BT-Drucksache 18/9076

Pläne für vorgelagerte US-Einreisekontrollen an europäischen Flughäfen

Vom 4. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9076
18. Wahlperiode 04.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Frank Tempel, Ulla Jelpke,
Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Kersten Steinke und
der Fraktion DIE LINKE.

Pläne für vorgelagerte US-Einreisekontrollen an europäischen Flughäfen

Die Regierung in Washington plant Medienberichten zufolge eine Verschärfung
ihrer Einreisebestimmungen (Onlineausgabe der Frankfurter Rundschau vom
1. Dezember 2015). Hierzu gehört der Plan, bereits beim Abflug von Mitglied-
staaten der Europäischen Union sogenannte vorgelagerte Einreisekontrollen vor-
zunehmen. Die US-Regierung verhandelt demnach mit mindestens sieben Län-
dern, darunter Belgien und die Niederlande. Ein ähnlicher Vorstoß erfolgte be-
reits im letzten Jahr, Vertreterinnen und Vertreter der Niederlande hatten den US-
Vorschlag in den zuständigen EU-Ratsarbeitsgruppen vorgestellt (Bundestags-
drucksachen 18/2472, 18/3236). Eine entsprechende Anfrage für Kontrollen auf
dem Flughafen Amsterdam Schiphol wurde von der Regierung in Den Haag ge-
prüft. Auch die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs, Schwedens sowie das
Bundesministerium des Innern (BMI) waren im vergangenen Jahr angefragt wor-
den, zunächst jedoch inoffiziell auf Ebene der Innenministerien.
Schon jetzt werden Passagiere an deutschen Flughäfen von US-Behörden kon-
trolliert. Solche „Last-Gate-Checks“ werden durch Bedienstete der U. S. Customs
and Border Protection (CBP) vorgenommen und gelten nicht als Luftsicherheits-
kontrollen. Die Behörde hat lediglich das Recht, die in die USA verkehrenden
Luftfahrtunternehmen „in grenzpolizeilicher Hinsicht“ zu beraten. Die Airlines
bekommen unter Umständen einen Hinweis, ob sich zu befördernde Personen auf
einer Flugverbotsliste der USA befinden. Ihre Mitnahme wäre zwar erlaubt, je-
doch erhielte die Fluglinie keine Überflugs- und Landeerlaubnis aus den USA.
Sofern für die Passagiere ein Flugverbot gilt, dürfen die US-Behörden keine wei-
teren Zwangsmaßnahmen ergreifen. Eingehende Kontrollen, Durchsuchungen
oder Festnahmen können bislang lediglich von der gastgebenden Bundespolizei
vorgenommen werden. Die Betroffenen könnten dies aus Sicht der Fragesteller
aber wie eine Amtshandlung der US-Bediensteten empfinden.
Mit den vorgelagerten Einreisekontrollen erhielten die US-Behörden das Recht,
Reisende zu befragen und sogar zu durchsuchen. Das BMI hatte sich im Jahr 2015
noch „äußerst zurückhaltend“ zu der Übernahme hoheitlicher Befugnisse von US-
Behörden in Deutschland gezeigt (Bundestagsdrucksache 18/2472). Auch „die
Luftfahrtbranche“ habe grenzpolizeiliche Ein- und Ausreisekontrollen durch US-
Bedienstete „kritisch hinterfragt“. Hingegen habe Großbritannien „Vorteile in ei-
ner Zulassung des Verfahrens“ gesehen. Die Niederlande prüften demnach die
rechtliche und organisatorische Machbarkeit, Frankreich habe eine Beteiligung
der USA an der Finanzierung gefordert. Auch Schweden habe den Vorschlag ge-
prüft, sich aber in erster Reaktion skeptisch gezeigt und um Prüfung hinsichtlich

Drucksache 18/9076 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

der Auswirkungen auf die Schengen-Regelungen und die Menschenrechtskon-
vention gebeten. Diese Prüfung sollte durch den Juristischen Dienst des Rates der
Europäischen Union erfolgen.
Laut dem BMI handelt es sich bei den neuerlichen Initiativen der US-Behörden
um „unverbindliche Vorschläge zur Weiterentwicklung der grenzüberschreiten-
den Zusammenarbeit, aus denen sich im Falle der Nichtumsetzung für die Bun-
desrepublik Deutschland nach derzeitigem Kenntnisstand keine Konsequenzen
ergeben“ (Bundestagsdrucksache 18/7262). Es handele sich „nicht um offizielle
Anträge“ von US-Behörden, sondern um „offizielle Angebote“, die von der CBP
ausgeschrieben worden seien. Europäische Flughäfen konnten sich dafür „bewer-
ben“, bekannt sei dies etwa für zwei britische und einen schwedischen Flughafen.
Mit einigen EU-Mitgliedstaaten würden nun „Gespräche geführt“.
Zudem teilt die Bundesregierung mit, die „innenpolitische Debatte in den USA“
fokussiere sich nach den November-Anschlägen von Paris im Jahr 2015 „zuletzt
zunehmend auf eine Verschärfung der Einreisebestimmungen im Rahmen des
Visa-Waiver-Programms (VWP)“. Die US-Administration habe deshalb am
30. November 2015 verschiedene Maßnahmen im Zusammenhang mit einer ge-
planten Verschärfung des VWP angekündigt, darunter auch eine Ausweitung des
sogenannten Preclearance-Programms. Der am 18. Dezember 2015 vom US-
Kongress als Teil des US-Haushaltspakets für das Jahr 2016 verabschiedete so-
genannte Visa Waiver Program Improvement and Terrorist Travel Prevention Act
of 2015 erwähnt das Preclearance-Programm demzufolge nicht. Wann einzelne
Maßnahmen dieses Gesetzes greifen bzw. zur Anwendung kommen sei laut dem
BMI noch unklar.
Im Hinblick auf die sitzungsfreie Zeit des Deutschen Bundestages und die Quali-
tätssicherung der Antworten der Bundesregierung erklären sich die Fragesteller
mit einer Fristverlängerung für die Bearbeitung der Kleinen Anfrage einverstan-
den.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche EU-Mitgliedstaaten haben nach Kenntnis der Bundesregierung „of-

fizielle Angebote“ oder sonstige Vorschläge von US-Behörden für vorgela-
gerte US-Einreisekontrollen erhalten, und wie haben sich diese dazu positi-
oniert?

2. Welche Angaben enthält das „Angebot“ hinsichtlich der Finanzierung ent-
sprechender Infrastruktur sowie laufender Kosten?

3. Inwiefern handelt es sich dabei mittlerweile um offizielle Anträge von US-
Behörden?

4. Inwiefern liegt mittlerweile auch der Bundesregierung ein „formaler schrift-
lich fixierter Antrag der US-Behörden in dieser Angelegenheit“ vor (Bun-
destagsdrucksache 18/7262)?

5. Sofern auch die Bundesregierung mittlerweile ein solches „Angebot“ erhielt,
wann traf dieses bei welcher Behörde ein, und wann hat die Bundesregierung
den Deutschen Bundestag hierzu informiert?

6. Sofern der Vorschlag nicht grundsätzlich abgelehnt wird, aus welchen Grün-
den hat die Bundesregierung ihre Haltung vom vorvergangenen Jahr aufge-
geben, wonach sie „dem US-Ansinnen gleichwohl äußerst zurückhaltend ge-
genüber[steht], da die Ausübung hoheitlicher Befugnisse innerhalb des Bun-
desgebietes grundsätzlich den jeweils zuständigen Behörden des Bundes und
der Länder auf der Grundlage deutschen und/oder unmittelbar geltenden
Rechts der Europäischen Union obliegt“ (Bundestagsdrucksache 18/2472)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9076
 

7. Welche europäischen Flughäfen haben sich nach Kenntnis der Bundesregie-
rung für die Möglichkeit zur vorgelagerten Einreisekontrolle beworben?
a) Mit welchen EU-Mitgliedstaaten werden hierzu nun „Gespräche ge-

führt“?
b) Welche Vereinbarungen wurden diesbezüglich getroffen?
c) Wo wurden die neuerlichen Vorschläge nach Kenntnis der Bundesregie-

rung (seit der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache
18/7262) auf EU-Ebene bzw. in internationalen Zusammenarbeitsformen
vorgestellt oder beraten?

8. Welche Stellungnahmen welcher Angehörigen der „Luftfahrtbranche“ sind
der Bundesregierung hinsichtlich vorgelagerter US-Einreisekontrollen mitt-
lerweile bekannt, und zu welchem Schluss kommen diese jeweils?

9. Inwiefern vertritt die Bundesregierung weiterhin die Ansicht, bei den Initia-
tiven der US-Behörden handele es sich um „unverbindliche Vorschläge zur
Weiterentwicklung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, aus denen
sich im Falle der Nichtumsetzung für die Bundesrepublik Deutschland nach
derzeitigem Kenntnisstand keine Konsequenzen ergeben“ (Bundestagsdruck-
sache 18/7262)?

10. Welche Details zu Maßnahmen im Zusammenhang mit einer geplanten Ver-
schärfung des US-Visa-Waiver-Programms sind der Bundesregierung mitt-
lerweile bekannt, wann sollen einzelne Maßnahmen dieses Gesetzes greifen,
und wie sollen diese umgesetzt werden?

11. Welche weiteren neuen Verschärfungen der US-Einreisebestimmungen sind
der Bundesregierung nach ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksache 18/7262
bekannt geworden, und hinsichtlich welcher Verfahren ist sie davon betrof-
fen?

12. Wie viele Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die nach dem 1. März 2011
nach Syrien, Irak, Iran oder Sudan oder vom US-Ministerium für Innere Si-
cherheit als „Countries of Concern“ designierte Staaten gereist sind bzw. zu-
sätzlich eine zweite Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer dieser „Countries
of Concern“ besitzen, mussten nach Kenntnis der Bundesregierung nach den
Änderungen des US-Visa-Waiver-Programms für die Einreise ein US-Visum
beantragen?

13. Welche Länder werden von den USA nach Kenntnis der Bundesregierung
als „Countries of Concern“ geführt?

14. Welche konkreten Datenfelder (etwa Name, Meldeadresse, Fingerabdrücke
oder Telefonnummern) aus deutschen und US-amerikanischen Informations-
systemen sollen zukünftig im Einzel- oder Regelfall mit US-Datenbeständen
„ausgetauscht“ werden, wie es der Bundesinnenminister, Dr. Thomas de
Maizière, in einem Memorandum of Understanding (MoU) mit der US-Jus-
tizministerin Loretta Lynch festlegte, um auf diese Weise „Terroristen oder
Terrorverdächtige“ aufzuspüren (DIE WELT online vom 20. Mai 2016)?
a) Über welchen Kommunikationskanal werden die Anfragen gestellt?
b) Welchen deutschen und US-amerikanischen Behörden obliegt die Zustän-

digkeit für die Datenverarbeitung und Übertragung?
c) Wie wird sichergestellt, dass gemäß dem MoU in den USA nicht auch

solche US-Informationssysteme abgefragt werden, deren Nutzung das BMI
in der Vergangenheit als problematisch ansah und sich deshalb aus dem
Austausch zurückzog (etwa die vom US-Militär und INTERPOL aufge-
bauten Datensammlungen VENLIG und HAMAH, siehe Bundestagsdruck-
sache 18/1411)?

Drucksache 18/9076 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

d) Welche Angaben enthält das MoU hinsichtlich einer Datenspeicherung
der übermittelten Informationen, zur Datenübermittlung an Drittstaaten
sowie zum Auskunftsrecht für Betroffene?

15. Was ist der Bundesregierung über weitere US-Pläne zur „bessere[n] Nutzung
biometrischer Daten“ (darunter Gesichtsbilder und Fingerabdrücke) bekannt,
und inwiefern sind davon auch Einreisen aus EU-Mitgliedstaaten betroffen?

16. Was ist der Bundesregierung über Aufgaben und Arbeitsweise eines „Natio-
nal Security Center“ hinsichtlich der Sicherheit des Flugverkehrs bekannt?
a) Aus welchen Behörden setzt sich das „National Security Center“ zusam-

men?
b) In welchem Umfang werden von dem „National Security Center“ bei der

Ein- und Ausreise in die USA Passagierdaten verarbeitet?
c) Inwiefern werden dabei auch geheimdienstliche Datenbanken angefragt?
d) Inwiefern bzw. in welchen Kooperationsformen mit anderen Behörden ist

das „National Security Center“ auch am Flughafen Frankfurt am Main
tätig?

17. In welchen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Geldstrafe für
deutsche Fluggesellschaften verhängt, in denen diese die Passdaten ihrer
Passagiere wie im „Advance Passenger Information System“ (APIS) vorge-
schrieben nicht ausreichend überprüften (Bundestagsdrucksache 18/7262)?

18. Mit welchen Grenzschutzbehörden aus welchen OSZE-Teilnehmerstaaten
will die Bundesregierung als OSZE-Vorsitz ein „Aus- und Fortbildungspro-
jekt“ zum Austausch von API-Daten anregen, bzw. wann wird dieses Vorha-
ben vorgeschlagen (Bundestagsdrucksache 18/8975)?

19. Was ist der Bundesregierung über Diskussionen in Ratsarbeitsgruppen der
Europäischen Union bekannt, anstatt Anfragen in den USA zur Herausgabe
von Telekommunikationsdaten über die zuständigen Behörden stellen zu
müssen, (etwa über einen Kooperationsrichter) diese Ersuchen zukünftig di-
rekt bei den Diensteanbietern zu stellen?

20. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung mittlerweile zur Frage, inwie-
fern ein „Ein-/Ausreiseregister“ der Europäischen Union (EES) auch für
Drittstaatsangehörige mit längerfristiger Aufenthaltsberechtigung (Visum)
oder EU-Staatsangehörige ausgeweitet werden sollte (Bundestagsdrucksa-
che 18/7291)?

21. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern die Europäische
Kommission hierzu mit der Prüfung von juristischen oder technischen As-
pekten einer solchen Einbeziehung von Drittstaatsangehörigen oder EU-
Staatsangehörigen befasst ist oder wird?

22. Inwiefern und mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung im Rahmen
der Umsetzung der EU-PNR-Richtlinie (PNR: Passenger Name Record) die
Einbeziehung der „non-carrier economic operators“ mittlerweile geprüft,
bzw. wann soll eine solche Prüfung der „rechtlichen und wirtschaftlichen
Folgen“ abgeschlossen sein (Bundestagsdrucksache 18/7262)?
a) Welchen Sicherheitsgewinn bringt die Einbeziehung von „non-carrier

economic operators“ in den Anwendungsbereich der EU-PNR-Richtlinie
vor dem Hintergrund der mit der Einbeziehung verbundenen Belastungen
für die Betroffenen und dem erheblich vergrößerten Datenaufkommen,
und inwiefern ist dies aus Sicht der Bundesregierung verhältnismäßig und
damit vertretbar (Plenarprotokoll 18/129)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9076
 

b) Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, inwiefern in-
nereuropäische Flüge bei der deutschen Umsetzung der EU-PNR-Richtli-
nie verpflichtend oder aber als Option geregelt werden sollen?

c) Wann soll das Umsetzungsgesetz zur EU-PNR-Richtlinie vorliegen, bzw.
welcher Zeitplan ist für die Umsetzung anvisiert?

23. Was ist der Bundesregierung über den Stand der Verhandlungen der Europä-
ischen Kommission bzw. des Rates über die Weitergabe von auf Vorrat ge-
speicherten Fluggastdaten mit der mexikanischen Regierung bekannt, die ge-
droht hatte, ab dem 1. April 2015 europäische Airlines mit Strafzahlungen
zu belegen, wenn jene die gewünschten Personendaten nicht vor jedem Flug
an die zuständigen Grenzbehörden übermitteln, die Frist aber nach Eingaben
von mehreren Seiten auf den 1. Juli 2015 verschoben hat, da der EU-Kom-
missar für Migration, Inneres und Bürgerschaft Dimitris Avramopoulos ein
Verhandlungsmandat für ein EU-Mexiko-PNR-Abkommen in Aussicht
stellte (The Wall Street Journal vom 1. April 2015; Mitteilung des EU-Kom-
missars Dimitris Avramopoulos vom 27. März 2015)?
a) Inwiefern besteht die mexikanische Zollbehörde weiterhin auf die Ver-

pflichtung zur Übermittlung von PNR-Daten, welche Frist ist hierfür ge-
setzt, und welche Sanktionen werden angedroht?

b) Welche weiteren Länder fordern derzeit PNR-Daten vor An- oder Über-
flug ihres Territoriums?

Berlin, den 4. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.