BT-Drucksache 18/9176

Entwicklung des Sondergerichtsstands und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Kempten für Straftaten Bundeswehrangehöriger im Auslandseinsatz

Vom 8. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9176
18. Wahlperiode 08.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Dr. Alexander S. Neu, Katrin Kunert,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Entwicklung des Sondergerichtsstands und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in
Kempten für Straftaten Bundeswehrangehöriger im Auslandseinsatz

Spezialkenntnisse in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht werden allen Gerich-
ten in den unterschiedlichsten Verfahren abverlangt. Begingen Bundeswehr-Sol-
daten bei Auslandseinsätzen Straftaten, dann musste vor dem 1. April 2013 ent-
sprechend die Staatsanwaltschaft am Standort oder am Wohnsitz des Soldaten
ermitteln.
Seit drei Jahren erfahren Soldaten jedoch eine Sonderbehandlung: § 11 a der
Strafprozessordnung (StPO) sieht nun einen besonderen Gerichtsstand beim
Amtsgericht Kempten im Allgäu für Straftaten, welche von Soldatinnen und Sol-
daten der Bundeswehr in besonderer Auslandsverwendung (§ 62 Absatz 1 des
Soldatengesetzes) außerhalb des Geltungsbereichs der Strafprozessordnung be-
gangen wurden, vor. Die Staatsanwaltschaft Kempten ist auch zur Verfolgung
solcher Straftaten aufgrund der gesetzlichen Sonderzuständigkeit berufen und ar-
beitet dabei mit dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr zusammen.
Obwohl gegen die ungewöhnliche Konstruktion einer bundesweit zuständigen
Landesstaatsanwaltschaft u. a. ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken vorge-
tragen wurden, da diese nicht nur eine Umgehung des Artikels 96 Absatz 2 des
Grundgesetzes (GG), sondern auch einen Eingriff in die justiziellen Kompetenzen
der Länder darstellt, und zudem weder der Deutsche Richterbund e. V. noch der
Deutsche Anwaltverein e. V. irgendeinen nachgewiesenen Bedarf sahen, wurde
die Sonderzuständigkeit eingeführt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der bisherigen

Arbeit des Sondergerichtsstands und der Schwerpunktstaatsanwaltschaft in
Kempten für Straftaten Bundeswehrangehöriger im Auslandseinsatz (bitte
begründen)?

2. Wie viele spezialisierte Richter und Staatsanwälte arbeiten nach Kenntnis
der Bundesregierung aktuell beim Sondergerichtsstand in Kempten und sind
mit Verfahren gegen Soldatinnen und Soldaten befasst?

Drucksache 18/9176 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

3. Worin bestand nach Kenntnis der Bundesregierung die besondere Speziali-
sierung der Richter und Staatsanwälte beim Amtsgericht Kempten oder wie
wurde diese, jenseits der Beschäftigung mit den anhängigen Verfahren des
Gerichtsstandes, erreicht (bitte ggf. alle entsprechenden Schulungen, Weiter-
bildungen, Seminare etc. nach Datum, Thema, Teilnehmerzahl und Veran-
stalter aufführen)?

4. Inwieweit und mit welchem Personal ist das Einsatzführungskommando der
Bundeswehr im Detail in die Arbeit der Schwerpunktstaatsanwaltschaft ein-
gebunden?

5. Inwieweit ist der Generalbundesanwalt in die Arbeit eingebunden, und was
waren der Inhalt der Fälle, die von der Generalbundesanwaltschaft direkt be-
arbeitet wurden (bitte nach Datum, Inhalt und Ausgang des Falls auflisten)?

6. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Bundeswehrangehörige aus
welchen Bundesländern hat es vor Einrichtung des Gerichtsstands für beson-
dere Auslandsverwendung der Bundeswehr gegeben (bitte für den Zeitraum
1990 bis 2013 nach Jahren, Anzahl der Beschuldigten, Bundesland und Aus-
landseinsatz auflisten)?

7. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Bundeswehrangehörige aus
welchen Bundesländern hat es seit dem 1. April 2013 beim Gerichtsstand für
besondere Auslandsverwendung der Bundeswehr gegeben (bitte nach Jah-
ren, Anzahl der Beschuldigten, Bundesland und Auslandseinsatz auflisten)?

8. Wie hat sich die Verfahrensdauer vor und nach der Schaffung des Gerichts-
standes im Detail entwickelt (bitte entsprechend für die Zeiträume Januar
2002 bis März 2013 und April 2013 bis Mai 2016 im Durchschnitt und unter
Nennung der kürzesten und längsten Verfahrensdauer angeben)?

9. Welche Ergebnisse liegen dazu jeweils vor?
a) Wie viele Ermittlungsverfahren sind abgeschlossen?
b) In wie vielen Fällen kam es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren

durch die Staatsanwaltschaft insgesamt?
c) In wie vielen Fällen erfolgte insgesamt Anklage?
d) Gegen wie viele Angeklagte wurde Anklage erhoben?
e) Wie viele der Beschuldigten wurden freigesprochen, zu Geldstrafe, zu

Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu Freiheitsstrafe ohne Bewährung
(Jahre bzw. Monate) verurteilt (bitte entsprechend nach Jahren und Aus-
landseinsatz aufschlüsseln)?

f) Wie viele Ermittlungsverfahren sind noch anhängig?
g) Wie viele Fälle wurden von einem spezialisierten Staatsanwalt bzw. Rich-

ter behandelt?
h) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wohin abgegeben?

10. In wie vielen Fällen wurde gegen wie viele Personen insgesamt Untersu-
chungshaft bzw. Arrest verhängt?

11. In wie vielen Ermittlungsverfahren ging es um bundeswehrspezifische Straf-
taten, und welche waren dies im Einzelnen?

12. In wie vielen Ermittlungsverfahren ging es um unnatürliche Todesfälle?
13. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Beschuldigte betrafen Straf-

taten gegen Zivilpersonen im jeweiligen Land des Auslandseinsatzes, um
welche Straftaten handelte es sich dabei, und in wie vielen Fällen führten die
Ermittlungen zu Anklagen und Verurteilungen (bitte entsprechend auf-
schlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9176
 

14. Wie viele Ermittlungsverfahren betrafen Straftaten wegen Unterschlagung,
Untreue, Beleidigung, Diebstahl oder Verkehrsunfälle?

15. Wie viele der Beschuldigten waren
a) jünger als 20 Jahre,
b) zwischen 20 und 30 Jahre alt,
c) zwischen 30 und 40 Jahre alt,
d) älter als 40 Jahre?

16. Sind seit dem Jahr 2013 an die Bundesregierung Forderungen herangetragen
worden, die bisherige Rechtsgrundlage erneut zu verändern?
a) Wenn ja, von wem, in welche Richtung gehend, und mit welcher Begrün-

dung?
b) Hat die Bundesregierung eigene Vorhaben, und wenn ja, welche?

17. Sind der Bundesregierung Überlegungen bekannt, Feldjäger ggf. in einzel-
nen Verfahren zu Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu bestellen,
und welche Position bezieht sie hierzu gegebenenfalls?

18. Sieht die Bundesregierung Probleme in der Arbeit der Schwerpunktstaatsan-
waltschaft, da die Schutzrechte Beschuldigter, aufgrund der Regelung in § 13
des Soldatengesetzes, wonach Soldaten verpflichtet sind, in dienstlichen An-
gelegenheiten die Wahrheit zu sagen, mit ihren soldatischen Pflichten kolli-
dieren?
a) Wenn ja, was gedenkt sie diesbezüglich zu unternehmen, um das funda-

mentale Recht des Beschuldigten zu schweigen und sich nicht selbst zu
belasten, zu wahren?

b) Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 8. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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