BT-Drucksache 18/9187

Polizeiliche multinationale Ermittlungsteams der Europäischen Union zur Bekämpfung "anarchistischer terroristischer Bedrohungen"

Vom 7. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9187
18. Wahlperiode 07.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Annette Groth, Ulla Jelpke,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion DIE LINKE.

Polizeiliche multinationale Ermittlungsteams der Europäischen Union zur
Bekämpfung „anarchistischer terroristischer Bedrohungen“

Der spanische Vorsitz der Europäischen Union schlug im Jahr 2002 die Einrich-
tung „multinationaler Ermittlungsteams der Polizei“ (MHT) vor (Ratsdokument
5715/02). Eine Erklärung zu den MHT, die auf Beratungen des Ausschusses „Ar-
tikel 36“ beruht und die der Rat schließlich annahm, wurde bis zum 22. April
2002 sechsmal überarbeitet (Ratsdokument 5715/6/02). Die Teams können auch
ohne Vorliegen einer Straftat mit grenzüberschreitendem Bezug gebildet werden
und dienen der Gefahrenabwehr. Als Instrument der Terrorismusbekämpfung sol-
len die MHT den Austausch von Informationen, Fahndungen, Lokalisierungen,
Festnahmeersuchen und sonstigen Informationen bei konkreten Operationen in
den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besorgen. Die MHT soll-
ten aus „Experten der Polizei- und Informationsdienststellen“ der Justiz- und In-
nenministerien bestehen und werden von Europol-Beamten unterstützt, die im
Rahmen der ihnen durch das Europol-Übereinkommen übertragenen Befugnisse
tätig werden.
Als Vorteil gegenüber gewöhnlichen „gemeinsamen Ermittlungsgruppen“ (JIT)
können die MHT schneller gebildet werden und „unter Betonung der operativen
Komponente in einem flexiblen und für die an einer Teilnahme interessierten Mit-
gliedstaaten ausreichenden Handlungsrahmen“ agieren. Ihre Nutzung wird insbe-
sondere dann empfohlen, wenn verdächtige Gruppen oder Personen keine ent-
sprechenden Straftatbestände erfüllen und daher auch nicht Gegenstand eines
konkreten Vorgehens der Justiz sind und sein können.
Das einzige jemals eingerichtete MHT „Operation Mediterranean“ entstand (so-
weit bekannt) im Jahr 2005 zwischen Griechenland, Italien und Spanien sowie
Europol (Ratsdokument 12920/14). Das Ziel der immer noch bestehenden
Gruppe besteht in der Bekämpfung „anarchistischer terroristischer Bedrohun-
gen“. In einem Protokoll heißt es, das MHT soll Informationen zu „pro-insurrek-
tionalistischen anarchistischen Gruppen und damit verbundenen terroristi-
schen/extremistischen Aktivitäten“ zusammentragen, um diese für besondere Er-
mittlungen zu nutzen. In der Ratsarbeitsgruppe „Terrorismus“ lobte die italieni-
sche Regierung die Erfolge der „Operation Mediterranean“ und regte in einem
Fragebogen die abermalige Ausweitung an (Ratsdokument CM 2697/14).
Im Hinblick auf die sitzungsfreie Zeit des Deutschen Bundestages und die Quali-
tätssicherung der Antworten, erklären sich die Fragesteller mit einer Fristverlän-
gerung für die Bearbeitung der Kleinen Anfrage einverstanden.

Drucksache 18/9187 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung über bislang auf Ebene der Europäischen Union

eingerichtete „multinationale Ermittlungsteams der Polizei“ bzw. entspre-
chende Planungen bekannt?
a) Welche Länder bzw. Behörden nahmen oder nehmen nach Kenntnis der

Bundesregierung daran teil?
b) Auf welche Weise werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Be-

hörden von Europol-Beamten im Rahmen der ihnen durch das Europol-
Übereinkommen übertragenen Befugnisse unterstützt?

c) Inwiefern und in welchem Umfang waren auch Bundesbehörden in die
bestehenden „multinationalen Ermittlungsteams der Polizei“ eingebun-
den?

d) An welchen Treffen nahmen nach Kenntnis der Bundesregierung welche
deutschen Behörden teil?

e) Welche Informationen aus welchen Datenbanken wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung dabei übermittelt oder empfangen?

f) Inwiefern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ermittlun-
gen auch verdeckte Ermittler eingesetzt?

g) Inwiefern stand nach Kenntnis der Bundesregierung der Einsatz des im
Jahr 2010 aufgeflogenen britischen Polizeispitzels Mark Kennedy im Zu-
sammenhang mit dem „multinationalen Ermittlungsteam der Polizei“ unter
dem Namen „Operation Mediterranean“?

2. Nach welchem Verfahren können „multinationale Ermittlungsteams der Po-
lizei“ nach Kenntnis der Bundesregierung gebildet werden?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Arbeit „multinationaler Ermittlungs-
teams der Polizei“ gegenüber den „gemeinsamen Ermittlungsgruppen“ (JIT),
in denen ebenfalls Polizeibehörden der EU-Mitgliedstaaten kooperieren kön-
nen?

4. Welche Defizite der JIT werden aus Sicht der Bundesregierung in den „mul-
tinationalen Ermittlungsteams der Polizei“ behoben, und welche rechtlichen
Schwierigkeiten ergeben sich demgegenüber durch die Zusammenarbeit?
a) Inwiefern müssen die „multinationalen Ermittlungsteams der Polizei“

auch die Europäische Konvention zur Rechtshilfe in Strafsachen beach-
ten?

b) Inwiefern erleichtern „multinationalen Ermittlungsteams der Polizei“ den
Einsatz verdeckter Ermittler oder verdeckter Maßnahmen zum Abhören
von Telekommunikation oder des gesprochenen Wortes?

c) Nach welcher Maßgabe können die „multinationalen Ermittlungsteams
der Polizei“ auch mit Drittstaaten kooperieren?

5. An welchen „gemeinsamen Ermittlungsgruppen“ sind nach Kenntnis der
Bundesregierung welche deutschen Behörden derzeit auf EU-Ebene betei-
ligt?

6. An welchen dieser „gemeinsamen Ermittlungsgruppen“, an denen deutsche
Behörden beteiligt sind, nehmen nach Kenntnis der Bundesregierung welche
Drittstaaten teil?

7. Auf welche Weise könnten die „multinationalen Ermittlungsteams der Poli-
zei“ aus Sicht der Bundesregierung die bestehenden Zusammenarbeitsfor-
men bei den Polizeiorganisationen Europol, Interpol, den europäischen Ver-
bindungsbeamten oder der Police Working Group on Terrorism ergänzen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9187
 

8. Wie hat sich die Bundesregierung zur möglichen Ausweitung von „multina-
tionalen Ermittlungsteams der Polizei“ positioniert?

9. Für welche Kriminalitätsphänomene sind aus Sicht der Bundesregierung die
„multinationalen Ermittlungsteams der Polizei“ demnach besonders geeig-
net?

10. Welche Prioritäten setzt die Bundesregierung in der EU-weiten Kooperation
zu „terrorismus-inspirierten Phänomenen“?

11. Welche besondere deutsche Gesetzgebung müsste aus Sicht der Bundesre-
gierung bei der Einrichtung von „multinationalen Ermittlungsteams der Po-
lizei“ beachtet werden?

12. Mit welchen EU-Mitgliedstaaten könnte die Bundesregierung keine „multi-
nationalen Ermittlungsteams der Polizei“ bilden, da dort die Tätigkeiten von
Polizei und Geheimdiensten in einer Behörde zusammengefasst sind und so-
mit das Trennungsgebot tangiert wäre?

13. Welche Alternativen zur multilateralen Kooperation bei operativen Ermitt-
lungen existieren nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland, und
welche Vorteile bieten diese gegenüber den „multinationalen Ermittlungs-
teams der Polizei“?

14. Inwieweit halt die Bundesregierung die „multinationalen Ermittlungsteams
der Polizei“ für geeignet, die operative Kooperation unter EU-Mitgliedstaa-
ten bzw. mit Drittstaaten zu fördern oder weiterzuentwickeln?

Berlin, den 6. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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