BT-Drucksache 18/8783

Kooperation von EUROPOL und europäischen Kriminalämtern mit dem neuen Geheimdienstzentrum in Den Haag

Vom 2. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8783
18. Wahlperiode 02.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Dr. André Hahn,
Inge Höger, Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat, Jörn Wunderlich und
der Fraktion DIE LINKE.

Kooperation von EUROPOL und europäischen Kriminalämtern mit dem neuen
Geheimdienstzentrum in Den Haag

Europäische Inlandsgeheimdienste errichten derzeit ein „Anti-Terror-Zentrum“
im niederländischen Den Haag (Bundestagsdrucksache 18/7930). Das Zentrum
gehört zu der im Jahr 2001 gegründeten „Counter Terrorism Group“ (CTG) des
sogenannten Berner Clubs. Dort organisieren sich die Geheimdienste aller EU-
Mitgliedstaaten sowie Norwegens und der Schweiz. Die Teilnehmerstaaten sollen
jetzt Verbindungsbeamtinnen und -beamten in das niederländische Zentrum ent-
senden, die Eröffnung ist für den 1. Juli 2016 angekündigt (Ratsdokument
8881/16). Ziel ist der Austausch und die Verarbeitung von Informationen über
„dschihadistische Gefährder“. Entsprechende Daten werden in einer „CTG-Da-
tenbank“ gespeichert (Jahresbericht des niederländischen Geheimdienstes AIVD
von 2015). Auch geplante Operationen könnten untereinander abgesprochen wer-
den, die Beteiligten wollen hierfür ein interaktives Echtzeit-Informationssystem
betreiben.
Obwohl die Europäische Union über keine Zuständigkeit zur Zusammenarbeit
der Geheimdienste verfügt, nimmt der EU-Koordinator für Terrorismusbekämp-
fung Gilles de Kerchove an wichtigen Treffen der CTG teil. In den letzten drei
Jahren war Kerchove beispielsweise bei allen Konferenzen mit den Leitern der
Geheimdienste zugegen (Bundestagsdrucksache 18/8170). Nun ist die engere Zu-
sammenarbeit mit EU-Strukturen geplant. EUROPOL hat im Januar 2016 ein
„Europäisches Zentrum zur Terrorismusbekämpfung“ (ECTC) in Den Haag er-
öffnet, zu dessen Aufgaben die „intensivere Koordinierung und Zusammenar-
beit“ mit anderen Sicherheitsbehörden gehört. Im April 2016 hielten EUROPOL-
Bedienstete einen Vortrag über EUROPOL-Strukturen zur Terrorismusbe-
kämpfung bei der CTG (Ratsdokument 8881/16). Die Geheimdienstgruppe kün-
digte daraufhin an, „Mechanismen einer strukturellen Zusammenarbeit“ mit
EUROPOL zu prüfen. Die Bundesregierung hatte hingegen erklärt, eine direkte
Zusammenarbeit des ECTC und der Geheimdienstzentrale erfolge nicht (Bundes-
tagsdrucksache 18/7930). Allerdings stehe die CTG „mit relevanten Akteuren wie
EUROPOL in Kontakt, um Möglichkeiten für eine engere Zusammenarbeit zu
sondieren“. Dabei seien aber lediglich „Angelegenheiten strategischer Natur“ und
nicht, wie von der CTG nun beabsichtigt, struktureller Art besprochen worden
(Bundestagsdrucksache 18/8170).
EUROPOL soll künftig auch stärker mit dem „Zentrum für Informationsgewin-
nung und -analyse“ (IntCen) des Europäischen Auswärtigen Dienstes in Brüssel
kooperieren (Ratsdokument 8881/16). Die dort erstellten Analysen und Berichte

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basieren unter anderem auf Material von Auslandsnachrichtendiensten der Mit-
gliedstaaten. Im Februar 2016 lud der französische Geheimdienst-Koordinator zu
einem hochrangigen Treffen, um die Arbeit des IntCen stärker mit der CTG ab-
zustimmen. Wieder nahm der EU-Koordinator für die Terrorismusbekämpfung
daran teil. Verabredet wurde auch die engere Zusammenarbeit mit EUROPOL.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Defizite existieren aus Sicht der Bundesregierung hinsichtlich einer

schon jetzt „intensive[n] und ergiebige[n] Kooperation“ innerhalb der CTG,
und welche dieser Defizite soll ein noch „engerer und umfassenderer Infor-
mationsaustausch“ mit einem neuen Geheimdienstzentrum überbrücken
(Bundestagsdrucksache 18/7930)?

2. Welche Ergebnisse kann die Bundesregierung nach Abschluss einer „ersten
Planungsphase“ und kurz vor der Eröffnung des Geheimdienstzentrums am
1. Juli 2016 hinsichtlich der dort übernommenen Aufgaben, der adressierten
Phänomene der Bereiche Kriminalität und Terrorismus, einzelnen Arbeits-
gruppen, dem Personal, den Dienstleistungen und der internen Organisati-
onsstruktur mitteilen (Bundestagsdrucksache 18/7930)?

3. Welche Geheimdienste welcher Länder bzw. sonstigen Akteure haben nach
Kenntnis der Bundesregierung zugesagt, in der Geheimdienstzentrale in Den
Haag mitzuarbeiten?
a) Welche Länder werden aus welchen Behörden Verbindungsbeamte in das

Zentrum entsenden?
b) Mit welchen einzelnen Diensten sind Frankreich und Italien in der CTG

vertreten?
4. Welche Aufgaben oder Fähigkeiten sollen bis zur Eröffnung am 1. Juli 2016

bereits eingerichtet sein, und welche sollen später hinzukommen?
5. Welche Kosten entstehen für den Betrieb des Geheimdienstzentrums, und

wie werden diese übernommen?
6. Inwiefern trifft die Aussage des niederländischen AIVD zu, der in seinem

Jahresbericht schreibt, das Zentrum initiiert zu haben, wohingegen die Bun-
desregierung erklärte, dass die Einrichtung der Plattform „aus der Mitte der
CTG-Mitgliedsdienste“ vorgeschlagen worden sei (Bundestagsdrucksache
18/7930)?
a) Welche vorbereitenden oder durchführenden Aufgaben werden nach

Kenntnis der Bundesregierung in dem Geheimdienstzentrum nach derzei-
tiger Planung vom niederländischen Geheimdienst AIVD übernommen?

b) An welcher Adresse „in den Niederlanden in Den Haag“ (Bundestags-
drucksache 18/7930) soll das Geheimdienstzentrum entstehen, und an
welche dort bestehenden Räumlichkeiten ist es angegliedert?

7. In welcher Häufigkeit sollen regelmäßige Treffen der Beteiligten des Ge-
heimdienstzentrums bzw. der (Unter-)Arbeitsgruppen stattfinden?

8. Was ist der Bundesregierung über die Einrichtung einer „CTG-Datenbank“
in dem Geheimdienstzentrum bekannt (Jahresbericht des niederländischen
Geheimdienstes AIVD von 2015), und welche Informationen werden dort
gespeichert?

9. Welche Technik (Hard- und Software, Analysewerkzeuge) wird hierfür ge-
nutzt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8783
 

10. Welche weiteren Details sind der Bundesregierung zu einem ebenfalls ein-
gerichteten interaktiven Echtzeit-Informationssystem bekannt, das die Bun-
desregierung zuvor als „operative ‚Plattform‘“ bezeichnete, um den „Aus-
tausch operativer Erkenntnisse zum Phänomenbereich Islamistischer Terro-
rismus [zu] vereinfachen und [zu] beschleunigen“ (Bundestagsdrucksache
18/7930)?
a) Welche Technik (Hard- und Software) wird hierfür genutzt, über welche

verschlüsselten Systeme wird kommuniziert, und welche Informationen
sollen darüber zirkuliert werden?

b) Sofern es sich bei der „CTG-Datenbank“ und dem Echtzeit-Informations-
system um zentrale Systeme handelt, wo sind diese angesiedelt?

c) Nach welcher Maßgabe sollen in der „CTG-Datenbank“ bzw. über das
Echtzeit-Informationssystem auch „assessed intelligence“, also bereits
ausgewertete Informationen, oder auch Originalquellen („raw intelli-
gence“) verteilt und verarbeitet werden?

11. Auf welcher rechtlichen Grundlage werden sich deutsche Geheimdienste an
der gemeinsam mit anderen ausländischen Diensten betriebenen „CTG-Da-
tenbank“ beteiligen, und welche Änderungen bzw. Erweiterungen sind
hierzu anvisiert?

12. Inwiefern soll das Geheimdienstzentrum nach Kenntnis der Bundesregierung
auch direkt auf europäische Informationssysteme zugreifen dürfen (z. B. die
geplante EU-Datensammlung zu Fluggastdaten)?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern der von EU-Mit-

gliedstaaten bislang nur unter wenigen Ländern betriebene Austausch von
Fluggastdaten ausgeweitet werden soll?

13. Auf welche Weise will die Bundesregierung ihren OSZE-Vorsitz nutzen, den
Austausch von Fluggastdaten innerhalb aller OSZE-Mitglieder anzuregen
(Bundesminister des Auswärtigen Dr. Frank-Walter Steinmeier zitiert nach
AFP vom 31. Mai 2016), und inwiefern handelt es sich bei diesem Vorschlag
nicht nur um API (Advance Passenger Information)-Daten, sondern um
PNR(Passenger Name Record)-Daten?

14. Welche „Angelegenheiten strategischer Natur“ haben EUROPOL und die
CTG nach Kenntnis der Bundesregierung „sondiert“, und welche Ergebnisse
sind dazu bekannt (Bundestagsdrucksache 18/8170)?
a) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern der frühere Lei-

ter des AIVD und jetzige Leiter der EUROPOL-Operationsabteilung, Wil
van Gemert, an diesen „Sondierungen“ teilnahm?

b) Welche Angehörigen der Europäischen Kommission haben nach Kennt-
nis der Bundesregierung an welchen weiteren Treffen, Sondierungen oder
Absprachen mit der CTG zur Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Eu-
ropäischen Union teilgenommen?

15. Auf welche Weise will das Geheimdienstzentrum nach Kenntnis der Bun-
desregierung mit dem ECTC bei EUROPOL strategisch oder strukturell zu-
sammenarbeiten?

16. Was ist der Bundesregierung über den Inhalt eines durch EUROPOL bei der
CTG gehaltenen Vortrags über EUROPOL-Strukturen zur Terrorismusbe-
kämpfung bekannt?

17. Auf welche Weise will die CTG nach Kenntnis der Bundesregierung nun
„Mechanismen einer strukturellen Zusammenarbeit“ prüfen, und wann soll
diese Prüfung abgeschlossen sein?

Drucksache 18/8783 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

18. Mit welchen weiteren „relevanten Akteuren“ stand oder steht die CTG nach
Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem Ge-
heimdienstzentrum in Kontakt, „um Möglichkeiten für eine engere Zusam-
menarbeit zu sondieren“ (Bundestagsdrucksache 18/7930)?

19. Was ist der Bundesregierung über ein Treffen auf Einladung des französi-
schen Geheimdienst-Koordinators bekannt, das die Arbeit des EU-Lagezen-
trums IntCen stärker mit der CTG abstimmen sollte?
a) Wer nahm an dem Treffen teil?
b) Inwiefern waren auch Angehörige oder Einrichtungen der Europäischen

Union in das Treffen (z. B. Vor- oder Nachbereitung) involviert?
c) Welche Ziele verfolgte das Treffen, und welche Ergebnisse oder Abspra-

chen wurden erzielt?
d) Inwiefern wurde bei dem Treffen auch die engere Zusammenarbeit von

EUROPOL mit dem EU-Lagezentrum IntCen oder der CTG behandelt?

Berlin, den 2. Juni 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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