BT-Drucksache 18/9117

Uploadfilter bei Kriminalämtern und Internetunternehmen für sogenannte extremistische oder radikalisierende Inhalte

Vom 4. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9117
18. Wahlperiode 04.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Annette Groth, Niema Movassat,
Dr. Alexander S. Neu und der Fraktion DIE LINKE.

Uploadfilter bei Kriminalämtern und Internetunternehmen für sogenannte
extremistische oder radikalisierende Inhalte

Das internationale „Counter Extremism Project” (CEP) hat eine Software vorge-
stellt, mit der extremistische Inhalte beim Upload entdeckt werden sollen (Pres-
semitteilung Counter Extremism Project vom 17. Juni 2016). Das Verfahren ba-
siert auf PhotoDNA, einer Anwendung die von Microsoft ursprünglich für die
Bekämpfung von Kinderpornografie entwickelt wurde. Möglich ist die Detektion
von Video- und Audioinhalten. Die Erkennungsquote liegt angeblich bei 98 Pro-
zent. PhotoDNA funktioniert nach dem sogenannten Robust Hashing und erstellt
einen digitalen Fingerabdruck der Datei. Der Abgleich erfolgt mit einer Hash-
Datenbank, die entweder bei den Unternehmen oder auch Behörden geführt wird.
Außer Microsoft haben bereits mehrere Internetdienstleister, darunter Facebook,
Google, Youtube und Twitter, PhotoDNA auf ihren Servern installiert. Die Fir-
men scannen dabei auch Inhalte, die von den Nutzerinnen und Nutzern in der
privaten Cloud gespeichert werden. Werden dort kinderpornografische Inhalte
entdeckt, können die zuständigen Strafverfolgungsbehörden eine Meldung erhal-
ten. Die Fälle werden dann auch international verfolgt, mindestens einmal hat das
Bundeskriminalamt (BKA) einen solchen Hinweis von US-Behörden erhalten
(golem.de vom 13. Januar 2015). Das BKA hat im Jahr 2012 selbst die Software
PhotoDNA zu „Testzwecken“ beschafft (Bundestagsdrucksache 17/11299).
Vergangenen Sommer hatte die Europäische Union eine „Meldestelle für Inter-
netinhalte“ bei der Polizeiagentur Europol eingerichtet. Strafverfolgungsbehör-
den und Geheimdienste aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union können
dort Inhalte zur Entfernung melden, Europol reicht diese dann an die Internetun-
ternehmen weiter. Die privaten Internetdienstleister haben selbst keinen Zugriff
auf die Polizeidaten. Deshalb hat die Europäische Kommission im Dezember
2015 ein „Forum der Internetdienstleister“ gestartet, um die Firmen selbst zur
Kontrolle des Internets anzuhalten (www.cilip.de vom 19. November 2015). Das
„Forum“ soll „Instrumente“ zur Bekämpfung terroristischer Propaganda im In-
ternet und in den sozialen Medien entwickeln. Ziel ist die Einrichtung einer öf-
fentlich-privaten Datenbank mit bereits gefundenen bzw. entfernten Inhalten.
Laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission (COM(2016) 230 final vom
20. April 2016) arbeiten die Unternehmen „unter voller Einbeziehung von Euro-
pol“ an der gemeinsamen Meldeplattform. Dabei kommt vermutlich ebenfalls die
von Microsoft entwickelte Software PhotoDNA zur Anwendung. Das Bundesmi-
nisterium des Innern bestätigt, „die technische Identifizierung gleicher bzw. ähn-
licher Internetinhalte“ erfolge anhand von Hashwerten (Bundestagsdrucksache
18/8845). Ein solcher Uploadfilter sei aus Sicht der Bundesregierung „bei den
Unternehmen anzusiedeln“. Fraglich ist jedoch, wo die benötigte Datenbank mit

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Hashwerten von Dateien mit „extremistischen oder terroristischen Inhalten“ ge-
führt wird. Ebenfalls unklar ist, ob dort lediglich solche Internetinhalte gespei-
chert werden, die bereits einmal hochgeladen wurden, oder ob europäische Kri-
minalämter (inklusive Europol) dort auch unveröffentlichtes Material zur etwai-
gen Löschung hinterlegen können.
Im Hinblick auf die sitzungsfreie Zeit des Deutschen Bundestages und die Quali-
tätssicherung der Antworten erklären sich die Fragesteller mit einer Fristverlän-
gerung für die Bearbeitung der Kleinen Anfrage einverstanden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Inhalt hat nach Kenntnis der Bundesregierung ein „Verhaltensko-

dex“, den die Europäische Kommission am 31. Mai 2016 vorgestellt hat und
der mit den Diensteanbietern Facebook, Twitter, YouTube und Microsoft ab-
gestimmt wurde (Bundestagsdrucksache 18/8845)?

2. Wann und wo soll dieser „Verhaltenskodex“ nach Kenntnis der Bundesre-
gierung veröffentlicht werden?

3. Welche weiteren Beteiligten haben den „Verhaltenskodex“ nach Kenntnis
der Bundesregierung unterzeichnet, bzw. was ist hierzu geplant?

4. Auf welche Weise wollen die Unternehmen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung „stärker gegen illegale Hassbotschaften auf ihren Plattformen vorge-
hen“?

5. Auf welche Weise haben welche Bundesbehörden in der Vergangenheit mit
dem „Counter Extremism Project” kooperiert oder von dort Analysen erhal-
ten?

6. Was ist der Bundesregierung über Pläne des „Counter Extremism Project”
(CEP) bekannt, die Internetanbieter zur Einführung einer Software zu bewe-
gen, mit der extremistische Inhalte beim Upload entdeckt werden sollen?

7. Welche Internetanbieter haben einen solchen Filter nach Kenntnis der Bun-
desregierung bereits eingeführt?

8. Welche technischen Werkzeuge zur automatisierten Erkennung von extre-
mistischen Inhalten hält das Bundesinnenministerium derzeit für prinzipiell
geeignet?

9. Auf welche Weise hat das BKA die zu „Testzwecken“ beschaffte Software
PhotoDNA eingesetzt?
a) Auf welche Bild- und Videodatenbanken wurde dabei zugegriffen?
b) Seit wann ist PhotoDNA nach den Tests beim BKA nicht mehr im Ein-

satz?
10. Inwiefern wird PhotoDNA nach Kenntnis der Bundesregierung auch bei der

Polizeiagentur Europol eingesetzt oder getestet bzw. was ist hierzu geplant?
11. Auf welche Gesichtsbilder kann das BKA außer den in INPOL (das beim

BKA betriebene elektronische Informationssystem der Polizei) eingestellten,
biometrischen Fotos für einen computergestützten Lichtbildvergleich im
Einzel- oder im Regelfall zugreifen?

12. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Inhalte bzw. Formate
mit der Software PhotoDNA erkannt werden können?

13. Wie hoch schätzt sie die Erkennungsquote der Anwendung?

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14. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Datenbanken die
von einigen Providern bereits eingeführte Software PhotoDNA für den Ab-
gleich zugreift?

15. In welchen bzw. wie vielen Fällen haben Bundesbehörden Meldungen aus-
ländischer Strafverfolgungsbehörden erhalten, wonach PhotoDNA Inhalte
auch in der privaten Cloud von Beschuldigten aufgespürt hat und erst dies
schließlich zu Ermittlungen deutscher Kriminalämter führte?

16. Von welchen konkreten Behörden stammten die Hinweise?
17. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, in welchen EU-Mitgliedstaa-

ten Meldestellen für extremistisches, terroristisches oder „radikalisierendes“
Material im Internet eingeführt wurden oder werden, und wo sind diese an-
gesiedelt?

18. Was ist der Bundesregierung über technische Aspekte der gemeinsamen
Meldeplattform von Europol und den Internetunternehmen bekannt?

19. Inwiefern soll dort zur „Identifizierung gleicher bzw. ähnlicher Internetin-
halte“ die Software PhotoDNA zur Anwendung kommen?

20. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob die gemeinsame
Meldestelle Uploads lediglich auf Inhalte überprüft, die bereits einmal hoch-
geladen wurden, oder ob europäische Kriminalämter (inklusive Europol)
dort auch unveröffentlichtes Material zur etwaigen Löschung durch die In-
ternetanbieter hinterlegen können?

21. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise das briti-
sche Projekt „Research, Information and Communications Unit“ (RICU), das
dem dortigen Innenministerium untersteht, an EU-Vorhaben zur Entwick-
lung von „Gegenpropaganda“ beteiligt ist (http://cage.ngo/publication/we-are-
completely-independent/)?
a) Welche Gruppen der „Zivilgesellschaft“ werden von EU-Projekten, an

denen die RICU beteiligt ist, gefördert oder unterstützt?
b) Auf welche Weise haben dem Bundesinnenministerium nachgeordnete

Behörden bislang mit der RICU zusammengearbeitet?
22. Welchen Inhalt hatte die EMPACT-Maßnahme „Cybercrime – cyber atta-

cks“, die das BKA gemeinsam mit dem spanischen Centro de Inteligencia
contra el Terrorismo y el Crimen Organizado (CITCO), der französischen
Gendarmerie Nationale, der niederländischen Polizei und dem kroatischen
Innenministerium durchführte (www.europol.europa.eu/sites/default/files/
publications/empact_01_oap.2015_grants_awarded_0.pdf)?

23. Welche automatisierte Verfahren zur Auswertung von sozialen Medien bzw.
deren Integration in Fall- oder Vorgangsbearbeitungssysteme kommen bei
den dem Bundesinnenministerium nachgeordneten Behörden zum Einsatz
(heise.de vom 28. Juni 2016)?

24. Welche Marktsichtungen oder Studien hat das Bundesinnenministerium
hierzu durchgeführt oder beauftragt?

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25. Was ist der Bundesregierung über die Funktionsweise der Software
rsNetMAn der Firma rola Security Solutions/ T-Systems bekannt?
a) Wie viele Webseiten oder Einträge in sozialen Medien werden laut dem

Hersteller für die Analyse in rsNetMAn ausgewertet?
b) Welche weiteren Recherchefunktionen können über rsNetMAn ausge-

führt werden (etwa Wildcardsuche, fragmentarische Suche, phonetische
Suche, Ähnlichkeitssuche, Komplexrecherche, geobezogene Recherche)?

c) Mit welchen Einschränkungen ist über die Software rsNetMAn auch die
Suche nach visuellen Inhalten möglich?

d) Inwiefern wird für den Einsatz von rsNetMAn schon jetzt nach extremis-
tischen, terroristischen oder „radikalisierenden“ visuellen Inhalten ge-
sucht?

Berlin, den 4. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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