnummer 326199418
28) norus 26. AG, Berlin, Betriebsnummer 588139762
29) PAE/AVN Agrar GmbH, Putlitz, Betriebsnummer 317637513
30) PAE norus Agrar GmbH, Podelzig, Betriebsnummer 323089984
31) PAE norus Marktfrucht GmbH, Putlitz, Betriebsnummer 322892304
32) Roloff Agrar GmbH, Postlow, Betriebsnummer 324188997
33) Schmilauer Landwirtschafts GmbH, Schmilau, Betriebsnummer

323246534
34) Wuthenower Agrargesellschaft mbH, Wuthenow, Betriebsnummer

325722252
35) Wuthenower Milchproduktions GmbH, Wuthenow, Betriebsnummer

215500507
36) Korntec GmbH, Wedemark, Betriebsnummer 327690288
37) PAE Marktfrucht GmbH Putlitz, Putlitz, Betriebsnummer 324300102
38) KTG Energie AG, Hamburg, Betriebsnummer 324995734
39) PAE Agrarproduktions- und Verwaltungs-Aktiengesellschaft Putlitz,

Putlitz, Betriebsnummer 318380490?
16. Welche bundeseigenen Flächen wurden in den vergangenen zehn Jahren an

die in Frage 14 genannten Unternehmen verkauft, und wie hoch war die
Wertsteigerung dieser Flächen entsprechend der durchschnittlichen Zu-
nahme der Bodenpreise oder einer anderen Wertabschätzung bis heute?

17. Welche bundeseigenen Flächen sind an die in Frage 14 genannten Unterneh-
men verpachtet, und zu welchen Pachtpreisen und Konditionen?

Berlin, den 7. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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