BT-Drucksache 18/8854

Stand der Umsetzung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf

Vom 16. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8854
18. Wahlperiode 16.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Ulle Schauws, Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche, Dr. Harald Terpe,
Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stand der Umsetzung des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von
Familie, Pflege und Beruf

Am 1. Januar 2015 trat das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege
und Beruf in Kraft. Mit dem Gesetz wurden die Pflegezeit nach dem Pflegezeit-
gesetz (PflegeZG) und die Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz
(FPfZG) miteinander verzahnt. Es wurde ein Rechtsanspruch auf die Familien-
pflegezeit eingeführt und die bisher im FPfZG vorgesehene Gehaltsvorzahlung
für die Arbeitszeitreduzierung durch ein zinsloses Darlehen ersetzt, das die Ar-
beitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer aufnehmen kann. Zudem wurde mit dem
sogenannten Pflegeunterstützungsgeld ein Anspruch auf eine bis zu zehntägige
kurzfristige Arbeitsunterbrechung mit Lohnersatzleistung geschaffen.
Der Rechtsanspruch auf die Pflegezeit gilt in Betrieben mit über 15 Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern. Diese Betriebsgröße war zunächst auch für die Fami-
lienpflegezeit vorgesehen, wurde aber während der Beratungen im Deutschen
Bundestag erhöht, so dass der Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit nun erst
in Betrieben mit über 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern greift. Die Zinsen und
das Ausfallrisiko des zinslosen Darlehens, mit dem der Verdienstausfall bis zu
zwei Jahre zur Hälfte überbrückt werden kann, werden durch den Bund finanziert.
Dafür wurden für das Jahr 2015 1,3 Mio. Euro in den Bundeshaushalt eingestellt.
Bis zum Jahr 2018 soll die Summe auf 9,4 Mio. Euro anwachsen (vgl. Bundes-
tagsdrucksachen 18/3124 und 18/3449).
Nachdem die Familienpflegezeit vor dem Jahr 2015 lediglich von weniger als
140 Personen jährlich in Anspruch genommen wurde, rechnet die Bundesregie-
rung für das Jahr 2015 mit 1 275 Personen, die Pflegezeit oder Familienpflegezeit
in Anspruch nehmen, für das Jahr 2016 mit 3 000, für das Jahr 2017 mit 4 500
und für das Jahr 2018 schließlich mit 6 750 Personen (vgl. Bundestagsdrucksache
18/3124).
Das Pflegeunterstützungsgeld wird durch die soziale Pflegeversicherung finan-
ziert (§ 44a des Elften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XI). Die Bundesregierung
rechnet damit, dass etwa die Hälfte der derzeit 357 000 Hauptpflegepersonen, die
mehr als geringfügig beschäftigt sind, diese Leistung in Anspruch nimmt, jedoch
nicht jede dieser Personen für volle zehn Tage. Sie kalkuliert dabei Mehrkosten
für die Pflegeversicherung von rund 100 Mio. Euro pro Jahr (vgl. ebd.).
Unter anderem von Fachleuten und -verbänden wurden weiter Zweifel an der
Wirkung und dem Nutzen der neuen Rechtslage für beschäftigte Frauen und Män-
ner, die die Pflege übernehmen, geäußert. Durch die Regelungen, insbesondere
des Familienpflegezeitgesetzes, würden Millionen Menschen ausgeschlossen, die

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sich ein solches Darlehen nicht leisten könnten oder in kleineren Betrieben be-
schäftigt sind (vgl. Die Tageszeitung vom 5. Dezember 2014, „Pflege leichter“;
OSTSEE-ZEITUNG vom 5. Dezember 2014, „Nur ein kleiner Schritt nach
vorn“; Neue Osnabrücker Zeitung vom 5. Dezember 2014, „Zwei Klassen“).
Eine Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP), die im Januar 2016
veröffentlicht wurde, hat einige Hinweise darauf gegeben, warum die Regelungen
für pflegende Angehörige so wenig in Anspruch genommen werden: Die Pflege-
zeiten sind zum Teil nicht bekannt. Und wenn sie bekannt sind, schrecken sehr
viele aufgrund finanzieller oder organisatorischer Nachteile davor zurück. Die
Darlehensregelung, die für einen längeren Zeitraum, nämlich für die Phase der
Pflege und für die Phase der Rückzahlung, eine Einkommensminderung bedeutet,
können sich viele nicht leisten (ZQP Themenreport, „Vereinbarkeit von Beruf
und Pflege“, http://zqp.de/upload/data/ZQP_Themenreport_Beruf_Pflege.pdf).
Im August 2015 konnte die Bundesregierung aus Sicht der Fragesteller nur we-
nige konkrete Antworten auf eine vorangegangene Kleine Anfrage geben (Bun-
destagsdrucksache 18/5880). Am 25. September 2015 hat der Beirat für Verein-
barkeit von Pflege und Beruf seine Arbeit aufgenommen. Er „begleitet die Um-
setzung der Regelungen zu beruflichen Auszeiten, insbesondere die neu geschaf-
fenen Flexibilisierungen im Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz, und
berät über deren Auswirkungen“ (www.bmfsfj.de/BMFSFJ/aeltere-menschen,
did=219602.html).
Zur Begleitung der Umsetzung der Regelungen und Auswirkung dieses Gesetzes
gehört unseres Erachtens, sich zuallererst einen Überblick darüber zu verschaf-
fen, wie viele Menschen die Pflege- und Familienzeit nicht in Anspruch nehmen
können, welche Personen wie lange und in welchem Umfang eine Arbeitszeitre-
duzierung beantragt haben und aus welchen Betrieben sie kamen.
Auch die Antworten aus dem Januar 2016 (Bundestagsdrucksache 18/7322) auf
eine zweite Kleine Anfrage zum Thema ließen aus Sicht der Fragesteller viele
Fragen offen. Inzwischen jedoch dürfte die Arbeit des Beirats für Vereinbarkeit
von Pflege und Beruf um einiges vorangeschritten sein, daher erhoffen sich die
Fragesteller detailliertere Auskünfte.
Zudem hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Bundestagsdrucksa-
che 18/7322 angekündigt, dass sie beabsichtigt, „im Rahmen der Erstellung des
6. Pflegeberichts nach § 10 SGB XI auch detailliertere Informationen zur Inan-
spruchnahme des Pflegeunterstützungsgeldes zu erheben und bereitzustellen“.
Der sechste Pflegebericht soll im Jahr 2016 erscheinen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Arbeitgeber in Deutschland haben nach Kenntnis der Bundesre-

gierung in der Regel 15 oder weniger Beschäftigte, wie hoch ist ihr Anteil an
allen Arbeitgebern in Deutschland, und wie viele Beschäftigte können damit
aufgrund der in § 3 Absatz 1 PflegeZG vorgesehenen Beschränkung auf Ar-
beitgeber mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten eine Pflegezeit
grundsätzlich nicht beantragen?

2. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015
und bis Ende Mai 2016 eine Pflegezeit nach dem neu gefassten PflegeZG in
Anspruch genommen bzw. nehmen diese gegenwärtig in Anspruch (bitte
nach Geschlecht aufschlüsseln)?
a) Wie hoch ist dabei die durchschnittliche Dauer der beantragten Pflegezeit

(bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?
b) Wie viele Personen haben dabei ihre Arbeitszeit reduziert, und wie viele

haben sich vollständig von der Arbeit befreien lassen (bitte nach Ge-
schlecht aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8854
c) Wie viele Personen haben sich dabei für die maximale Dauer von sechs
Monaten vollständig von der Arbeit befreien lassen (bitte nach Geschlecht
aufschlüsseln)?

d) Wie viele der Personen, die eine Pflegezeit beantragt haben, haben ein
zinsloses Darlehen nach dem neu gefassten FPfZG aufgenommen, und
wie hoch ist die durchschnittliche Höhe der Darlehen (bitte nach Ge-
schlecht aufschlüsseln)?

e) Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Betriebsgrößen
(Zahl der Beschäftigten) vor, in denen die antragstellenden Personen be-
schäftigt sind?

f) Wie viele Personen haben vor Inkrafttreten der Neuregelungen am
1. Januar 2015 eine Pflegezeit nach dem PflegeZG in Anspruch genom-
men (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

3. Wie viele Arbeitgeber in Deutschland haben nach Kenntnis der Bundesre-
gierung in der Regel 25 oder weniger Beschäftigte, wie hoch ist ihr Anteil an
allen Arbeitgebern in Deutschland, und wie viele Beschäftigte können damit
aufgrund der in § 2 Absatz 1 FPfZG vorgesehenen Beschränkung auf Arbeit-
geber mit in der Regel 25 oder weniger Beschäftigten eine Familienpflege-
zeit grundsätzlich nicht beantragen?

4. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015
und bis Ende Mai 2016 eine Familienpflegezeit nach dem neu gefassten
FPfZG in Anspruch genommen bzw. nehmen diese gegenwärtig in Anspruch
(bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?
a) Wie hoch ist dabei die durchschnittliche Dauer der beantragten Familien-

pflegezeit (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?
b) Um wie viel Prozent wurde die Arbeitszeit durchschnittlich reduziert

(bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?
c) Wie viele der Personen, die eine Familienpflegezeit beantragt haben, ha-

ben ein zinsloses Darlehen aufgenommen (bitte nach Geschlecht auf-
schlüsseln)?

d) Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Betriebsgrößen
(Zahl der Beschäftigten) vor, in denen die antragstellenden Personen be-
schäftigt sind?

e) Wie viele Personen haben vor Inkrafttreten der Neuregelungen am
1. Januar 2015 eine Familienpflegezeit nach dem FPfZG in Anspruch ge-
nommen (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

5. In welcher Höhe sind die im Bundeshaushalt für das Jahr 2016 eingestellten
Mittel für die zinslosen Darlehen für die Pflege- sowie die Familienpflegezeit
bis Ende Mai 2016 abgeflossen bzw. bewilligt worden?

6. Wie viele Personen haben im Jahr 2015 und bis Ende Mai 2016 nach Kennt-
nis der Bundesregierung Pflegeunterstützungsgeld nach § 44a SGB XI bean-
tragt (bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?
a) Für wie viele Tage wurde das Pflegeunterstützungsgeld dabei jeweils

(bitte taggenaue Gruppierung) und im Durchschnitt beantragt (bitte zu-
sätzlich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

b) Welche Höhe hat das gezahlte Pflegeunterstützungsgeld dabei im Durch-
schnitt und im Median (bitte zusätzlich nach Geschlecht aufschlüsseln)?

c) In welcher Gesamthöhe sind im Jahr 2015 und bis Ende Mai 2016 Mittel
aus der sozialen Pflegeversicherung für das Pflegeunterstützungsgeld
nach § 44a SGB XI abgeflossen bzw. bewilligt worden?

Drucksache 18/8854 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
d) Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Betriebsgrößen
(Zahl der Beschäftigten) vor, in denen die antragstellenden Personen be-
schäftigt sind?

7. Wie viele Personen haben nach Kenntnis der Bundesregierung direkt nach
Inanspruchnahme des Pflegeunterstützungsgeldes eine Pflegezeit bzw. eine
Familienpflegezeit nach dem neu gefassten PflegeZG bzw. FPfZG beantragt
(bitte nach Geschlecht aufschlüsseln)?

Berlin, den 16. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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