BT-Drucksache 18/9021

Freihandel mit Mexiko und Menschenrechte

Vom 27. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9021
18. Wahlperiode 27.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen,
Inge Höger, Andrej Hunko, Michael Leutert, Niema Movassat und der
Fraktion DIE LINKE.

Freihandel mit Mexiko und Menschenrechte

Die laufenden Verhandlungen über ein reformiertes Freihandelsabkommen, das
seit dem Jahr 2000 geltende „Globalabkommen“, zwischen der EU einerseits und
dem mexikanischen Staat andererseits werden nach bereits bekannten Informati-
onen erhebliche Auswirkungen auf den bilateralen Handel und die sozialpoliti-
schen Kompetenzen der mexikanischen Seite haben. Fachorganisationen wie das
in Berlin ansässige Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateiname-
rika e. V. (FDCL), das Bischöfliche Hilfswerk MISEREOR e. V. oder die Hilfs-
organisation Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst weisen mit
zunehmender Vehemenz auf wahrscheinliche Einschränkungen für die mexika-
nische Seite hin, unter anderem durch die wachsende Macht von Konzernen durch
Investor-Staat-Schiedsverfahren oder die Festlegung von Marktliberalisierungen
(www.fdcl.org/wp-content/uploads/2015/09/Fact-Sheet-Handel-und-MR-Mexiko_
web.pdf).
Zugleich sind schon jetzt industrielle Projekte in Mexiko eine Hauptursache po-
litischer Konflikte und gewaltsamer Auseinandersetzungen. Dokumentiert wur-
den solche Dispute etwa bei großangelegten Windkraftprojekten im Süden des
Landes. In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 18/8303 geht die Bundesregierung auf dieses Engagement
ein. Im Folgenden werden weitere Details erfragt, um eine mögliche Mitverant-
wortung deutscher Akteure bei der Verletzung von Menschenrechten verlässlich
erörtern zu können.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Entwicklungspolitische Zusammenarbeit
1. Welche konkreten Inhalte haben die forstwirtschaftlichen Investitionspro-

jekte in den mexikanischen Bundesstaaten Chihuahua, Durango, Oaxaca,
Puebla und Veracruz (siehe Bundestagsdrucksache 18/8303)?

2. Welche konkreten Inhalte hat das Projekt „Gerechter Vorteilsausgleich bei
der Nutzung biologischer Vielfalt in den Bundesstaaten Yucatán und Oaxaca“,
und in welchen Teilregionen wird es umgesetzt (siehe Bundestagsdrucksache
18/8303)?

3. Welche Inhalte hat das Projekt „Mainstreaming von Biodiversität in der me-
xikanischen Landwirtschaft“ (siehe Bundestagsdrucksache 18/8303)?

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4. In welcher Weise werden die Eigentümer der Besitztitel betroffener Liegen-
schaften in je welchen Stadien von forst-, energiewirtschaftlichen oder sons-
tigen Projekten unter deutscher Beteiligung einbezogen?

5. Welche sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen, Opferverbände und
Menschenrechtsorganisationen, die in das Projekt „Förderung des Rechts-
staats in Mexiko“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammen-
arbeit (GIZ) GmbH einbezogen wurden bzw. qualifiziert werden sollen (bitte
einzeln auflisten)?

6. An welchem Windpark (Name und Region in Oaxaca) ist die DEG – Deut-
sche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH im Rahmen einer Ge-
meinschaftsfinanzierung mit der Internationalen Finanzgesellschaft (IFC) und
der Inkasso-Außendienst Deutschland Betriebsgesellschaft mbH (IADB) be-
teiligt?

7. Liegt dieser Windpark in einer Region, in der die indigene Bevölkerung
vorab befragt werden muss (consulta indígena)?

8. Welche konkreten „umfangreichen Verbesserungsmaßnahmen“ (Bundestags-
drucksache 18/8303) wurden ergriffen (bei Kompensationszahlungen bitte
Anzahl der Fälle und Höhe der Kompensationen angeben)?

9. Wie und in welchen Sprachen sind die Beschwerdestellen der Durchfüh-
rungsorganisationen GIZ, DEG und KfW zu erreichen?

10. Hat die Bundesregierung im Zuge der Entwicklung bilateraler Projekte im
mexikanischen Veracruz gegenüber den mexikanischen Behörden angesichts
des Umstandes, dass dieser Bundesstaat die höchste Anzahl an ermordeten
Journalisten aufweist, darauf hingewirkt, dass entsprechende Schutzmaßnahmen
für Vertreter der Presse ergriffen werden, und wenn ja, auf welche Art (http://
radio.uchile.cl/2016/02/11/mexico-17-periodistas-asesinados-en-veracruz)?

II. Menschenrechte und bilaterale Beziehungen
11. Inwiefern werden die schwerwiegenden Verletzungen von Menschenrechten

in Mexiko und die Ermordung von Journalisteninnen und Journalisten im
Rahmen der Veranstaltung „Mediendialog Journalismus“ und/oder anderer
Programmpunkte aufgearbeitet?

12. Was verleitet die Bundesregierung zu der Annahme, dass dies angesichts von
60 000 Toten zwischen 2007 und 2012 (www.amnestyusa.org/research/reports/
annual-report-mexico-2013) sowie offiziell 27 659 Verschwundenen (www.
sz-online.de/nachrichten/die-verschwundenen-kinder-3398261.html?desktop=
true) ein adäquater Umgang mit dem Thema der schwerwiegenden Men-
schenrechtsverletzungen in Mexiko ist?

13. Wie geht die Bundesregierung mit dem Umstand um, dass die Generalstaats-
anwaltschaft Mexikos (PGR) nachweislich daran beteiligt war, im Fall der
43 im Jahr 2014 verschleppten und seither verschwundenen Studenten die
Ermittlungen zu behindern, indem sie die Version der Regierung Enrique
Peña Nietos stützte und andere Hinweise außer Acht ließ (www.mexiko-
koordination.de/downloadarchiv/aide-memoires/194-mexikotagung-13-04-
2016/file.html)?

14. In welcher Höhe finanziert die Bundesregierung das Deutschlandjahr in
Mexiko?
a) Welche finanzielle Ausstattung hat der darin enthaltene „Matching Fund“,

und zu welchem Anteil wurde dieser Fonds bereits ausgeschöpft?
b) Was genau wurde/wird mit dem „Matching Fund“ finanziert?

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15. Ist die Antwort der Bundesregierung zu Frage 22 der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 18/8303 so zu verstehen, dass eine Förderung von
Personen in staatlichen Strukturen Mexikos, die in die organisierte Krimina-
lität verstrickt sind, durch deutsche Partnerprogramme nicht auszuschließen
ist, und wenn nein, weshalb nicht?

16. Welche Organisationen werden im Rahmen der „Initiative zur Stärkung der
mexikanischen Zivilgesellschaft“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert (bitte einzeln auflisten)?

17. In welchen Aspekten und/oder Funktionsmechanismen unterscheidet sich
die Menschenrechtsklausel im sogenannten Globalabkommen zwischen der
EU und Mexiko von der Suspendierungsklausel, auf welche die Bundesre-
gierung Medienberichten zufolge bei den Verhandlungen über ein Abkom-
men über Zusammenarbeit und politischen Dialog zwischen der EU und
Kuba bislang bestanden hat (www.presseportal.de/pm/59019/3350917)?

18. Hat sich die Bundesregierung in den ursprünglichen Verhandlungen mit
Mexiko um die Etablierung des Globalabkommens mit der EU, das seit dem
Jahr 2000 in Kraft ist, für eine Suspendierungsklausel eingesetzt, um die Ver-
handlungen bei schweren Menschenrechtsverletzungen aussetzen zu können?
a) Hat sich die Bundesregierung in den Verhandlungen um eine Erneuerung

dieses Abkommens für eine Suspendierungsklausel eingesetzt, zu dem in-
zwischen die in Frage 12 aufgeführten Entwicklungen dokumentiert wur-
den?

b) Hat sich die Bundesregierung im Laufe der genannten Verhandlungsrun-
den um einen Ausstieg aus und/oder eine Suspendierung der Verhandlun-
gen mit Mexiko eingesetzt, und wenn ja, wann in welcher Form?

19. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass eine Menschenrechtsklausel
im Globalabkommen zwischen der EU und Mexiko ohne verbindliche Rege-
lungen ihr Ziel erfüllt?

III. Rüstungsexporte
20. Auf welche Güter bezogen sich die 22 für Mexiko genehmigten Rüstungsex-

porte im Jahr 2015 (bitte einzeln auflisten)?
21. Auf welche Dual-Use-Güter bezogen sich die 195 für Mexiko genehmigten

Rüstungsexporte im Jahr 2015 (bitte einzeln auflisten)?
22. Wie hat die Bundesregierung drei Negativbescheide für Rüstungsexporte im

gleichen Zeitraum begründet?
23. Auf welche Güter bezogen sich die zehn für Mexiko genehmigten Rüstungs-

exporte zwischen dem 1. Januar und dem 17. April 2016 (bitte einzeln auf-
listen)?

24. Auf welche Dual-Use-Güter bezogen sich die 67 für Mexiko genehmigten
Rüstungsexporte zwischen dem 1. Januar und dem 17. April 2016 (bitte ein-
zeln auflisten)?

25. Wie hat die Bundesregierung einen Negativbescheid für Exporte von Dual-
Use-Gütern im gleichen Zeitraum begründet?

IV. Globalabkommen EU – Mexiko
26. Welche Dienstleistungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung ggf. von

den Verhandlungen ausgenommen?

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27. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Dienstleistungen in den Berei-
chen Wasser, Bildung, Gesundheit und Sozialdienste ausgenommen, um die
sozialpolitische Handlungsfähigkeit vor allem in den von Armut betroffenen
Gebieten im Süden des Landes zu sichern?

28. Plant die EU nach Kenntnis der Bundesregierung im Kapitel über Investiti-
onsschutz des neuen Globalabkommens mit Mexiko präzise Bestimmungen
zum Schutz vor direkter und indirekter Enteignung, und wie sind diese bei-
den Bereiche jeweils definiert?

29. Plant die EU nach Kenntnis der Bundesregierung im Kapitel über Kapital-
verkehr und Zahlungen des neuen Globalabkommens mit Mexiko die voll-
ständige Liberalisierung der laufenden Zahlungen und des Kapitalverkehrs,
und welche einschränkende Wirkung hätte hier eine Stillhalteklausel?
Welche Ausnahmeregelungen sind in diesem Bereich geplant?

30. Welche konkreten Bestimmungen zur Bekämpfung und Verhinderung von
Korruption sind nach Kenntnis der Bundesregierung geplant, und gibt es da-
bei einschränkende Spezifizierungen, etwa in Bezug auf Bereiche, in denen
Korruption einen Schaden provoziert?

31. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung verbindliche Maßnahmen zur Ma-
ximierung der positiven und Minimierung der negativen ökologischen und
sozialen Auswirkungen geplant – in diesem Fall bitte detailliert auflisten –,
oder werden solche Maßnahmen nur in Betracht gezogen?

32. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung ein Mechanismus geplant, der die
Überwachung der Umsetzung von Bestimmungen zum Schutz von nachhal-
tiger Entwicklung sowie Streitfälle in diesem Bereich regelt?
a) Wie wird dieser Mechanismus funktionieren?
b) Werden daran Organisationen der Zivilgesellschaft beteiligt sein?
c) Wie wird die Auswahl dieser Organisationen stattfinden?

33. Welche Möglichkeiten hätte der mexikanische Staat nach Inkrafttreten des
reformierten Globalabkommens, die Privatisierung der Erdöl- und Erdgasin-
dustrie rückgängig zu machen?

34. Welche deutschen Energieunternehmen sind in Mexiko nach Kenntnis der
Bundesregierung aktiv?

35. Wie unterstützt die Bundesregierung die Etablierung deutscher Energieun-
ternehmen auf dem mexikanischen Markt?

36. Teilt die Bundesregierung die Einstufung von Erdgas – auch bei Gewinnung
durch hydraulische Frakturierung („Fracking“) – als „saubere Energie“ (www.
diputados.gob.mx/LeyesBiblio/pdf/LTE.pdf; www.jornada.unam.mx/2015/
12/02/economia/031n3eco)?

37. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass einschlägige Regelungen der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur vorherigen Konsultation indi-
gener Bevölkerungsgruppen bei Planung und Durchführung bi- oder multi-
lateraler Projekte – vor allem im Rahmen von Staat-Investor-Schiedsverfah-
ren – als Investitionshindernis gewertet und sanktioniert werden?

Berlin, den 24. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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