BT-Drucksache 18/9025

Europäische Grenzsicherung jenseits des Mittelmeers

Vom 1. Juli 2016


 

Deutscher Bundestag Drucksache 18/9025
18. Wahlperiode 01.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, Annette Groth,
Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Kersten Steinke, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Europäische Grenzsicherung jenseits des Mittelmeers

Ein halbes Jahr nach dem Valletta-Gipfel fand am 21. Juni und 22. Juni 2016 ein
Valletta-Zwischenbilanztreffen statt. Eine Woche später wurde beim EU-Gipfel
ein Communiqué der Europäischen Kommission zur zukünftigen Planung ihrer
Migrationsagenda diskutiert (COM(2016) 385 final). Zudem fand Ende Juni 2016
ein Treffen des Lenkungsrats des Regionalvorhabens „Better Migration Manage-
ment“ statt – eines der bekanntesten und umstrittensten Projekte des EU-Treu-
handfonds (EUTF), der im Zuge des Valletta-Gipfels ins Leben gerufen wurde.
Aus diesem Anlass wollen sich die Fragesteller einen Überblick darüber verschaf-
fen, was im Rahmen der europäischen Grenzsicherung jenseits des Mittelmeers
aktuell finanziert und geplant wird. Von besonderem Interesse sind dabei Projekte
unter deutscher Beteiligung, die im Rahmen des sogenannten Migrationsmanage-
ments durchgeführt werden. Diese umfassen auch zwei Zentren in Agadez in
Niger, die mittlerweile ihre Arbeit aufgenommen haben; das „Multifunktions-
zentrum“ der International Organization for Migration (IOM) in Agadez
(www.iom.int/news/iom-niger-opens-migrant-information-office-agadez) sowie
eine Außenstelle der Mission EUCAP Sahel Niger (http://eucap-sahelniger.
faceniger.com/comit%C3%A9-de-pilotage/217-eucap-sahel-niger-%C2%AB-
bien-rod%C3%A9e-%C2%BB.html). Bereits seit dem Jahr 2009 führt die Deut-
sche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) zudem im
Rahmen des „Polizeiprogramms Afrika“ zahlreiche Maßnahmen zum Ausbau
zwischenstaatlicher Grenzen und zur Ausrüstung und Ausbildung von (Grenz-
)Polizei und Sicherheitskräften durch, zu denen es in der Vergangenheit bereits
kritische Nachfragen gab (Bundestagsdrucksache 18/5895).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Akteure waren nach Kenntnis der Bundesregierung am Valletta-

Zwischenbilanztreffen vom 21. Juni und 22. Juni 2016 beteiligt?
2. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Agenda und die Ergeb-

nisse des Treffens?
3. Wie wurden von den Teilnehmern des Treffens der EUTF und dessen bisher

anvisierte Projekte sowie der Aspekt der Rückführung diskutiert?
4. Welche Akteure waren nach Kenntnis der Bundesregierung am Treffen des

Lenkungsrats des Regionalvorhabens „Better Migration Management“ vom
30. Juni 2016 in Brüssel beteiligt?

Drucksache 18/9025 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

5. Was waren nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse des Treffens
(welche konkreten Maßnahmen wurden beschlossen, Zeitplan)?

6. Welche Sondierungsmissionen wurden im Rahmen des Regionalvorhabens
„Better Migration Management“ nach Kenntnis der Bundesregierung bisher
durchgeführt, und was sind die Ergebnisse dieser Missionen (z. B. welches
Material soll welchen Projektländern zur Verfügung gestellt werden)?

7. Warum beteiligt sich Deutschland mit 6 Mio. Euro Eigenmittel am Projekt
„Better Migration Management“?

8. Wer hat die GIZ als Koordinatorin des Projekts „Better Migration Manage-
ment“ vorgeschlagen, bzw. woher kam die Initiative, die GIZ mit dessen Lei-
tung zu beauftragen?

9. Was waren die Ergebnisse des Treffens zu den Themen Rückkehr, Rückfüh-
rung und Reintegration vom 30. Mai bis 1. Juni 2016 in Brüssel im Rahmen
des Rabat-Prozesses (siehe www.iom.int/sites/default/files/our_work/ICP/RCP/
2016/Calendar-of-RCP-Meetings-in-2016.pdf)?

10. Was waren die Ergebnisse des Treffens zu Menschenschmuggel vom
24. Mai bis 25. Mai 2016 in Khartum im Rahmen des Khartum-Prozesses
(siehe www.iom.int/sites/default/files/our_work/ICP/RCP/2016/Calendar-of-
RCP-Meetings-in-2016.pdf)?

11. Inwiefern decken sich die Vorschläge der Europäischen Kommission zu den
Prioritätsländern vom 7. Juni 2016 (COM(2016) 385 final, S. 8) mit den Vor-
stellungen der Bundesregierung?

12. Welche anderen oder zusätzlichen Prioritätsländer sollte es aus Sicht der
Bundesregierung geben (bitte mit Begründung der anderen/zusätzlichen Pri-
oritätensetzung für die jeweiligen Länder)?

13. Welche Maßnahmen führt die Europäische Union nach Kenntnis der Bun-
desregierung im Rahmen von EUCAP Sahel Niger konkret durch (bitte um
Aufschlüsselung, für welche Maßnahmen die zugesagten Budgetmittel seit
dem Jahr 2012 konkret verwendet wurden und welche Organisationen mit
der Durchführung der Maßnahmen beauftragt wurden)?

14. Welche Arbeit wird in der Außenstelle der Mission EUCAP Sahel Niger in
Agadez nach Kenntnis der Bundesregierung genau vorgenommen (bitte nach
Leistungen aufschlüsseln)?
Nach welchen Kriterien wird wann gemessen, ob die Arbeit ein Erfolg ist?

15. Inwiefern ist Deutschland bzw. die GIZ an EUCAP Sahel Niger seit dem Jahr
2012 beteiligt gewesen?

16. Welche Arbeit führt das Multifunktionszentrum der IOM in Agadez nach
Kenntnis der Bundesregierung genau durch (bitte nach Leistungen aufschlüs-
seln)?
Nach welchen Kriterien wird gemessen, ob die Arbeit ein Erfolg ist?

17. Wie viel Geld erhält die IOM für ihren Migrant Resource and Response
Mechanism (MRRM) und das Multifunktionszentrum in Agadez nach
Kenntnis der Bundesregierung von der Europäischen Union?

18. Inwiefern arbeiten die beiden Zentren/Stellen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in Agadez zusammen, bzw. worin besteht ihr Austausch?

19. Welche weiteren Lager für Migranten in Niger gibt es nach Kenntnis der
Bundesregierung?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9025
 

 

20. Welchen Charakter haben die IOM- und EUCAP-Lager?
Inwiefern sind sie nach Kenntnis der Bundesregierung offen (d. h. Migranten
können selbständig hinein und hinaus), oder inwiefern handelt es sich um
Internierungs- bzw. Haftlager?

21. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von Abschiebungen von Migran-
ten von Niger in die Herkunftsstaaten?
Inwiefern ist auch die zwangsweise Rückführung von Migranten aus Niger
Teil der von Deutschland bzw. der Europäischen Union finanzierten Pro-
jekte?

22. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Treuhand-
fondsprojekt „Entwicklung und lokale Governance für eine bessere Steue-
rung der Migrationsströme (Niger, 25 Mio. Euro)“ (siehe COM(2016) 385
final ANNEX 3) vor (was soll mit dem Geld genau finanziert werden, wer
leitet das Projekt, welche Organisationen sind daran beteiligt)?

23. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Treuhand-
fondsprojekt „Eindämmung irregulärer Migration in Nord- und Zentraläthi-
opien (20 Mio. Euro)“ (COM(2016) 385 final ANNEX 3) vor (was soll mit
dem Geld genau finanziert werden, wer leitet das Projekt, welche Organisa-
tionen sind daran beteiligt)?

24. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Treuhand-
fondsprojekt „Stärkung der Reaktionsbereitschaft Somalias auf die Steue-
rung und Integration von gemischten Migrationsströmen (50 Mio. Euro)“
(siehe COM(2016) 385 final ANNEX 3) vor (was soll mit dem Geld genau
finanziert werden, wer leitet das Projekt, welche Organisationen sind daran
beteiligt)?

25. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Treuhand-
fondsprojekt „Rapid Action Groups – Monitoring and Intervention in the
Sahel (GAR-SI SAHEL) (41,6 Mio. Euro)“ (http://europa.eu/rapid/press-
release_MEMO-16-2168_en.htm) vor (was soll mit dem Geld genau finan-
ziert werden, wer leitet das Projekt, welche Organisationen sind daran betei-
ligt)?

26. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Treuhandfondspro-
jekt „Addressing Mixed Migration Flows in Eastern Africa (6 Mio. Euro, DCI
GPGC) (Sudan)“ (siehe www.proasyl.de/news/deals-mit-despoten-wie-europa-
seine-werte-opfert-um-fluchtbewegungen-zu-verringern/) vor (was soll mit
dem Geld genau finanziert werden, wer leitet das Projekt, welche Organisa-
tionen sind daran beteiligt)?

27. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Treuhand-
fondsprojekt „Support for justice and security in Niger to fight organised
crime, smuggling and human trafficking (30 Mio. Euro)“ (http://europa.eu/
rapid/press-release_MEMO-16-2168_en.htm) vor (was soll mit dem Geld
genau finanziert werden, wer leitet das Projekt, welche Organisationen sind
daran beteiligt)?

28. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über das Vorhaben der
Europäischen Union vor, Kooperations-Plattformen zum Menschenschmug-
gel einzurichten, und welche Orte sind nach Kenntnis der Bundesregierung
als „Schlüsselorte“ (key locations) dafür vorgesehen (COM(2016) 385 final,
S. 8)?

29. Mit welchen afrikanischen Ländern sind Kooperationen zu einer Umsiedlung
(resettlement) von Vertriebenen vorgesehen (COM(2016) 385 final, S. 8
und 9) beschrieben, und nach welchen Kriterien soll eine Umsiedlung durch-
geführt werden?

Drucksache 18/9025 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

 

30. Welche Projekte werden seit dem Jahr 2014 im Rahmen der Sonderinitiative
„Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ des Bundesministeri-
ums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchge-
führt bzw. sind aktuell in Planung?

31. Welchen Vorteil bringt es nach Einschätzung der Bundesregierung mit sich,
Maßnahmen, die auf Fluchtursachenbekämpfung und Reintegration von
Flüchtlingen abzielen, in einer Sonderinitiative zu bündeln, wie es bei der
Initiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ der Fall ist?

32. Welche Abteilungen und Referate des BMZ sind an der Planung und Durch-
führung der Sonderinitiative beteiligt?

33. Welche strategische Rolle kommt der GIZ im Rahmen der Sonderinitiative
„Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ zu?

34. An welchen Projekten der Sonderinitiative ist die GIZ konkret beteiligt (bitte
Projekte samt Finanzvolumen und Projektbeschreibung auflisten)?

35. Was wurde nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des „Polizeipro-
gramms Afrika“ der GIZ an welche staatlichen (und eventuell nichtstaatli-
chen) Stellen geliefert (bitte gelieferte Sach- und Dienstleistungen nach Län-
dern, Material, finanziellem Umfang und Herstellern konkret aufschlüsseln)?

36. War bzw. ist die GIZ nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen des
„Polizeiprogramms Afrika“ oder anderer Projekte am Bau von Internierungs-
lagern etc. beteiligt (gewesen)?

37. Wurden die Maßnahmen des „Polizeiprogramms Afrika“ der GIZ nach Kenntnis
der Bundesregierung wie vorgesehen im Jahr 2015 abgeschlossen?

38. Ist eine Fortführung von Maßnahmen zur Unterstützung von (Grenz-)Polizei
oder Sicherheitskräften in afrikanischen Ländern durch die GIZ vorgesehen,
in Planung oder bereits in Umsetzung (z. B. im Rahmen des Regionalen Ak-
tionsplans für die Sahelzone 2015-2020, Ratsdokument 7823/15)?

39. Welche deutschen Unternehmen haben im Rahmen des „Polizeiprogramms
Afrika“ bzw. werden im Rahmen der aus dem EU-Treuhandfonds finanzier-
ten Projekte Material und Technik nach Afrika liefern?

Berlin, den 1. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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