BT-Drucksache 18/9138

Verletzbarkeit der deutschen Wirtschaft und ihrer Lieferketten gegenüber dem Klimawandel

Vom 6. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9138
18. Wahlperiode 06.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Annalena Baerbock, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke, Peter Meiwald,
Dr. Julia Verlinden, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verletzbarkeit der deutschen Wirtschaft und ihrer Lieferketten gegenüber dem
Klimawandel

Die jüngste Forschung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung e. V. und
der Columbia University zeigt am Beispiel der Leistungsminderung von Arbeits-
kräften erstmalig auf, dass sich die Anfälligkeit globaler Wirtschaftsnetzwerke
für Hitzestress im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt hat. Produktionsverluste
können sich entlang verwobener Handelsketten noch weiter erhöhen. Somit sind
Auswirkungen des Klimawandels auch in entfernten Ländern eine direkte Bedro-
hung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Seit der Jahrtausendwende sind globale Lieferketten immer stärker verflochten, so-
dass sich Produktionsverluste – wie etwa durch Extremwetterereignisse hervorge-
rufen – leicht über Ländergrenzen hinaus fortsetzen. Mehr als die Hälfte der welt-
weiten Produktion von Kokosnussöl, das am zweithäufigsten genutzte pflanzliche
Fett in der globalen Lebensmittelproduktion, ist beispielsweise im Jahr 2013
durch den Taifun Haiyan auf den Philippinen zerstört worden. Auch die Flut in
Queensland im Jahr 2011 hatte Auswirkungen auf die weltweite Lieferung von
Kohle. Dürren und Überschwemmungen in Russland und Pakistan im selben Jahr
haben zu gestiegenen Lebensmittelpreisen beigetragen und somit möglicherweise
Auswirkungen auf Unruhen in Ägypten, Syrien und Saudi-Arabien gehabt.
Die ökonomischen Folgen von häufiger auftretenden Hitzewellen und anderen
meteorologischen Ereignissen auf die globalen Wirtschaftsnetzwerke erfordern an-
gemessene Anpassungsmaßnahmen. Sie sollten in Kostenberechnungen zum Kli-
mawandel einbezogen werden, sodass Lieferketten angemessen stabilisiert und Ge-
sellschaften widerstandsfähiger werden. Weltweit vernetzte Wirtschaftsprozesse
erfordern eine globale Anpassungsstrategie, damit ein Dominoeffekt lokaler Vul-
nerabilitäten vermieden werden kann. Dennoch fehlten die Auswirkungen auf glo-
bale Lieferketten in den Bewertungen des Weltklimarats IPCC; und auch in der
deutschen Diskussion um Anpassung wurden sie bisher kaum adressiert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse zu möglichen klimawandelbedingten Risiken in naher

(bis zum Jahr 2050) und ferner Zukunft (bis zum Jahr 2100) liegen der Bun-
desregierung für verschiedene Wirtschaftssektoren vor bezüglich
a) der Vernetzung von Wertschöpfungsketten, auch derer deutscher Unter-

nehmen;
b) Störungen bei Zulieferern und Kunden in anderen Ländern;

Drucksache 18/9138 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

c) Zerstörung von Betriebsanlagen und Infrastrukturen in extremwetterge-
fährdeten Gebieten;

d) Wasser- und Rohstoffverfügbarkeiten sowie ausreichender Energiever-
sorgung als wesentliche Inputfaktoren industrieller Produktion;

e) der Leistungsfähigkeit von Arbeitskräften;
f) Just-in-Time-Produktion und der Abhängigkeit von Logistikprozessen;
g) deutscher Absatzmärkte;
h) Störungen bei ausländischen Kunden durch Extremwetterereignisse in

Deutschland, die mit einem Vertrauensverlust einhergehen könnten?
2. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung gegen die in Frage 1 ab-

gefragten Risiken, bzw. welche Maßnahmen sind in Planung?
3. Plant die Bundesregierung, eigene Forschungsaufträge zu den Folgen des

Klimawandels auf internationale Wirtschaftsnetzwerke auszuschreiben?
4. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu möglichen Risiken für

deutsche Unternehmen, bspw. in ihren Lieferketten, vor?
5. Welche klimawandelbedingten Risiken sieht die Bundesregierung besonders

in der engen wirtschaftlichen Verknüpfung mit den asiatischen Schwellen-
ländern, und welche vorsorgenden Maßnahmen werden diesbezüglich unter-
nommen?

6. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über einen möglichen
Rückgang deutscher Warenimporte und Warenexporte aufgrund von Aus-
wirkungen und Verwundbarkeiten gegenüber dem Klimawandel in Ländern
vor, mit denen Wirtschaftsbeziehungen unterhalten werden, und welche
Maßnahmen unternimmt bzw. plant sie diesbezüglich?

7. Welche bestehenden und geplanten Instrumente der Deutschen Anpassungs-
Strategie an den Klimawandel (DAS) bzw. darüber hinaus beziehen sich spe-
ziell auf die Verwundbarkeit von Wirtschaftsnetzwerken und deren Reduzie-
rung?

8. In welchen internationalen Foren sind die Folgen des Klimawandels auf in-
ternationale Wirtschaftsnetzwerke bisher thematisiert worden, und wie posi-
tionierte sich die Bundesregierung in diesen Debatten?

9. Inwiefern sieht die Bunderegierung deutsche Wertschöpfungsketten durch
eine in Folge des Klimawandels drohende mangelnde Verfügbarkeit kriti-
scher Rohstoffe bedroht?

10. In welchen Sektoren ist dies nach Kenntnis der Bundesregierung in besonde-
rem Maße zu erwarten, und welche Maßnahmen unternimmt sie dagegen?

11. Welche Rohstoffe stuft die Bundesregierung als besonders kritisch und vul-
nerabel gegenüber dem Klimawandel ein?

12. Sieht die Bundesregierung bei diesen Rohstoffen die Gefahr eines Versor-
gungsengpasses, und auf welcher Grundlage beruht diese Einschätzung?

13. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um eine Differenzierung
deutscher Handelsbeziehungen voranzubringen?

14. Welche Maßnahmen unternimmt sie weltweit, um Lieferketten resilienter zu
gestalten, und welche Unterstützung bietet sie dabei deutschen Unterneh-
men?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9138
 

15. Welche Vorgaben macht die Bundesregierung für deutsche Unternehmen,
um Standorte und Zulieferer hinsichtlich möglicher Auswirkungen des Kli-
mawandels zu überprüfen (Risikomanagement) und den steigenden Pla-
nungsbedarf zu adressieren?

16. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu bestehenden Möglich-
keiten und Ressourcen verschiedener Branchen und Unternehmenstypen der
deutschen Wirtschaft vor, um sich an den Klimawandel anzupassen – vor al-
lem auch global in Zuliefererketten?

17. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Stärkung regionaler Wert-
schöpfung für die Bundesregierung, und wie spiegelt sich das in ihrer An-
passungsstrategie wider?

18. Welche Finanzierungshilfen bietet die Bundesregierung für Länder, die fi-
nanziell selber nicht in der Lage sind, Risiken des Klimawandels zu mindern
und sich an die Veränderungen anzupassen?

19. Welche Möglichkeiten bietet die Bundesregierung ihnen dabei – zusätzlich
zu regulären Instrumenten der Klimafinanzierung – an, um ihre Verwund-
barkeit zu verringern?

20. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um eine Verbrei-
tung von Klimaanpassungstechnologien voranzubringen und deren Imple-
mentierung zu fördern?

21. Stimmt die Bundesregierung der Aussage der Fragesteller zu, dass das Risiko
für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit Blick auf die globalen Auswir-
kungen des Klimawandels deutlich verringert wird, wenn die notwendigen,
ambitionierten Anstrengungen zur Emissionsminderung zeitnah umgesetzt
werden, und wenn ja, wie spiegelt sich dies im Prozess der regierungsinter-
nen Abstimmung zum Klimaschutzplan 2050 wider, und wenn nein, warum
nicht?

Berlin, den 6. Juli 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.