BT-Drucksache 18/9020

Menschenrechtssituation in Westpapua/Indonesien

Vom 1. Juli 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/9020
18. Wahlperiode 01.07.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Annette Groth, Wolfgang Gehrcke,
Christine Buchholz, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko und der
Fraktion DIE LINKE.

Menschenrechtssituation in Westpapua/Indonesien

Innerhalb der letzten vier Jahrzehnte wurden nach verschiedenen Schätzungen
zwischen mehreren 10 000 und über 100 000 indigene Papuas durch indonesische
Militärs und Sicherheitskräfte getötet (www.tapol.org/sites/default/files/sites/
default/files/pdfs/NeglectedGenocideAHRC.pdf, www.europarl.europa.eu/sides/
getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2014-0093+0+DOC+PDF+
V0//EN).
Die Zivilbevölkerung ist Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte
bis heute weitgehend schutzlos ausgesetzt. Restriktive Einreisebedingungen in
die Region verunmöglichen zudem eine kritische Berichterstattung über die Men-
schenrechtslage der indigenen Bevölkerung. So wird die Zivilbevölkerung in
Westpapua immer wieder Opfer von willkürlichen Festnahmen, Bedrohungen
durch Geheimdienst oder Sicherheitskräfte, Folter, außergerichtlichen Tötungen,
gewalttätigen Razzien und Vertreibung. Vor diesem Hintergrund empfahl die
deutsche Vertretung im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf schon
im Jahr 2012 während des letzten Universal Periodic Review – Indonesia indo-
nesische Staatsbeamte aller Ränge, die Menschenrechtsverletzungen in Westpa-
pua verüben, zur Verantwortung zu ziehen. Bis heute konnten jedoch weder in-
terne polizeiliche Beschwerdeverfahren noch die Militärgerichtsbarkeit der ho-
hen Straflosigkeit unter Sicherheitskräften Einhalt gebieten. Im Gegenteil schei-
nen die Menschenrechtsverletzungen anzuhalten. Menschenrechtsorganisationen
beobachten eine alarmierende Zunahme von Festnahmen. So kam es am 2. Mai
2016 bei mehreren friedlichen Demonstrationen für einen Unabhängigkeitspro-
zess in verschiedenen Teilen Westpapuas sowie an anderen Orten Indonesiens
zu mindestens 1 737 Festnahmen (www.humanrightspapua.org/news/193-urgent-
appeal-unlawful-mass-arrests-of-at-least-1-783-west-papuans-in-april-and-may-
2016).
Ungeachtet dieser schwerwiegenden Verstöße gegen die allgemeinen Menschen-
rechte hat die Bundesregierung unter anderem im Jahr 2013 den Export von Pan-
zern und Munition an das indonesische Heer genehmigt. Unter den Panzern be-
finden sich auch Modelle, die sich für den Einsatz in urbanen Gebieten eignen
und somit gegen die Bevölkerung eingesetzt werden können.
Vom 18. bis zum 21. September 2015 besuchte der Bundestagsabgeordnete und
damalige Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und huma-
nitäre Hilfe Christoph Strässer Indonesien, um sich mit Regierungsvertretern und
Gesprächspartnern aus Religion und Zivilgesellschaft zu treffen. Dabei reiste
Christoph Strässer auch in die entlegene Konfliktregion Westpapua, wo er sich

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mit Menschenrechtsorganisationen sowie dem Gouverneur der Provinz Papua, ei-
nem Friedensaktivisten vom Papua Friedensnetzwerk JDP, einem Medienaktivis-
ten der Allianz Unabhängiger Journalisten AJI (Papua Sektion) sowie mit einem
Vertreter der Nationalen Menschenrechtskommission Komnas HAM in Papua
traf.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat der damalige Bundesbeauftragte für Menschen-

rechte und humanitäre Hilfe auf seiner Reise in Bezug auf die Menschen-
rechtssituation in Westpapua gewonnen?

2. Welche Schlussfolgerungen für die wirtschaftliche und entwicklungspoliti-
sche Zusammenarbeit der Bundesregierung mit Indonesien hat die Bundes-
regierung aus diesen Erkenntnissen gezogen?

3. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass ein freier Zugang zur Konfliktre-
gion Westpapua ausländischen Journalistinnen und Journalisten und Vertre-
terinnen und Vertretern von internationalen Organisationen regelmäßig ver-
weigert wird?

4. Welche Fortschritte sieht die Bundesregierung bei der Reform der Militärge-
richtsbarkeit in Indonesien, um die Kultur der Straflosigkeit zu beenden?

5. In welchem Wert wurden im Jahr 2015 Genehmigungen für die Ausfuhr von
Rüstungsgütern an Indonesien erteilt, und welcher Wert entfiel davon auf
Kleinwaffen?

6. In welchem Gesamtwert wurden seit dem Jahr 2000 Genehmigungen für die
Ausfuhr von Rüstungsgütern an Indonesien erteilt?

7. Wie prüft die Bundesregierung, dass die von Deutschland gelieferten Rüs-
tungsgüter nicht bei Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölke-
rung eingesetzt werden, die von Sicherheitskräften in Westpapua verübt wer-
den?

8. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob von Deutschland
gelieferte Waffen bei Menschenrechtverletzungen gegen die Zivilbevölke-
rung eingesetzt wurden bzw. werden?

9. Wie gedenkt die Bundesregierung, die Menschenrechtssituation in Westpa-
pua in den zukünftigen diplomatischen Beziehungen mit Indonesien zu the-
matisieren?

10. Mit welchen Programmen unterstützt die Bundesregierung die Reform von
Polizei und Militär in Indonesien, und wie werden diese Programme in Hin-
blick auf ihre Effektivität und Auswirkungen auf die Menschenrechtslage,
insbesondere Straflosigkeit, evaluiert?

11. Unterstützt die Bundesregierung die Ausbildung indonesischer Polizisten
und/oder Militärs in Deutschland, in Indonesien oder in internationalen Pro-
grammen, an denen Deutschland beteiligt ist?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Tätigkeit deutscher Un-
ternehmen in Westpapua, insbesondere im Agrarsektor und bei Rohstoffab-
bauprojekten?

13. Welche Investitionsgarantien oder Bundesgarantien für Ungebundene Fi-
nanzkredite (UFK-Garantien) hat die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 in
Westpapua vergeben (bitte nach Projekt, Förderjahr und Fördersumme auf-
schlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/9020
 

14. Welche staatliche Unterstützung in Form von Zulieferungen, Ausbildung,
Arbeitskräften oder durch Kredite der KfW Bankengruppe, Deutschen In-
vestition- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) oder des Bundesminis-
teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat Deutsch-
land seit dem Jahr 2000 in Westpapua vergeben (bitte nach Förderjahr und
Fördersumme aufschlüsseln)?

15. Wurden Projekte in Westpapua von multilateralen Entwicklungsbanken, in
denen Deutschland Sitz und Stimme hat, gefördert (bitte nach Projekt, För-
derjahr und Fördersumme aufschlüsseln)?

Berlin, den 1. Juli 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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