BT-Drucksache 18/9022

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 18/6192 - Gleicher Zugang zur Bildung auch für Geflüchtete b) zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter-Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/7049 - Mehr Bildungsgerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft - Damit Herkunft nicht über Zukunft bestimmt

Vom 5. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9022
18. Wahlperiode 05.07.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach,
Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/6192 –

Gleicher Zugang zur Bildung auch für Geflüchtete

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Beate Walter-Rosenheimer,
Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/7049 –

Mehr Bildungsgerechtigkeit für die Einwanderungsgesellschaft –
Damit Herkunft nicht über Zukunft bestimmt

A. Problem
Zu Buchstabe a

Von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit werden sich laut Prognose der Bundes-
regierung im Jahr 2015 ca. eine Million in Deutschland aufhalten, davon etwa die
Hälfte im Alter von unter 25 Jahren und ein Drittel jünger als 18.

Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. trägt Deutschland eine Mitverantwor-
tung für viele Fluchtursachen und hat darüber hinaus auch als Mitunterzeichner
der UN-Kinderrechtskonvention die Pflicht, Flüchtlingen und insbesondere Kin-
dern und Jugendlichen einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung auf allen
Stufen zu ermöglichen.

Drucksache 18/9022 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Zu Buchstabe b

Deutschland ist nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein
Einwanderungsland mit einer vielfältigen sozialen, sprachlich-kulturellen, ethni-
schen und religiösen Gesellschaft. Im Jahr 2015 sind ca. eine Million Flüchtlinge,
davon etwa die Hälfte unter 25 Jahren, in Deutschland angekommen. Seit der
PISA-Studie von 2001 ist es immer noch nicht gelungen, die Abhängigkeit zwi-
schen sozialem Status der Eltern, Sprachkompetenz und Bildungserfolg der Kin-
der und Jugendlichen aufzubrechen. Dies gilt für Flüchtlinge und Einheimische
gleichermaßen. Integration kann nur auf der Basis guter Bildung gelingen. Viele
Bildungseinrichtungen sind jedoch noch nicht auf die Herausforderungen einer
Einwanderungsgesellschaft vorbereitet.

B. Lösung
Zu Buchstabe a

Die Bundesregierung soll u. a. aufgefordert werden,

ein Bund-Länder-Programm „Sofortmaßnahmen in der Bildung“ aufzulegen und
sich an der Finanzierung eines umfangreichen Maßnahmenbündels zur Förderung
einer gleichberechtigten Bildungsbeteiligung von Flüchtlingen zu beteiligen so-
wie einen rechtssicheren Aufenthalt während einer Ausbildung und eines Studi-
ums nach erfolgreichem Abschluss in Deutschland zu gewährleisten.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/6192 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE.
bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Die Bundesregierung soll u. a. aufgefordert werden, in Kooperation mit den Län-
dern eine bundesweite Bildungsoffensive mit einem geeigneten und umfassenden
Maßnahmenbündel für bessere Bildungschancen und mehr soziale Durchlässig-
keit im deutschen Bildungssystem zu starten und als rechtssichere Basis den Ent-
wurf für einen neuen Artikel 91b Absatz 2 Grundgesetz vorzulegen.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/7049 mit den Stimmen der Frak-
tionen CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Zu Buchstabe a

Annahme des Antrags auf Drucksache 18/6192.

Zu Buchstabe b

Annahme des Antrags auf Drucksache 18/7049.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9022

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 18/6192 abzulehnen;

b) den Antrag auf Drucksache 18/7049 abzulehnen.

Berlin, den 16. März 2016

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Cemile Giousouf
Berichterstatterin

Dr. Karamba Diaby
Berichterstatter

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

Drucksache 18/9022 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Cemile Giousouf, Dr. Karamba Diaby, Dr. Rosemarie Hein
und Özcan Mutlu

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/6192 in seiner 128. Sitzung am 2. Oktober 2015
beraten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung
sowie dem Innenausschuss und dem Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/7049 in seiner 153. Sitzung am 29. Januar 2016
beraten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung
sowie dem Innenausschuss zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Buchstabe a

Von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit werden sich laut Prognose der Bundesregierung im Jahr 2015 ca. eine
Million in Deutschland aufhalten, davon etwa die Hälfte im Alter von unter 25 Jahren und ein Drittel jünger als
18 Jahre.

Nach Auffassung der Fraktion DIE LINKE. trägt Deutschland eine Mitverantwortung an vielen Fluchtursachen
und hat darüber hinaus auch als Mitunterzeichner der UN-Kinderrechtskonvention die Pflicht, Flüchtlinge und
insbesondere Kindern und Jugendlichen einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung auf allen Stufen zu ermög-
lichen. Zurzeit stünden dem allerdings eine zügige Beschulung, hohe bürokratische Auflagen und fehlende räum-
liche und personelle Kapazitäten im Wege. Obwohl jugendliche Flüchtlinge über 16 Jahre nicht mehr der allge-
meinen Schulpflicht unterlägen, sollte ihnen die Chance eingeräumt werden, Schulabschlüsse nachzuholen. Das
Aufenthaltsrecht schließe Flüchtlinge über 21 Jahre an der Aufnahme einer Ausbildung aus. Die Fraktion
DIE LINKE. betont, dass sowohl junge Geflüchtete als auch Betriebe, die bereit wären, diese auszubilden, Pla-
nungssicherheit und eine Perspektive bräuchten.

Länder und Kommunen trügen bisher die finanzielle Hauptlast und seien angesichts wachsender Flüchtlingszah-
len völlig überfordert. Der Bund stehe daher in der Pflicht eines stärkeren politischen Engagements und einer
größeren Beteiligung an der Finanzierung notwendiger Maßnahmen für eine umfassende Bildungsbeteiligung von
Flüchtlingen. Dabei dürften keine Kosten-Nutzen-Berechnungen das Leitmotiv des Handelns sein, sondern die
Gewährung des Menschenrechts auf Bildung.

Vor dem Hintergrund soll die Bundesregierung u. a. aufgefordert werden, ein Bund-Länder-Programm „Sofort-
maßnahmen in der Bildung“ aufzulegen und sich an der Finanzierung eines umfangreichen Maßnahmenbündels
zur Förderung einer gleichberechtigten Bildungsbeteiligung von Flüchtlingen zu beteiligen sowie einen rechtssi-
cheren Aufenthalt während einer Ausbildung und eines Studiums und nach erfolgreichem Abschluss zu gewähr-
leisten.

Ferner sollen das Arbeitsverbot gemäß § 33 Beschäftigungsverordnung für Geduldete, insbesondere für Minder-
jährige ab einem Alter von 16 Jahren, wie auch die Altersobergrenze von 21 Jahren für die Aufnahme einer qua-
lifizierenden Ausbildung aufgehoben werden.

Schließlich soll allen Geflüchteten, die einen Asylantrag nach dem Asylverfahrensgesetz gestellt haben, ein
gleichberechtigter Zugang zur Bundesausbildungsförderung sowie zur Berufsausbildungsbeihilfe nach einem
dreimonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet gewährt werden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/9022

Zuletzt sollen die BAMF-Sprachkurse für alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete geöffnet,
erweiterte Möglichkeiten zur Verlängerung der Kursteilnahme und ein Kursangebot geschaffen werden, mit dem
die Sprachkompetenzen auf das Niveau B 1 angehoben werden.

Zu Buchstabe b

Deutschland ist nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Einwanderungsland mit einer
vielfältigen sozialen, sprachlich-kulturellen, ethnischen und religiösen Gesellschaft. Den Bildungseinrichtungen
komme die Aufgabe zu, alle Kinder und Jugendlichen entsprechend ihren Potenzialen optimal zu fördern. Im
Jahr 2015 seien ca. eine Million Flüchtlinge, davon etwa die Hälfte unter 25 Jahren, in Deutschland angekommen.
Seit der PISA-Studie von 2001 sei es immer noch nicht gelungen, die Abhängigkeit zwischen sozialem Status der
Eltern, Sprachkompetenz und Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen aufzubrechen. Dies gelte für Flücht-
linge und Einheimische gleichermaßen. Integration könne aber nur auf der Basis guter Bildung gelingen. Viele
Bildungseinrichtungen seien nach Ansicht der Antragsteller jedoch noch nicht auf die Herausforderungen einer
Einwanderungsgesellschaft vorbereitet. Zur Vorbereitung auf ein Leben in Vielfalt gehörten Interkulturelle Bil-
dung, vermittelt durch ein vielfältiges und mit den notwendigen Schlüsselqualifikationen ausgestattetes pädago-
gisches Personal. Es fehlten jedoch in den Städten und Kommunen Willkommensklassen, Kitaplätze und qualifi-
zierte Lehrkräfte sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Eine besondere Bedeutung für eine gute Integra-
tion seien sowohl ein früher und nachhaltiger Erwerb der deutschen Sprache als auch die weitere Förderung der
Herkunftssprache.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordere daher eine bundesweite Bildungsoffensive von Bund und
Ländern für bessere Bildungschancen und mehr soziale Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem, eine deut-
lichere Unterstützung der Sprachbildung in allen Bildungsphasen, Menschen mit Migrationshintergrund als Kul-
turmittler und Kulturmittlerinnen zu fördern und an Bildungseinrichtungen einzusetzen und eine gezielte Unter-
stützung für geflüchtete junge Menschen beim Übergang von der Schule in die Ausbildung.

Die Bundesregierung solle gleichzeitig als rechtssichere Basis für die Kooperation von Bund und Ländern den
Entwurf eines neuen Artikels 91b Absatz 2 Grundgesetz vorlegen.

Darüber hinaus solle die Bundesregierung auch aufgefordert werden, in Zusammenwirken mit den Ländern die
Sprachbildung stärker zu unterstützen und in allen Bildungsphasen zu verankern sowie mit geeigneten Maßnah-
men die Ausbildungsvoraussetzungen von geflüchteten jungen Menschen, wie auch für andere junge Menschen
ohne Schulabschluss zu verbessern.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der mitberatende Innenausschuss und der Haushaltsausschuss haben jeweils in ihren Sitzungen am
16. März 2016 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Druck-
sache 18/6192 abzulehnen.

Zu Buchstabe b

Der mitberatende Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 16. März 2016 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfoh-
len, den Antrag auf Drucksache 18/7049 abzulehnen.

Drucksache 18/9022 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat am 24. Februar 2016 zu dem Antrag
auf Drucksache 18/6192 sowie dem Antrag auf Drucksache 18/7049 ein öffentliches Fachgespräch zum Thema
„Bildung in der Einwanderungsgesellschaft“ mit den nachfolgend genannten Sachverständigen durchgeführt:

– Dr. Volker Born, Abteilungsleiter Berufliche Bildung, Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), Ber-
lin

– Dr. Nora von Dewitz, Bund-Länder-Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“, Mercator-Institut für
Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, Universität zu Köln I Triforum, Köln

– Thiemo Fojkar, Vorsitzender des Vorstandes Internationaler Bund (IB), Freier Träger der Jugend-, Sozial- und
Bildungsarbeit e. V., Zentrale Geschäftsführung, Frankfurt a. M.

– Dr. Mohini Lokhande, Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration GmbH, Berlin

– Dr. Dorothea Rüland, Generalsekretärin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes e. V. (DAAD), Ber-
lin

– Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH, Berlin

– Marlis Tepe, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Frankfurt a. M.

– Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan, Professor für Moderne Türkeistudien und Integrationsforschung, Fakultät für
Geisteswissenschaften, Universität Duisburg-Essen, Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Türkeistudien
und Integrationsforschung, Essen

Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen von fünf Sachverständigen wurden als Ausschussdrucksa-
chen 18(18)194 a – e verteilt und auf der Webseite des Ausschusses veröffentlicht. Die Ergebnisse des Fachge-
sprächs sind in die Schlussberatung des Ausschusses mit einbezogen worden.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat die Vorlagen in seiner 61. Sitzung
am 16. März 2016 abschließend beraten und empfiehlt:

Zu Buchstabe a:

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/6192 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b:

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/7049 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion DIE LINKE. führt zur Begründung ihres Antrags aus, seit dem Sommer 2015 sei deutlich gewor-
den, dass die bildungspolitischen Rahmenbedingungen für einen angemessenen Umgang mit geflüchteten Kin-
dern und Jugendlichen weder im Bund noch in den Ländern und Kommunen in ausreichender Weise vorhanden
seien. Die Fraktion habe zwar positive Zeichen in Bezug auf die Förderung der beruflichen Bildung wahrgenom-
men, sie sehe aber fehlende Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung. Mit den neuerlichen Asylbe-
stimmungen würden zudem die Chancen der Geflüchteten auf Bildung deutlich verschlechtert und die Zeiten in
den Erstaufnahmeeinrichtungen verlängert.

Während einer Reise nach Schweden habe eine Delegation des Ausschusses erfahren, dass dort Geflüchtete be-
reits nach ein oder zwei Monaten Zugang zu Bildungseinrichtungen bekämen und der gemeinsame Unterricht mit
Kindern aus unterschiedlichen Herkunftsländern durchaus erfolgsversprechend sei, da viele Lehrer selbst einen
Migrationshintergrund hätten.

Die Fraktion DIE LINKE. betont, dass sich das gesamte Bildungssystem in Deutschland den veränderten Ver-
hältnissen trotz bestehender Vorbehalte oder Ängste anpassen müsse und sie separate Lösungen für Kinder mit
Migrationshintergrund oder Geflüchtete ablehne.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/9022

Sie führt aus, dass seitens der Wirtschaft die Bereitschaft zu helfen groß sei; in überbetrieblichen Ausbildungs-
einrichtungen würde beispielsweise zusätzliches Personal für Auszubildende mit Migrationshintergrund einge-
stellt. Es fehlten allerdings sowohl auf Seiten der Betriebe und Einrichtungen als auch der Geflüchteten die Rah-
menbedingungen und Sicherheiten für eine nachhaltige Förderung.

Die Zuständigkeit für die Bildung in einer Einwanderungsgesellschaft erstrecke sich nicht nur auf Länder und
Kommunen, da das Recht auf Bildung entsprechend der UN-Menschenrechtskonvention auch durch die Bundes-
republik Deutschland ratifiziert worden sei. Alle Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland hätten z. B.
einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Dies sei zurzeit nicht gewährleistet. Der Antrag ziele aber nicht auf
eine alleinige Zuständigkeit des Bundes, sondern auf eine Kooperation zwischen Bund und Ländern.

Die Fraktion DIE LINKE. konstatiert, dass der Antrag - würde er heute gestellt – nicht nur fordere, Deutsch als
Zweitsprache stärker zu fördern, sondern auch die Bedeutung der Muttersprache der Geflüchteten für eine gelin-
gende Integration stärker berücksichtigt werden müsste.

Dem vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimme die Fraktion DIE LINKE. zu, weil
sie die Gesamtrichtung für richtig halte, das gesamte Bildungssystem in den Blick zu nehmen und nicht einzelne
Gruppierungen separat zu fördern. Heterogenität und Multikulturalität böten Chancen für bessere Bildungsleis-
tungen und eine bessere Integration. Sie kritisiere allerdings die Forderung der Ausweitung der Jobcenter auf
Jugendberufsagenturen aufgrund von bisher eher mäßigen Erfolgen dieser Einrichtungen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist auf das Fachgespräch im Ausschuss und nationale sowie in-
ternationale Studien hin, die die in Deutschland herrschende Bildungsungerechtigkeit aufgezeigt hätten. Betroffen
seien vorwiegend Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch deutsche Arbeiterkinder. Die Höhe des elter-
lichen Einkommens sei immer noch für die Bildungschancen der Kinder ausschlaggebend.

Die Antragsteller weisen auf den kommenden Gipfel in Brüssel hin, wo mit der Türkei über ein Hilfspaket in
Höhe von 6 Mrd. Euro für Bildung und Integration von Flüchtlingen in der Türkei verhandelt werde. Sie betonen,
dass diese Maßnahmen für Bildung und Integration von Flüchtlingen in der Türkei richtig und angemessen seien.
Jedoch müsste derselbe Anspruch auch in Deutschland für die bereits im letzten Jahr in Deutschland angekom-
menen 300.000 bis 400.000 Flüchtlingen unter 25 Jahre gelten. Die Fraktion sehe noch nicht alle Möglichkeiten
der Förderung dieses Personenkreises ausgeschöpft und lehne es angesichts der Bedeutung des Problems ab, wenn
der Bund diesbezüglich auf die Länderhoheit verweise.

Der Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehe über den Antrag der Fraktion DIE LINKE. hin-
aus, da er sich nicht nur auf die Geflüchteten konzentriere, sondern Bildungsgerechtigkeit auf allen Bildungsstufen
für alle Menschen mit einer Migrationsgeschichte im Blick habe. Dies solle erreicht werden durch eine Stärkung
der Bildungsinstitutionen und der interkulturellen Bildung in der Lehrerausbildung sowie die Einstellung von Er-
ziehern und Lehrkräften mit interkulturellen Kompetenzen oder mit einem Migrationshintergrund, die damit als
„Brückenbauer“ wirken könnten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betont, dass im Sinne der Förderung einer friedlichen Koexistenz eine
gute und interkulturelle Bildung für alle Kinder und Jugendliche notwendig sei. Sie fragt, warum es nicht gelungen
sei, denjenigen jungen Menschen, die sich aus Deutschland kommend, dem IS angeschlossen hätten und bereit
seien, in Syrien zu kämpfen, humanitäre Werte zu vermitteln.

Die Fraktion bitte daher um Zustimmung zu ihrem Antrag und werde sich beim Antrag der Fraktion DIE LINKE.
der Stimme enthalten, da er sich nur auf einen einzigen Bereich fokussiere.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wird mit Blick auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE. und ihre Aus-
führungen im Ausschuss festgestellt, es sei fahrlässig anzudeuten, dass die föderalen Strukturen in Deutschland
mitverantwortlich für aktuelle Probleme bei der Integration von Migrantinnen und Migranten seien. In Deutsch-
land würden Flüchtlingskinder nicht zum ersten Mal beschult, und es stehe ihnen offen, in Willkommensklassen
aufgenommen zu werden. Die Situation an Schulen in Berlin zeige z. B, dass die Zuweisung von zusätzlichen
Lehrern funktioniere. Eine Verstärkung von „Deutsch als Fremdsprache“ und der „interkulturellen Pädagogik“ in
der Lehrerausbildung sei natürlich erstrebenswert. In vielen Bundesländern, namentlich in NRW, gebe es etliche
Kampagnen, mit denen für Lehrer mit Migrationshintergrund geworben werde. Die Fraktion sehe aber keinen
Grund, warum der Bund diesbezüglich zusätzlich eingreifen sollte. Es gebe auch bereits entsprechende Gremien,
wie die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Eckpunkte zum Schwerpunkt „Bildung“ erarbeite, und den Beschluss

Drucksache 18/9022 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

der Bundeskanzlerin und Regierungschefs der Länder zur Asyl- und Flüchtlingspolitik im letzten Jahr. Die Länder
hätten zugesagt, die für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse zuständigen Stellen und die Zentral-
stelle für das ausländische Bildungswesen angemessen auszustatten.

Die Assistierte Ausbildung sei für anerkannte Flüchtlinge und Geduldete geöffnet worden. Geduldete seien wäh-
rend ihrer Ausbildung vor einer Abschiebung bewahrt, und sie könnten BAföG beantragen, sodass sie die Instru-
mente und Möglichkeiten der Arbeitsmarktintegration nutzen könnten. Entsprechend dem im September 2015
von der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentenkonferenz gebilligten Gesetzesentwurf hätten auch geflüch-
tete Kinder einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagesstätte ab dem
vollendeten ersten Lebensjahr. Die Umsetzung des Gesetzes liege aber bei den Kommunen und Städten.

Die Fraktion der CDU/CSU betont, dass für geduldete Jugendliche und Heranwachsende, die eine Ausbildung bis
zur Vollendung des 21. Lebensjahres aufnähmen oder aufgenommen hätten, die Abschiebung ausgesetzt sei und
damit eine Duldung für die gesamte Dauer der Berufsausbildung erteilt werden könnte. Dies gebe jungen Flücht-
lingen und Betrieben während des laufenden Asyl- und Anerkennungsverfahrens Perspektiven und Planungssi-
cherheit.

Zu den Ausführungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN antwortet die Fraktion der CDU/CSU, in Bezug
auf die Gefährdung von jungen Erwachsenen durch den IS, dass die unionsgeführte Bundesregierung den islami-
schen Religionsunterricht im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz in die Wege geleitet habe und die CDU-
geführten Länder den islamischen Religionsunterricht an den Schulen eingeführt hätten. Es sei auch der Politik
der CDU/CSU zu verdanken, dass die islamische Theologie an den Hochschulen etabliert worden sei, um musli-
mische Imame in Deutschland auszubilden.

Die im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufgeführten Forderungen für die Bereiche Kita,
Schule, Berufsschule und Hochschule fielen in die Hoheit der Länder, was allerdings nicht ausschließe, dass sich
nicht auch der Bund mit dem Thema befasse.

Abschließend kritisiert die Fraktion der CDU/CSU, dass die bisher erzielten Integrationsmaßnahmen und -erfolge
in den Anträgen nicht angesprochen worden seien und damit zu einer großen Verunsicherung in Deutschland
beitrügen. Seit PISA hätten Menschen mit Migrationshintergrund eine hohe Bildungsaspiration und machten gute
Fortschritte.

Die Fraktion der SPD führt aus, dass die Intentionen der vorliegenden Anträge der Oppositionsfraktionen vor
dem Hintergrund der Anhörung vom 24.02.2016 zum Thema „Bildung in der Einwanderungsgesellschaft“ gut zu
verstehen seien. Die Fraktion DIE LINKE. unterstelle mit ihrem Antrag aber, dass von Seiten der Koalitionsfrak-
tionen und der Bundesregierung bisher keinerlei Maßnahmen im Bereich Bildungszugang für Geflüchtete getrof-
fen worden seien. Um dies zu widerlegen, wird beispielhaft auf die Maßnahmen in den Bereichen Hochschule,
Ausbildung, Handwerk, Sprachkurse und auf die Schaffung von 16 Stellen bei der ZAB hingewiesen. Es bestehe
außerdem Einigkeit darin, dass alle Bildungseinrichtungen gezielt personell, strukturell und finanziell unterstützt
werden müssten. Auf Bundesebene sei auch im Bereich der Kitas vieles auf den Weg gebracht worden. Der Bund
habe allerdings in vielen Bereichen, die von der Fraktion DIE LINKE. in ihrem Antrag angesprochen worden
seien, keine Kompetenzen. Daher lehne die Fraktion der SPD den Antrag ab.

Im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werde Deutschland als Einwanderungsland gesehen und
vor dem Hintergrund alle Bildungsbereiche im Hinblick auf Geflüchtete und Migranten betrachtet. Die Fraktion
der SPD teile viele Ergebnisse der allgemeinen Beschreibung der Lage und verweise erneut auf die bereits ver-
einbarten Maßnahmen, wie eine Förderung durch das BAföG, den Kita-Ausbau und die Assistierte Ausbildung.
Die Fraktion der SPD stellt jedoch auch klar, dass erst in zehn bis zwanzig Jahren die Erfolge richtiger Entschei-
dungen sichtbar würden.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/9022

Von daher lehne sie auch den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab mit der Begründung, dass
bereits viele notwendige Maßnahmen im Kompetenzbereich des Bundes eingeleitet und durchgeführt worden
seien.

Berlin, den 16. März 2016

Cemile Giousouf
Berichterstatterin

Dr. Karamba Diaby
Berichterstatter

Dr. Rosemarie Hein
Berichterstatterin

Özcan Mutlu
Berichterstatter

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