BT-Drucksache 18/8944

Schiffsrecycling und Verwertung gebrauchter Handelsschiffe

Vom 8. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8944
18. Wahlperiode 08.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Peter Meiwald, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schiffsrecycling und Verwertung gebrauchter Handelsschiffe

Die Verschrottung von Handelsschiffen findet seit vielen Jahren hauptsächlich in
Abwrackwerften Südasiens statt, in denen Berichten zufolge oft skandalöse Ar-
beitsbedingungen herrschen (vgl. ZEIT ONLINE vom 2. November 2015, Der
Tod eines Schiffes). Eine Trendumkehr zu nachhaltigerem Schiffsrecycling
scheint vorerst nicht in Sicht zu sein. Eine internationale Regelung, die zumindest
Standards setzen würde (sog. Hong Kong Abkommen), wurde bisher nach Kennt-
nis der Fragesteller nur von vier Staaten ratifiziert (Belgien, Frankreich, Kongo
und Norwegen). Eine europäische Regelung (EU-Verordnung über das Recycling
von Schiffen) ist noch nicht in Kraft, sie soll nach bisherigen Planungen bis 2018
zur Anwendung kommen.
Die deutschen Reedereien (vertreten durch den Verband Deutscher Reeder, VDR)
bekräftigten vor kurzem ihren Wunsch nach Umsetzung der Hong-Kong-Kon-
vention (Deutsche Seeschifffahrt, Ausgabe 05-06/16). Allerdings fehlen zur Um-
setzung noch weitere Ratifizierungen von Staaten. Inzwischen hat ein Sonderbe-
richterstatter der Vereinten Nationen aus dem Hochkommissariat für Menschen-
rechte in einem Brief an die Bundesregierung seine Besorgnis gegenüber der Ab-
wrackpraxis deutscher Reeder geäußert und Maßnahmen angemahnt.
Die Haltung der Bundesregierung dazu ist den Fragestellern unklar. Bisher ist sie
jedenfalls weder Unterzeichnerin des Abkommens, noch hat sie es in nationales
Recht umgesetzt. Auch die Umsetzung der europäischen Verordnung scheint
nicht im Zeitplan zu sein.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. a) Bis wann wird die Bundesregierung die Hong-Kong-Konvention für

umweltfreundliches Schiffsrecycling und Verbesserung von Arbeitsbe-
dingungen in den Abbruchwerften dem Deutschen Bundestag zur Rati-
fikation vorlegen?

b) Welche Gründe haben die Bundesregierung bisher davon abgehalten,
die Hong-Kong-Konvention dem Deutschen Bundestag zur Ratifizie-
rung vorzulegen?

c) Sind der Bundesregierung Prozesse anderer EU-Mitgliedstaaten be-
kannt, die Konvention zu unterzeichnen, und wenn ja, bei welchen Mit-
gliedstaaten?

Drucksache 18/8944 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Welche internationalen bzw. europäischen Vorschriften gibt es bezüglich
der Wahl des Standortes der Schiffsverwertung im Fall einer Verschrot-
tung?

3. Welche Auffassung hat die Bundesregierung gegenüber der europäischen
Schiffsrecyclingabgabe, mit der bestimmte Formen von Schiffsrecycling
gefördert werden soll?

4. a) Bis wann wird die EU-Verordnung von 2013 (Verordnung (EU)
Nr. 1013/2006 über das Recycling von Schiffen in den Mitgliedstaaten
zur Anwendung kommen?

b) Befindet sich die Bundesregierung im Zeitplan zur Umsetzung der Ver-
ordnung, wenn nein, warum nicht, und bis wann sollen ausstehende
Schritte umgesetzt sein?

5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung
aus dem öffentlich einsehbaren Brief (https://spdb.ohchr.org/hrdb/32nd/
public_-_OL_DEU_25.02.16_(1.2016).pdf) des UN-Sonderbeauftragten
Baskut Tuncak aus dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte vom
Februar 2016 an die Bundesregierung, in dem er seine Besorgnis über die
Abwrackpraxis deutscher Reedereien äußert?

6. a) Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um die
Missstände, die durch das Abwracken von Schiffen aus deutschen Ree-
dereien bzw. von deutsch beflaggten Schiffen (v. a. in Südasien) entste-
hen, zu beseitigen?

b) Welche rechtlichen Maßnahmen wären nach Auffassung der Bundesre-
gierung notwendig, um die in Frage 6a genannten Missstände zu besei-
tigen?

7. Welche Empfehlungen gibt die Bundesregierung an die Reedereien,
Schiffe nachhaltig und unter sozial verträglichen Gesichtspunkten abzu-
wracken bzw. zu recyclen?

8. Welche der Bundesregierung bekannten freiwilligen Selbstverpflichtungen
von Reedereien zum umweltfreundlichen und sozial verträglichen Abwra-
cken bzw. Recycling von Handelsschiffen gibt es, und wie wurden diese
bisher eingehalten?

9. a) Welche Werftkapazitäten gibt es in Deutschland, um Schiffe abzuwra-
cken bzw. zu recyclen (Gesamttonnage)?

b) Welche Werftkapazitäten gibt es in der Europäischen Union, um Schiffe
abzuwracken bzw. zu recyclen (Gesamttonnage)?

10. Wie viele Handelsschiffe deutscher Eigentümer wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung in den Jahren 2007 bis heute jeweils verschrottet (bitte
tabellarisch nach Anzahl und Tonnage darstellen, gesamt und sofern mög-
lich nach Schiffstyp)?

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wo die Handelsschiffe ver-
schrottet werden, und wenn ja, wie viele Schiffe wurden seit 2007 bis heute
insgesamt in welchem Land verschrottet (bitte tabellarisch nach Anzahl
und Tonnage darstellen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8944
12. a) Wie hat sich das Durchschnittsalter der zu verschrottenden Handels-
schiffe nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2007 jährlich entwickelt
(bitte tabellarisch nach Anzahl und Tonnage darstellen, gesamt und so-
fern möglich nach Schiffstyp)?

b) Welche unterschiedlichen Gründe führen nach Auffassung der Bundes-
regierung zu der Frage 12a beobachteten Entwicklung?

c) Inwieweit spielt die Vergrößerung von Schleusen, etwa am Panamaka-
nal, nach Kenntnis der Bundesregierung in diese Entwicklung hinein?

13. Welche Aussage über die Entwicklung der Schiffsgröße verschrotteter
Schiffe seit 2007 lässt sich nach Kenntnis der Bundesregierung treffen?

14. Wie viele Schiffe deutscher Schiffseigner wurden gemäß dem Basler Über-
einkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung ge-
fährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung zur Verschrottung seit 2007 jähr-
lich in Deutschland gemeldet?

15. Wie unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Staaten, in
denen Schiffsverwertung durchgeführt wird, hinsichtlich der in den Ab-
wrackwerften vorzufindenden Bedingungen für Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer?

16. a) Welche internationalen Regelungen hinsichtlich des Arbeitsschutzes
auf Abwrackwerften gibt es?

b) Inwieweit werden diese in den Ländern Asiens, die in der Schiffsver-
wertung bzw. -abwrackung aktiv sind, nach Kenntnis der Bundesregie-
rung in nationales Recht umgesetzt?

17. Inwieweit kann die Bundesregierung eine Tendenz feststellen, dass entwe-
der Reedereien verstärkt in Europa Schiffe abwracken bzw. recyceln und
im Verhältnis zu Gesamtabwrackungen weniger in Abwrackwerften Asi-
ens abwracken bzw. recyceln, inwieweit kann sie eine umgekehrte Tendenz
feststellen, und wie bewertet sie diese Entwicklung?

18. Wie viele und welche Schiffe in Bundeseigentum gingen in den letzten Jah-
ren seit 2007 wann zur Verschrottung, und welche Orte wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung jeweils zum Abwracken bzw. zum Recyc-
ling gewählt (bitte jeweilige Tonnage pro Jahr benennen)?

Berlin, den 8. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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