BT-Drucksache 18/9135

Herabsenkung der Altersgrenze bei Registrierung von Minderjährigen im EURODAC-System

Vom 6. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9135
18. Wahlperiode 06.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Annette Groth, Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Dr. Alexander S. Neu,
Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Herabsenkung der Altersgrenze bei der Registrierung von Minderjährigen im
EURODAC-System

Am 4. Mai 2016 legte die Europäische Kommission einen Änderungsentwurf für
das EURODAC-System (Europäische Datenbank zur Speicherung von Fingerab-
drücken) vor (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und
des Rates über die Einrichtung von „EURODAC“ für den Abgleich von Finger-
abdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU)
Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des
Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder
Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz
zuständig ist, zur Identifizierung eines illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen
oder Staatenlosen und für Anfragen für den Abgleich mit Eurodac-Daten durch
die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europol zu Strafverfol-
gungszwecken, COM(2016) 272 final). Der Entwurf ist Teil der Initiative der Eu-
ropäischen Kommission, das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu
reformieren. Auch aus den Reihen der Bundesregierung erfolgten Aussagen über
eine Reform der Registrierung von Geflüchteten. So forderten sowohl Vizekanz-
ler Sigmar Gabriel (FAZ vom 15. Februar 2016) als auch der Parlamentarische
Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Dr. Günter Krings (Rheinische
Post vom 26. März 2016) eine „lückenlose Registrierung“ aller in den Schengen-
Raum einreisenden Geflüchteten.
Durch die geplanten Änderungen am EURODAC-System sollen nicht wie bisher
nur die Fingerabdrücke der Geflüchteten aufgenommen werden, sondern auch de-
ren persönliche Daten (Name, Nationalität, Geburtsdatum und -ort, Ausweisnum-
mer, Asylantragsnummer, Eingangsstaat des Asylantrages) sowie ein biometri-
sches Lichtbild (Artikel 10 bis 14 des Änderungsentwurfs). Weiter soll die bishe-
rige Altersgrenze von 14 auf sechs Jahre herabgesetzt werden. Bei der Verweige-
rung der Abgabe der Fingerabdrücke und der Verweigerung der Aufnahme eines
Lichtbildes können die einzelnen Mitgliedstaaten administrative Sanktionen im
Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung einführen (Artikel 2 Absatz 3 und 4 des
Änderungsentwurfs).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern stimmt die Bundesregierung dem Vorhaben der Europäischen

Kommission bezüglich der geplanten Änderungen des EURODAC-Systems
zu?

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2. Wie bewertet die Bundesregierung die geplante Absenkung der Registrie-
rungsaltersgrenze von 14 auf sechs Jahre und spricht sich die Bundesregie-
rung ebenfalls dafür aus?

3. Welche Position nahm die Bundesregierung in den Vorberatungen der ge-
planten Änderungen bezüglich der Herabsenkung der Altersgrenze, z. B. im
Rat für Inneres und Justiz, in der Ratsgruppe Asyl, ein?

4. Teilt die Bundesregierung die im Entwurf enthaltene Begründung für die
Herabsenkung, wonach dadurch eine verbesserte Familienzusammenführung
möglich sei, und welche Alternativen stünden zur Verfügung, um Familien-
zusammenführungen auch ohne die massenhafte Speicherung von Fingerab-
druckdaten und Lichtbildern von unbegleitet einreisenden minderjährigen
Geflüchteten zu verbessern?

5. Hat die Bundesregierung Kenntnis von der im Eingang des Entwurfs
(COM(2016) 272 final) erwähnten Studie zur Validität von Fingerabdrücken
bei Minderjährigen, und wie bewertet die Bundesregierung diese Studie im
Einzelnen?

6. Welche Angaben kann die Bundesregierung zur Zahl und zum Anteil der
„falsch positiven“ und „falsch negativen“ Treffer im EURODAC-System bei
Abfragen durch Asylbehörden und Strafverfolgungsbehörden in den Jahren
2013, 2014 und 2015 machen
a) bezogen auf Abfragen im EURODAC-System durch deutsche Behörden,
b) bezogen auf Abfragen im EURODAC-System durch Behörden anderer

Teilnehmerstaaten (bitte so detailliert wie möglich nach Staaten und Be-
hörden auflisten)?

7. Plant die Bundesregierung zur Erfassung der biometrischen Lichtbilder auf
bisherige Software der Sicherheitsbehörden zurückzugreifen oder wird die
Erfassung ausgesetzt, bis das Ergebnis, der von der Europäischen Agentur
für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Bereich Freiheit, Si-
cherheit und Recht (eu-LISA) in Auftrag gegebenen Studie, vorliegt?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie hoch der Betrag des vorge-
schlagenen Gesamtbudgets (30 Mio. Euro) zur Aufrüstung des EURODAC-
Zentralsystems ist, der für die Studie zur Gesichtserkennungssoftware ein-
kalkuliert wird?

9. Plant die Bundesregierung von der im Entwurf für die jeweiligen Mitglied-
staaten enthaltenen Möglichkeit, bei der Verweigerung der Aufnahme von
Fingerabdrücken und/oder der Aufnahme des Lichtbildes administrative
Sanktionen im Rahmen der nationalen Gesetzgebung einzuführen, Gebrauch
zu machen, und wenn ja, wie sollen die Sanktionen im Detail ausgestaltet
werden, und wie ist die geltende Rechtslage und Praxis bei diesbezüglichem
Verweigerungsverhalten (bitte im Detail darlegen und differenziert darstel-
len nach unterschiedlichen Behörden: Bundespolizei, Bundesamt für Migra-
tion und Flüchtlinge, Ausländerbehörden usw.)?

10. Ist gegebenenfalls geplant, die Sanktionen auch auf minderjährige Geflüch-
tete unter 18 Jahren und auf minderjährige Geflüchtete unter 14 Jahren an-
zuwenden (bitte jeweils begründen)?

11. Welche Möglichkeiten bestehen für die Polizeibehörden in Deutschland be-
reits heute, die Abgabe von Fingerabdrücken im Rahmen der Mitwirkungs-
pflichten bei der Identitätsfeststellung zu erzwingen bei
a) 14 bis 17-jährigen Minderjährigen,
b) Minderjährigen unter 14 Jahren?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9135
 

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob durch nationale und europäi-
sche Polizeibehörden (bitte nach Mitgliedstaaten auflisten) bisher schon Fin-
gerabdrücke von minderjährigen Geflüchteten unter 14 Jahren abgenommen
wurden, und wenn ja, mit welcher gesetzlichen Grundlage?

13. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, ob nationale Behörden
mit Zugriffsberechtigung auf die EURODAC-Daten und Europol zur mögli-
chen Strafverfolgung aktuell über vollen Zugriff auf die Daten von Minder-
jährigen verfügen (bitte nach Mitgliedstaaten auflisten) oder mit der Neufas-
sung der Verordnung erhalten sollen, und wenn ja, wie bewertet die Bundes-
regierung diese Zugriffsmöglichkeit?

14. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zur Zahl der Tatverdächtigen
in der Gruppe von minderjährigen Geflüchteten zwischen sechs und 14 Jah-
ren und in der Gruppe zwischen 14 und 18 Jahren im Jahr 2015 (bitte getrennt
für aufenthalts- und asylrechtliche Straftaten und sonstige Straftaten ange-
ben)?

15. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, wie hoch die Zahl der in
den Schengen-Raum einreisenden registrierten minderjährigen Geflüchteten
ist, und verfügt die Bundesregierung über Schätzungen, wie hoch die Anzahl
an nichtregistrierten minderjährigen Geflüchteten ist:
a) ohne Begleitung,
b) unter 18 Jahren,
c) unter 14 Jahren,
d) unter 6 Jahren
(bitte auflisten und nach den genannten Kategorien differenzieren)?

16. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung davon, wie hoch die Anzahl an
minderjährigen Geflüchteten ist, die einen eigenen Antrag auf Asyl in der
Bundesrepublik Deutschland bzw. in der Europäischen Union stellten:
a) unter 18 Jahren
b) unter 14 Jahren
c) unter 6 Jahren
(bitte auflisten und nach den genannten Kategorien differenzieren)?

Berlin, den 5. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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