BT-Drucksache 18/8751

Kosten und Vergünstigungen der energieintensiven Industrie in Deutschland

Vom 1. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8751
18. Wahlperiode 01.06.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, Sylvia Kotting-Uhl, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Peter Meiwald, Matthias Gastel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kosten und Vergünstigungen der energieintensiven Industrie in Deutschland

Klimaschutz und Energiewende haben sich an vielen Stellen als Treiber der in-
dustriellen Entwicklung erwiesen. So hat der Ausbau erneuerbarer Energien für
viele Industriebranchen neue Absatzmärkte geschaffen. Zugleich sind die für die
energieintensive Industrie relevanten Börsenstrompreise im Zuge der Energie-
wende massiv gefallen.
Dessen ungeachtet wurden energieintensiven Branchen mit Blick auf die globale
Wettbewerbssituation zahlreiche Vergünstigungen im Energiesektor eingeräumt.
Besonderes politisches Augenmerk wurde dabei auf die energieintensive Indus-
trie in den Bereichen Aluminium, Baustoffe, Chemie, Glas, Metall, Papier und
Stahl gelegt.
Die Liste der Begünstigungen ist lang: So gelten für energieintensive Unterneh-
men Sonderregelungen bei der EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare-Energien-Ge-
setz, „Besondere Ausgleichsregelung“), der KWK-Umlage (KWK = Kraft-
Wärme-Kopplung), der Konzessionsabgabe und bei den Netzentgelten (§ 19 der
Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV). Zudem sind sie von der Offshore-
Haftungsumlage befreit, können Mittel zur Strompreiskompensation (Erstattung
indirekter Kosten durch den eigentlich wirkungsarmen CO2-Handel) oder über
die Abschaltprämie zum Anreizen eines systemdienlichen Lastmanagements er-
halten.
Allein die oben genannten Branchen verbrauchen mit 120 TWh jährlich mehr als
ein Fünftel des Stroms in Deutschland. Entsprechend bedeutend sind hier Anreize
zur Erhöhung der Energieeffizienz, um das nationale Energieeinsparziel von
20 Prozent bis 2020 zu erreichen. Ähnliches gilt auch für die CO2-Minderung.
Laut Klimaschutzbericht 2015 der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache
18/6840) beläuft sich der anzunehmende Beitrag des Industriesektors zum Kli-
maschutz bis 2020 auf eine Reduktion um 8 Millionen Tonnen CO2 auf
182,3 Millionen Tonnen CO2. Das wäre der geringste Beitrag aller Sektoren.
Das Gesamtausmaß der Vergünstigungen, die unterm Strich von den nichtprivi-
legierten Stromkunden, also Mittelstand und Privathaushalten, gegenfinanziert
werden müssen, ist weitgehend unbekannt, ebenso die Wirkungen auf die Inno-
vationsbereitschaft der betreffenden Unternehmen.

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Wir fragen die Bundesregierung:

Klimaschutz
1. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2010 bis

2015 die Treibhausgasemissionen der energieintensiven Industrie für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

2. Welche CO2-Reduktionsziele für die Jahre 2020, 2030 und 2050 hält die
Bundesregierung im Lichte des Pariser Klimaabkommens für den Industrie-
sektor für notwendig, und welchen Anteil soll nach Auffassung der Bundes-
regierung die energieintensive Industrie daran erbringen?

3. Bis wann strebt die Bundesregierung eine Dekarbonisierung des Industrie-
sektors an, und mit welchen Maßnahmen unterstützt sie die dafür notwendige
Modernisierung gerade der energieintensiven Industrie?

Entlastungen und Beihilfen
4. Welche Eckdaten müssen Unternehmen jeweils erfüllen, um die folgenden

Vergünstigungen erhalten zu können:
a) Besondere Ausgleichsregelung im EEG
b) Eigenstromprivileg (§ 37 EEG)
c) Entlastung bei der KWK-Umlage
d) Entlastung bei der Konzessionsabgabe
e) Entlastung bei den Netzentgelten (§ 19 StromNEV)
f) Entlastung bei der Offshore-Haftungsumlage
g) Strompreiskompensation
h) Abschaltprämie (§ 3 und § 11 AbLaV)?

5. Wie viele Unternehmen aus der energieintensiven Industrie haben nach
Kenntnis der Bundesregierung eine teilweise oder vollständige Entlastung
von der EEG-Umlage durch die Besondere Ausgleichsregelung beantragt,
und wie viele dieser Anträge wurden bewilligt für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8751
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte Gesamtzahl angeben sowie eine einzelne Auflistung beifügen)?

6. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 der gesamte nach der Besonderen Ausgleichsregelung begünstigte
Stromverbrauch der energieintensiven Industrie für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

7. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamte finanzielle Entlastung der energieintensiven Industrie
durch die Besondere Ausgleichsregelung für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

8. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundregierung in den Jahren 2014 und
2015 die durchschnittliche Stromkostenintensität der energieintensiven In-
dustrie für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

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9. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamte Entlastung der energieintensiven Industrie durch die ver-
ringerte KWK-Umlage nach § 9 Absatz 7 KWKG für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

10. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamte Entlastung der energieintensiven Industrie durch entfal-
lende oder ermäßigte Konzessionsgebühren nach § 2 KAV für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

11. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamte Entlastung der energieintensiven Industrie durch das Ei-
genstromprivileg nach § 37 EEG für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8751

12. Welcher Anteil des vom Eigenstromprivileg nach § 37 EEG erfassten Stro-

mes in der energieintensiven Industrie ist nach Kenntnis der Bundesregie-
rung aktuell durch erneuerbare Energiequellen erzeugt worden und welcher
Anteil durch fossile (bitte KWK und nicht-KWK getrennt aufweisen) für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

13. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamte Entlastung der energieintensiven Industrie durch die Privi-
legierung bei den Netzentgelten nach § 19 StromNEV für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

14. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamte Entlastung der energieintensiven Industrie durch die ermä-
ßigte Offshore-Haftungsumlage nach § 17f EnWG für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

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15. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und

2015 die gesamte Entlastung der energieintensiven Industrie durch die
Strompreiskompensation für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

16. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 die gesamten Zahlungen an die energieintensive Industrie im Rahmen
der Abschaltprämie nach den § 3 und § 11 AbLaV für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

17. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2014 und
2015 der Wert der noch bei der energieintensiven Industrie aktuell gehalte-
nen überschüssigen, zuvor kostenlos zugeteilten ETS-Zertifikate für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

18. Für welche der in den Fragen 1 bis 16 genannten Entlastungen bzw. Beihilfen
liegen der Bundesregierung bereits Zahlen oder Abschätzungen für das Jahr
2016 vor, und welche Steigerungen sind absehbar (bitte einzeln nach den
o. g. Teilbranchen der energieintensiven Industrie auflisten)?

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19. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die jeweils größten nachgela-

gerten Branchen der energieintensiven Industrie für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

20. Welcher Anteil der energieintensiven Industrie fällt derzeit nach Kenntnis
der Bundesregierung unter die Definition von kleinen und mittleren Unter-
nehmen (KMU) für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

21. Wie viele Menschen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren
2000 bis 2015 direkt in der energieintensiven Industrie beschäftigt für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte gesamt und einzeln für jedes Jahr auflisten)?

22. Auf welche Gründe führt die Bundesregierung eventuelle Rückgänge der Be-
schäftigtenzahlen in der energieintensiven Industrie zurück, und wie will die
Bundesregierung diesen entgegnen (bitte Maßnahmen einzeln aufschlüs-
seln)?

23. Auf welche unabhängigen Gutachten stützt die Bundesregierung ihre Auf-
fassung, dass die in den Fragen 1 bis 16 erwähnten Entlastungen bzw. Bei-
hilfen gänzlich oder in Teilen dem Erhalt der energieintensiven Industrie in
Deutschland dienen?

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24. Welche Unternehmen der energieintensiven Industrie sind nach Kenntnis der

Bundesregierung nachweislich (bitte mit Quelle) aufgrund von hohen Strom-
preisen aus der Bundesrepublik Deutschland abgewandert?

25. Wie viele Tonnen Aluminium werden nach Kenntnis der Bundesregierung
jährlich direkt in Deutschland produziert, und welchen Anteil am gesamten
Aluminiumbedarf der nachgelagerten deutschen Unternehmen deckt die
deutsche Produktion ab?

26. Wie viele Tonnen Stahl werden nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich
direkt in Deutschland produziert, und welchen Anteil am gesamten Stahlbe-
darf der nachgelagerten deutschen Unternehmen deckt die deutsche Produk-
tion ab?

27. Wie viele Tonnen Papier werden nach Kenntnis der Bundesregierung jähr-
lich direkt in Deutschland produziert, und welchen Anteil am gesamten Pa-
pierbedarf der nachgelagerten Unternehmen deckt die deutsche Produktion
ab?

28. Wie viele Tonnen Zement werden nach Kenntnis der Bundesregierung jähr-
lich direkt in Deutschland produziert, und welchen Anteil am gesamten Ze-
mentbedarf der nachgelagerten Unternehmen deckt die deutsche Produktion
ab?

29. Wie viele der direkt beschäftigten Menschen in der energieintensiven Indust-
rie sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 als Leiharbeiter
angestellt gewesen für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

30. Welchen Anteil der energieintensiven Industriebetriebe haben nach Kenntnis
der Bundesregierung im Jahr 2015 alternative Energiemanagementsysteme
eingeführt für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie
(bitte einzeln und gesamt auflisten)?

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31. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Steigerung der Ener-

gieeffizienz der energieintensiven Industriebetriebe in den Jahren 2000 bis
2015 (bitte absoluten Energieverbrauch und Energieproduktivität einzeln für
die gesamte energieintensive Industrie angeben sowie einzeln für die
a) Aluminiumindustrie
b) Baustoffindustrie
c) chemische Industrie
d) Glasindustrie
e) Metallindustrie
f) Papierindustrie
g) Stahlindustrie
h) Zementindustrie?

Berlin, den 1. Juni 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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