BT-Drucksache 18/9178

Gesundheitsgefahren durch Holzschutzmittel

Vom 6. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9178
18. Wahlperiode 06.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Meiwald, Christian Kühn (Tübingen),
Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer,
Steffi Lemke, Dr. Julia Verlinden, Matthias Gastel und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gesundheitsgefahren durch Holzschutzmittel

Biozid-Altlasten in Form von gesundheitsschädlichen Holzschutzmitteln, die
lange Zeit im Bau eingesetzt wurden, bereiten seit Jahren Probleme und machen
aus Sicht der Fragesteller deutlich, die Bundesregierung muss handeln. So wur-
den zum Beispiel bei Messungen in der Raumluft in einem Zweifamilienhaus
durch die Bremer Umweltinstitut GmbH im April 2015 teilweise sehr hohe Be-
lastungen mit den stark gesundheitsschädlichen Holzschutzmittelbestandteilen
Pentachlorphenol (PCP), Polychlorierte Naphthaline (PCN) und Lindan gemes-
sen. Im August 2015 wurden durch das genannte Institut sehr hohe Belastungen
durch Dioxin, wie HexaCDD, HeptaCDD und OctaCDD, in Höhe von
2 918 737 000 pg/kg und Furane, wie HexaCDF, HeptaCDF und OctaCDF, in
Höhe von 456 212 pg/kg gemessen.
Für die Vergangenheit war das Problem bekannt. Zwar mussten nach DIN 68800
nicht alle Häuser in den Jahren von 1956 bis 1990 gesetzlich verpflichtend mit
pentachlorphenol- und lindanhaltigen Holzschutzmitteln behandelt werden, so-
fern die genannte DIN nicht verpflichtend in die Landesbauordnung des jeweili-
gen Bundeslandes übernommen worden war. Mit der Übernahme war die An-
wendung von chemischem Holzschutz durch das Baurecht rechtsverbindlich vor-
geschrieben. Parallel dazu konnten sich Bauunternehmen bei späteren Schäden
der Haftung nur entziehen, wenn sie sich des chemischen Holzschutzes bedienten.
Faktisch handelte es sich also um einen Zwang zum chemischen Holzschutz.
Die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestags-
drucksache 18/5711 deuten darauf hin, dass es erhebliche Altlasten in Form von
giftigen Holzschutzmitteln in zwischen den Jahren 1956 und 1989 gebauten Häu-
sern gibt. Welche neurologischen Auswirkungen die bis zum Jahr 1989 einge-
setzten gesundheitsschädlichen Mittel haben, wurde nicht erforscht und die Bun-
desregierung plant hier nach Informationen der Fragesteller auch keine Projekte.
Demnach bliebe die Bundesregierung weiterhin untätig, obwohl sie in ihren Ant-
worten bestätigt hat, dass Menschen den Schadstoffen täglich ausgesetzt sind.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie begründet die Bundesregierung ihre Antwort auf die Kleine Anfrage zu

Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 18/5711, dass ihr keine Kenntnisse hin-
sichtlich Verunreinigung von Holzschutzmitteln durch Dioxine vorliegen?

Drucksache 18/9178 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

2. Wie begründet die Bundesregierung die Aussage in der Antwort auf die
Kleine Anfrage zu Frage 13 auf Bundestagsdrucksache 18/5711, dass ihr
keine wissenschaftlichen Untersuchungen hinsichtlich des Zusammenhangs
zwischen bioziden Holzschutzmitteln als Nervengift und neurologischen Er-
krankungen vorliegen, aber in der Antwort darauf verweist, dass biozide
Wirkstoffe auf Grundlage von Tierstudien überprüft werden?

3. Inwieweit ist der Bundesregierung die Publikation „Dioxine und dioxinähn-
liche PCB in Umwelt und Nahrungsketten“ (www.umweltbundesamt.de/sites/
default/files/medien/378/publikationen/hgp_dioxine_entwurf_25.04.2014_
grau-ocker.pdf) bekannt?

4. Inwieweit ist der Bundesregierung folgende Homepage www.umweltbundesamt.
de/themen/chemikalien/dioxine und die dortige Aussage, dass Chlorphenole
hohe Verunreinigungen mit Dioxinen aufweisen, bekannt und welche Rück-
schlüsse leitet sie daraus ab?

5. Inwieweit ist der Bundesregierung die Publikation „Dicke Luft im Wohn-
zimmer – ein guter Grund für einen neuen Umgang mit chemischen Stoffen“
des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2004 bekannt, und welche Schluss-
folgerungen hat sie unabhängig von REACH (Registration, Evaluation,
Authorisation and Restriction of Chemicals) gezogen, um die angesproche-
nen Belastungen und Auswirkungen der SVOC (Semi Volatile Organic
Compunds), insbesondere bei denjenigen denen in der Publikation ein be-
sonders hoher Stellwert zugesprochen wird, zu mindern?

6. Inwieweit ist der Bundesregierung die Publikation „Optionen für rechtliche
Regelungen von Innenraumbelastungen – Brauchen wir eine TA Innen-
raum?“ des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2006 bekannt, und welche
Schlussfolgerungen zieht sie aus den dort vorgestellten Handlungsmöglich-
keiten in Hinblick auf ihr eigenes Handeln zum Schutz der Bewohnerinnen
und Bewohner?

7. Ist der Bundesregierung die Publikation „UmweltWissen – Pentachlorphenol
(PCP)“ des Bayerischen Landesamtes für Umwelt und die dortige Aussage,
dass Holzschutzmittel die Hauptquelle für PCP sind und dass die höchsten
PCP-Werte nach privater Anwendung gefunden werden, da diese häufig mit
besonderer Gründlichkeit mehrfach mit sattem Auftrag erfolgte, bekannt,
und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus in Hinblick auf ihr eigenes
Handeln zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner?

8. Welche Bedeutung haben nach Kenntnis der Bundesregierung Dioxine als
Verunreinigung von Holzschutzmitteln für die Schadstoffbelastung von In-
nenräumen?

9. Welche Auswirkungen haben nach Kenntnis der Bundesregierung Dioxine
als Verunreinigung von Holzschutzmitteln auf die Gesundheit der Bewohne-
rinnen und Bewohner bei Aufenthalt in entsprechend präparierten Innenräu-
men?

10. Sind der Bundesregierung Messungen bekannt, deren Messwert den Grenz-
wert für Dioxine in Fleisch von 3 Pikogramm (pg) überschreiten, und wenn
ja, welche?

11. Welche Menge an Dioxinen in der Innenraumluft erachtet die Bundesregie-
rung als nicht gesundheitsschädlich (Menge Dioxin pro Kubikmeter Luft)?

12. Welche Menge an Dioxinen in Staub erachtet die Bundesregierung als nicht
gesundheitsschädlich (Menge Dioxin pro Pikogramm Staub)?

13. Welche Menge an Dioxinen in Holz erachtet die Bundesregierung als nicht
gesundheitsschädlich (Menge Dioxin pro Pikogramm Holz)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9178
 

14. Wie schätzt die Bundesregierung bei Verkäufen von mit Dioxinen belasteten
Häusern die Haftungsfrage bei Erkrankung der neuen Hausbesitzer aufgrund
der Belastung mit Dioxinen ein?

15. Wo werden nach Kenntnis der Bundesregierung die bundeseigenen Akten
des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesgesundheitsamtes
sowie der Rechtsnachfolger Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbrau-
cherschutz und Veterinärmedizin und Bundesinstitut für Risikobewertung,
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
und Umweltbundesamt mit Bezug zum Xylamon-Prozess aufbewahrt, in
welchem Umfang sind diese der Öffentlichkeit zugänglich, und wie lange
werden diese aufbewahrt?
Wie soll das Problem von vorhandenen Dioxinbelastungen aus Altbauten ge-
löst werden, wenn nicht zukünftig vor einer staatlich geförderten Wärme-
schutzmaßnahme ein Schadstoffscreening verpflichtend vorgeschrieben wird?

16. Beabsichtigt die Bundesregierung ein Forschungsprojekt, die bei verstorbe-
nen Krebs-, Alzheimer-, Parkinson- und Multipler-Sklerose-Erkrankten
durch Obduktionen aus dem zuvor beschriebenen Organ- bzw. Gewebepro-
ben auf chlorierte Kohlenwasserstoffe und Dioxine zu untersuchen, insbe-
sondere unter dem Aspekt der Antwort auf die Kleine Anfrage zu Frage 13
auf Bundestagsdrucksache 18/5711, nach welcher chlorierte Kohlenwasser-
stoffe und Dioxine im menschlichen Körper fettlöslich sind und sich im Kno-
chen- und Rückenmark und im Gehirn anreichern?

Berlin, den 6. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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