BT-Drucksache 18/9157

Konventionelle Mindesterzeugungskapazitäten und Abregelungen

Vom 7. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9157
18. Wahlperiode 07.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konventionelle Mindesterzeugungskapazitäten und Abregelungen

In den vergangenen Jahren ist es – und es wird wohl auch in den kommenden
Jahren – vermehrt zu Abregelungen von Stromerzeugungsanlagen kommen. Aus
Gründen des Investitionsschutzes wird abgeregelter Strom gesetzlich entschädigt.
Dies betrifft vor allem Erneuerbare-Energien-Anlagen, da diese flexibel und
schnell regelbar sind.
Unflexible fossile Kraftwerke können sich dies zum einen technisch und zum an-
deren aufgrund von hohen Anfahrtkosten nicht leisten. Für den sicheren Betrieb
des Stromnetzes sind verschiedene Systemdienstleistungen zur Spannungs- und
Frequenzhaltung oder die Bereitstellung von Blindleistung erforderlich. Diese
Leistungen werden bisher überwiegend durch konventionelle Kraftwerke (Must-
run-Kapazitäten) erfüllt. Doch technisch sind erneuerbare Energien bereits in der
Lage, dies ebenfalls zu erfüllen. Allerdings bedarf es dazu Anpassungen auf dem
Regelenergiemarkt. Bisher wird der Einsatz erneuerbarer Energien basierter Sys-
temdienstleistungen teilweise durch regulatorische Hürden bzw. unklare Vergü-
tungsregelungen behindert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kraftwerke werden in Deutschland durchgehend oder zeitweise als

so gennannte Must-run-Kapazitäten betrieben (bitte nach Bundesländern und
Landkreisen anlagenscharf auflisten)?

2. Welchen Beitrag leisten die oben genannten Kraftwerke zur Systemsicher-
heit, z. B. zur Bereitstellung von induktiver oder kapazitiver Blindleistung
(in kvar/kvarh) auf Netzebene (HöS, HS, MS, NS), Frequenzhaltung (aufge-
teilt nach MRL, SRL, PRL; (rotierende Massen; in MW Bereitstellung/
MWh Abruf), Schwarzstartfähigkeit (netzgebietsscharf; bitte die Kraftwerke
nach Netzgebiet mit der installierten Leistung und der minimalen und maxi-
malen Flexibilität auflisten)?

3. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Studie der Über-
tragungsnetzbetreiber zum Thema „Konventionelle Mindesterzeugung –
Einordnung, aktueller Stand und perspektivische Behandlung“ (www.
netztransparenz.de), und welche energiewirtschaftliche Notwendigkeit sieht
sie in dem in der Studie als „PROD_min“ dargestellten Wert von 20 GW
konventioneller Kapazitäten?

Drucksache 18/9157 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

4. Mit welcher Begründung – insbesondere in Hinblick auf Klimaschutzas-
pekte – werden Erneuerbare-Energien-Anlagen vor konventionellen Kraft-
werken heruntergeregelt, und sind fossile Kraftwerke in diesem Zusammen-
hang nicht zu unflexibel?

5. Wie viele Tonnen CO2 wären im Jahr 2015 eingespart worden, wenn die
Mindestleistung konventioneller Kraftwerke um 5 GW reduziert worden
wäre, bzw. in welchem Umfang wäre die im Rahmen des Einspeisemanage-
ments abgeregelte Energie zurückgegangen?

6. Welchen konkreten Nutzen haben unflexible Kraftwerke für die Netzsicher-
heit nach Ansicht der Bundesregierung, und weshalb werden diese Kraft-
werke trotz Einspeisevorrang der erneuerbaren Energien nicht abgeschaltet,
bzw. die Flexibilität dieser Kraftwerke durch geeignete Maßnahmen erhöht?

7. Wie hoch war die Anzahl von Erneuerbaren-Energien-Anlagen in den ver-
gangenen fünf Jahren, die zwangsabgeschaltet werden mussten (bitte nach
Jahren, Energieerzeugungsform und Stromerzeugungsmenge aufschlüs-
seln)?
Wurde in allen Fällen durch die Netzbetreiber eine Anzeige nach § 13 Ab-
satz 2a Satz 6 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) erstattet und die
Gründe benannt?
Wenn nicht, wie ist dies zu begründen?

8. Wie hoch war die Anzahl von konventionellen Kraftwerken in den vergan-
genen fünf Jahren, die zwangsabgeschaltet werden mussten (bitte nach Jah-
ren, Energieträger und Stromerzeugungsmenge aufschlüsseln)?

9. Wie ist die Verteilung der Anzeigen nach § 13 Absatz 2a Satz 6 EnWG auf
die vier Regelenergiezonen verteilt, welche zehn Netzbetreiber haben am
häufigsten Meldungen erstattet, und welche Gründe wurden angeführt, und
wie ist die Gewichtung der einzelnen Gründe (bitte in absoluten Zahlen auf-
schlüsseln)?

10. Welche finanzielle Summe an Entschädigungszahlungen wurde dabei in den
vergangenen fünf Jahren gezahlt?

11. Wie wurden die Anzeigen nach § 13 Absatz 2a Satz 6 EnWG inhaltlich kon-
trolliert, welche Organisationseinheit ist dafür zuständig, und gibt es ein ver-
bindliches internes Verfahren für die Überprüfung (bitte begründen)?

12. Gab es Fälle, bei denen die Regulierungsbehörde der Auffassung war, dass
eine Einschränkung des Vorrangs erneuerbarer Energien unrechtmäßig er-
folgt ist, und wenn ja, welche, und wie wurde darauf reagiert?

13. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass konventionelle Kraftwerke
Regelleistung mit einem Leistungspreis nahe 0 Euro anbieten, um als tech-
nologische Mindestlast zu gelten, und welche Schlussfolgerungen zieht die
Bundesregierung aus der Entwicklung der Leistungspreise im Regelenergie-
markt, und wie plant sie gegenzusteuern?

14. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass konventionelle Kraftwerke
Wärmelieferverträge abschließen, um als Kraft-Wärme-Kopplungs (KWK)-
Anlagen nachrangig abgeregelt zu werden, und liegen der Bundesregierung
Erkenntnisse vor, in wie vielen Stunden des Jahres Kraftwerke über 100 MW
eine Wärmenutzung von weniger als 50 Prozent aufweisen?

15. Wie hoch sind die jährlichen volkswirtschaftlichen Gesamtkosten, die einge-
spart werden könnten, wenn bereits am Vortag über eine bevorstehende Ab-
regelung informiert würde, so dass die im Bilanzkreis fehlende Leistung am
Markt nachbeschafft werden könnte?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9157
 

16. Sieht die Bundesregierung technische Restriktionen, die dagegen sprechen,
Systemdienstleistungen ausschließlich durch Erneuerbare-Energien-Anla-
gen (Wind, Photovoltaik, Wasserkraft, Biomasse) und Batterien bereitzustel-
len, und wenn ja, welche?

17. Wie hoch ist nach Kenntnissen der Bundesregierung die konventionelle Min-
desterzeugung in GW, und wie hoch ist die technische Mindesterzeugung,
die für den Erhalt der Systemsicherheit erforderlich ist?

18. Wie ist es möglich, dass die Energiemenge von Redispatch-Eingriffen zur
Reduzierung von Wirkeinspeisung nicht der Energiemenge von Redispatch-
Eingriffen zur Erhöhung von Wirkeinspeisung entspricht?

Berlin, den 7. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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