BT-Drucksache 18/8698

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Harald Ebner, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/6204 - Biosicherheit bei Hochrisikoforschung in den Lebenswissenschaften stärken

Vom 7. Juni 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8698
18. Wahlperiode 07.06.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Harald Ebner, Kordula
Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/6204 –

Biosicherheit bei Hochrisikoforschung in den Lebenswissenschaften
stärken

A. Problem
Das „dual-use“-Dilemma beschreibt die Gefahr, dass Forschungsergebnisse nicht
nur zum Wohl, sondern zugleich auch zum Schaden von Mensch und Umwelt ein-
setzbar sind. Dieses Risiko wiegt besonders schwer, wenn z. B. in den Lebens-
wissenschaften mit gefährlichen Viren, Bakterien oder anderen biosicherheitsre-
levanten Materialien geforscht wird. In den Händen von kriegführenden Staaten,
Bioterroristen oder Kriminellen könnten die Verfahren oder Ergebnisse dieser
Hochrisikoforschung Leben und Gesundheit von Mensch und Umwelt unmittel-
bar bedrohen. Forschungsvorhaben mit derartigem Missbrauchspotenzial gehören
zur „Dual Use Research of Concern“, kurz DURC. Sie werfen regelmäßig Fragen
zum Missbrauchspotenzial, also Fragen zur Biosicherheit (Biosecurity), auf. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Ansicht, dass freiwillige Selbstver-
pflichtungen in schwierigen Zweifelsfällen von DURC nicht ausreichten, sondern
durch rechtlich verbindliche Verfahren flankiert werden sollten.

B. Lösung
Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, die Biosicherheit bei Hochrisiko-
forschung in den Lebenswissenschaften mit einem Bündel von Maßnahmen zu
stärken. Sie soll ein Gesetz vorlegen, das die Empfehlungen des Deutschen Ethik-
rates zum gesetzlichen Regelungsbedarf beim Umgang mit besorgniserregenden
biosecurityrelevanten Forschungsvorhaben aufgreift. Sie soll darauf hinwirken,
dass sich Hochschulen, Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Fachge-
sellschaften auf einen einheitlichen Biosecurity-Forschungskodex verständigen,
dass DURC-Vorhaben nicht gefördert werden, wenn eine negative Entscheidung
der DURC-Kommission vorliegt, und eine Förderung nur dann erfolgen, wenn
sich die federführenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Biosecu-
rity-Forschungskodex verpflichtet haben. Schließlich soll die Bundesregierung

Drucksache 18/8698 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
aufgefordert werden, sich auf internationaler bzw. europäischer Ebene für einen
völkerrechtlichen Vertrag über Grundlagen und Grenzen verantwortlicher bio-
securityrelevanter Forschung auf der Grundlage der internationalen Menschen-
rechte einzusetzen, und die Europäische Union DURC-Forschungsvorhaben über
Forschungsrahmenprogramme nur fördert, wenn sie im Einklang mit dem völker-
rechtlichen Vertrag stehen.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8698
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/6204 abzulehnen.

Berlin, den 13. Januar 2016

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Patricia Lips
Vorsitzende

Stephan Albani
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Nicole Gohlke
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

Drucksache 18/8698 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Stephan Albani, René Röspel, Nicole Gohlke und Kai
Gehring

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/6204 in seiner 130. Sitzung am 15. Oktober 2015
beraten und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Beratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Das Know-how und die Technologien in den Lebenswissenschaften entwickeln sich rasant. Das Wissen in diesen
Fächern wächst und ist global vernetzt. Es verbreitet sich schnell und in Länder, die vormals wenig Wissenszu-
gang hatten. Techniken zur Herstellung oder Veränderung von Viren und Bakterien werden kostengünstiger und
einfacher. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhoffen sich wichtige Erkenntnisse, von denen auch die
Gesellschaft später immens profitieren kann. So zum Beispiel, wenn es um die Bekämpfung von Krankheiten
geht, wie Infektionen mit dem gefürchteten Mers-Virus.
Das „dual-use“-Dilemma beschreibt die Gefahr, dass Forschungsergebnisse jedoch nicht nur zum Wohl, sondern
auch zum Schaden von Mensch und Umwelt einsetzbar sind. Dieses Risiko wiegt besonders schwer, wenn z. B.
in den Lebenswissenschaften mit gefährlichen Viren, Bakterien oder anderen biosicherheitsrelevanten Materialien
geforscht wird. In den Händen von kriegführenden Staaten, Bioterroristen oder Kriminellen könnten die Verfah-
ren oder Ergebnisse dieser Hochrisikoforschung Leben und Gesundheit von Mensch und Umwelt unmittelbar be-
drohen. Forschungsvorhaben mit derartigem Missbrauchspotenzial gehören zur „Dual Use Research of Concern“,
kurz DURC. Sie werfen regelmäßig Fragen zum Missbrauchspotenzial, also Fragen zur Biosicherheit (Biosecu-
rity), auf. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist der Ansicht, dass freiwillige Selbstverpflichtungen in
schwierigen Zweifelsfällen von DURC nicht ausreichten, sondern durch rechtlich verbindliche Verfahren flan-
kiert werden sollten.
Die Bundesregierung soll daher aufgefordert werden, die Biosicherheit bei Hochrisikoforschung in den Lebens-
wissenschaften mit einem Bündel von Maßnahmen zu stärken. Sie soll ein Gesetz vorlegen, das die Empfehlungen
des Deutschen Ethikrates zum gesetzlichen Regelungsbedarf beim Umgang mit besorgniserregenden biosecurity-
relevanten Forschungsvorhaben aufgreift.
Im Einzelnen soll DURC definiert und eine zentrale, unabhängige DURC-Kommission eingesetzt werden, Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler mit besorgniserregenden biosicherheitsrelevanten Forschungsvorhaben
verpflichtet werden, sich von der DURC-Kommission beraten zu lassen und ein Verfahren beschlossen werden,
wonach das DURC-Beratungsverfahren nach vier Jahren evaluiert wird, um die Wirksamkeit einzuschätzen und
ggf. nachzujustieren.
Sie soll ferner darauf hinwirken, dass sich Hochschulen, Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Fachge-
sellschaften auf einen einheitlichen Biosecurity-Forschungskodex verständigen, DURC-Vorhaben nicht gefördert
werden, wenn eine negative Entscheidung der DURC-Kommission vorliegt und nur, wenn die federführenden
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich zum Biosecurity-Forschungskodex verpflichtet haben. Schließlich
soll sie aufgefordert werden, sich auf internationaler bzw. europäischer Ebene für einen völkerrechtlichen Vertrag
über Grundlagen und Grenzen verantwortlicher biosecurityrelevanter Forschung auf der Grundlage der internati-
onalen Menschenrechte einzusetzen und dass die Europäische Union DURC-Forschungsvorhaben über For-
schungsrahmenprogramme nur fördert, wenn sie im Einklang mit dem völkerrechtlichen Vertrag stehen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8698

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat u. a. zu dem Antrag auf Drucksa-
che 18/6204 am 4. November 2015 ein öffentliches Fachgespräch zum Thema „Wissenschaftliche Verantwor-
tung“ mit den nachfolgend genannten Sachverständigen durchgeführt:
– Prof. Dr. Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie, Philipps-Universität Marburg
– Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär a. D., Stellv. Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, Berlin
– Prof. Dr. Jörg Hacker, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akade-

mie der Wissenschaften, Halle/Saale
– Prof. Dr. Christian Kreiß, Lehrstuhl für Finanzierung und Wirtschaftspolitik, Hochschule für Wirtschaft und

Technik Aalen
– Prof. Dr. Dr. h. c. Thomas C. Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) und Leiter des Insti-

tuts für molekulare Virologie und Mikrobiologie (IMVZ), Friedrich-Loeffler-Institut für Medizinische Mikro-
biologie, Greifswald

– Priv. Doz. Dr. med. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Leiter des RKI-Zentrums
für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene, Berlin

– Prof. Dr. Jochen Taupitz, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Interna-
tionales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik (IMGB) der Universitäten Heidelberg und Mannheim.

Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen wurden als Ausschussdrucksa-
chen 18(18)140 a – f verteilt und auf der Webseite des Ausschusses veröffentlicht. Die Ergebnisse des Fachge-
sprächs sind in die abschließende Beratung des Ausschusses mit einbezogen worden.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat den Antrag in seiner 53. Sitzung
am 13. Januar 2016 abschließend beraten. Der Ausschuss empfiehlt:
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/6204 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führt aus, dass der Deutsche Ethikrat bereits 2014 die Empfehlung
ausgesprochen habe, Gesetzeslücken im Bereich hochriskanter Forschungsprojekte in den Lebenswissenschaften
zu schließen und eine sogenannte DURC-Kommission (Dual Use Research of Concern) einzurichten. Diese solle
sich mit geplanten Forschungsprojekten befassen, die im Falle eines Missbrauchs ein hohes Schadenspotential für
Leben und Gesundheit aufwiesen. Zu erwarten seien laut Hinweis des Deutschen Ethikrates etwa zehn Fälle pro
Jahr. Auch im Rahmen zweier Fachgespräche des Ausschusses in den Jahren 2012 und 2015 sei der Umgang mit
sicherheitsrelevanten Forschungsergebnissen diskutiert worden. In der Anhörung im Jahr 2015 habe der Sachver-
ständigen des Deutschen Ethikrates, Wolf-Michael Catenhusen, die Einrichtung einer Kommission auf gesetzli-
cher Grundlage empfohlen. Eine Positionierung der Bundesregierung dazu sei jedoch bisher ausgeblieben.
Mit ihrem Antrag fordere die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nunmehr die konsequente Umsetzung dieser
Empfehlung, um Missbrauchsrisiken im Bereich biosicherheitsrelevanter Hochrisikoforschung endgültig zu mi-
nimieren. Öffentliche Fördermittel seien zu streichen, soweit die DURC-Kommission von einem konkreten For-
schungsvorhaben abrate. Daneben sei es erforderlich, dass sich die Wissenschaftscommunity auf einen nationalen
Biosecurity-Forschungskodex verständige. Die Bundesregierung sei zudem aufgefordert, sich für einen völker-
rechtlichen Vertrag über Grundlagen und Grenzen biosecurityrelevanter Forschung auf internationaler und euro-
päischer Ebene stark zu machen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN weist darauf hin, dass die Wissenschaftsgemeinde bereits erste An-
sätze geschaffen habe, um Missbrauchsgefahren in der Forschung mittels Selbstverpflichtungen zu minimieren.
Im März 2015 habe der Gemeinsame Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina seine Arbeit auf-
genommen, um Forschungsinstitutionen bei der Umsetzung der von DFG und Leopoldina veröffentlichten Emp-
fehlungen zu unterstützen. Bei der Hochrisikoforschung handele es sich jedoch um ein sehr spezielles Gebiet,
dessen Fragestellungen dieser Ausschuss aufgrund seiner breiten Ausrichtung auf alle Wissenschaftsbereiche
nicht ausreichend präzise behandeln könne. Die Kontrollmechanismen der Wissenschaft alleine reichten daher
nicht aus.

Drucksache 18/8698 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Antragsteller betonen, dass die Einrichtung einer zentralen Kommission für die Hochrisikoforschung in den
Lebenswissenschaften keinesfalls einen Rückschritt für Forschungsdynamik und -freiheit bedeute. Deutschland
könne vielmehr eine Vorreiterposition innerhalb Europas für verantwortungsvolle Forschungsfreiheit ausbauen.
Orientierung böten die USA. Dort existiere bereits seit zehn Jahren die zentrale Beratungskommission National
Science Advisory Board for Biosecurity (NSABB) zur Bearbeitung von Biosecurity-Fragen. Im September 2015
sei zudem die „United States Government Policy for Institutional Oversight of Life Sciences Dual Use Research
of Concern“ in Kraft gesetzt worden.
Ein negatives Votum der DURC-Kommission stelle auch kein Forschungsverbot, sondern vielmehr ein mit hoch-
karätiger Expertise geschütztes Beratungsverfahren dar. Bindungswirkung entfalte es dadurch, dass ein Übergang
des Haftungsrisikos auf die Forscherinnen und Forscher stattfinde. Die Aussprache einer positiven Empfehlung
durch die DURC-Kommission stelle somit gleichermaßen eine Entlastung für die Forscherinnen und Forschern
dar.
Die Einrichtung einer DURC-Kommission auf gesetzlicher Grundlage sei demokratisch legitimiert, und das sei-
tens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagene Verfahren biete Transparenz. So könnten die
komplexen Fragen aus dem Bereich der Hochrisikoforschung einheitlich beurteilt werden. Dafür sei aber neben
einer interdisziplinären Security-Expertise, auch mit Blick auf gesellschaftliche Verantwortungsfragen, eine zivil-
gesellschaftliche Expertise erforderlich, die von einzelnen Universitäten oftmals nicht vorgewiesen werden kön-
ne. Gerade wenn Empfehlungen in Bezug auf die Wissenschaftsfreiheit ausgesprochen werden müssten, sei es
von großer Bedeutung, diese nicht der Selbstkontrolle der Wissenschaft zu überlassen. Die Einrichtung einer
Kommission auf gesetzlicher Grundlage führe insgesamt zu mehr Verantwortung und Sicherheit im Bereich der
Hochrisikoforschung.

Die Fraktion der CDU/CSU weist darauf hin, dass sie die Absicht der Stärkung der Biosicherheit bei Hochrisi-
koforschung in den Lebenswissenschaften grundsätzlich unterstütze. Es sei jedoch zu fragen, wie die Schaffung
einer gesetzlichen Grundlage zur Verfolgung dieser Absicht gestaltet werden könnte. Der Gesetzgeber solle nur
so viel wie nötig, bzw. so wenig wie möglich regeln. Das Erfassen aller Möglichkeiten der Nutzung und des
Missbrauchs von Forschung gestalte sich angesichts der ständig wandelnden Forschungslandschaft als äußerst
schwierig. Daneben sehe die Fraktion – anders als die Antragsteller – die Gefahr der Einschränkung der For-
schungsfreiheit. Auch die Verantwortung im Bereich der Hochrisikoforschung liege grundsätzlich bei den For-
scherinnen und Forschern selbst, sodass auch die Entscheidung einer Kommission nicht zu einer Entlastung füh-
ren könne. Der Empfehlung des Ethikrates könne somit nicht entsprochen werden.
Die Empfehlungen der DFG und der Leopoldina seien bereits ausreichend. An allen deutschen Forschungsein-
richtungen sei bis zum Jahr 2017 eine Kommission für Ethik der Forschung (KEF) zu etablieren, um sachgerecht
und verantwortungsvoll über Diskussionsfälle aus der eigenen Arbeit entscheiden zu können. Im Einzelfall, wenn
eine angemessene Entscheidung vor Ort nicht möglich sei, könnten zudem Ad-hoc-Arbeitsgruppen eingesetzt
werden. Man warne jedoch vor der Einschätzung, dass die Wissenschaftler einer Kommission qualifizierter in der
Einschätzung von Sicherheitsrisiken seien als die Kolleginnen und Kollegen, die unmittelbar mit der Forschung
befasst seien.
Die Fraktion der CDU/CSU plädiere daher vor dem Hintergrund ihrer vorgetragenen Argumente für die Ableh-
nung des Antrags.

Die Fraktion DIE LINKE. weist zunächst auf die positiven Aspekte des vorliegenden Antrags hin. Er stelle die
großen Potentiale der Lebenswissenschaften aufgrund rasch wachsender Erkenntnisse in den letzten Jahren heraus
und zeige gleichzeitig die Risiken der Hochrisikoforschung in der Biosicherheit auf. Ferner greife er die Vor-
schläge des Deutschen Ethikrates auf und fordere, die zivilgesellschaftliche Expertise einzubeziehen.
Wichtige Aspekte, die zu einer Sensibilisierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern für Gefahrpo-
tenziale in Bezug auf Biosecurity und Biosafety beitragen würden, seien im Antrag jedoch nicht berücksichtigt
worden. Beispielhaft zu benennen sei das Angebot entsprechender Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Da-
neben würden „Cyberkriminelle“ und „Bioterroristen“ als einziges Gefahrenpotential identifiziert, während die
grundsätzliche Wissenschaftsverantwortung der einzelnen Forscherin und des einzelnen Forschers nicht ausrei-
chend in den Blick genommen werde. Die Fraktion DIE LINKE. werde sich daher der Stimme enthalten.

Die Fraktion der SPD leitet ein, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen differenzierten Antrag
vorgelegt habe und damit die etwa vierjährige Diskussion über das Thema in Gang halte. Die Fraktion der SPD
habe eine Kleine Anfrage zum Thema an die Bundesregierung gestellt und die Stellungnahme des Deutschen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/8698
Ethikrates im Blick gehabt, die sich im Wesentlichen auf das Thema „Biosicherheit“ konzentriere. Der vorlie-
gende Antrag differenziere jedoch zu wenig zwischen Hochrisikoforschung im Allgemeinen und Biosicherheit
im Besonderen.
Die Beschränkung auf die Biosicherheit bei der Hochrisikoforschung gehe fehl. Dies sei bereits bei der Diskussion
in den USA zur Forschung mit Milzbrand-Erregern deutlich geworden. Die Art der Regulierung in den USA sei
entgegen den Ausführungen im Antrag kein gutes Beispiel für den Umgang mit Biosicherheit. Dort würden staat-
lich durchgeführte Forschungsvorhaben innerhalb der unterschiedlichen Bundesstaaten teilweise stark reguliert,
während private Forschungsvorhaben keinerlei Grenzen unterlägen. Auch die Milzbrand-Diskussion sei zunächst
auf den Bereich der Biosicherheit beschränkt worden. Das Problem in diesem Zusammenhang sei jedoch die
technisch-physikalische Verbreitung des Erregers gewesen, die zunächst nicht mit den Lebenswissenschaften im
Zusammenhang stehe. Bei Fragestellungen zur Hochrisikoforschung sei es wichtig, alle Wissenschaftsbereiche
einzubeziehen. Der von der DFG und der Leopoldina vorgeschlagene Ansatz, einen bereichsübergreifenden Aus-
schuss einzusetzen, solle daher nicht kritisiert werden.
Ein zentraler Punkt, der im Rahmen des Antrags keine Erwähnung finde, sei die Sensibilisierung und Information
von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Wenn diese nicht wüssten, was sie mit ihren Forschungsvorha-
ben auslösen könnten, sei eine gesetzliche Regelung zur Einrichtung einer Kommission auch wenig hilfreich. In
der Selbstregulierung der Wissenschaft liege somit ein wichtiger Schritt, der eventuell ausreichend und daher in
seiner Entwicklung zunächst zu beobachten sei. Die Notwendigkeit einer Expertenkommission bestehe derzeit
nach Auffassung der Fraktion der SPD nicht. Nach einem Zeitraum von einem Jahr könnten die Fortschritte, die
von Hochschulen, Universitäten und Wissenschaftsorganisationen im Bereich der Information und Sensibilisie-
rung erzielt würden, noch einmal begutachtet werden. Die SPD-Fraktion fordere daher, im nächsten Jahr einen
Bilanzbericht vorzulegen, in dem die Bundesregierung rückblickend eine Bewertung der Umsetzung der von der
DFG und der Leopoldina vorgeschlagenen Empfehlungen vornehme. Eine endgültige Entscheidung über die Ein-
richtung einer DURC-Kommission könnte dann erneut beraten werden.
Es sei von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgeführt worden, dass die Forscherinnen und For-
scher durch die Empfehlung einer Kommission entlastet würden. Ob dies tatsächlich zu besseren Entscheidungen
führe, sei jedoch fraglich. Wäre vor fünf Jahren beispielsweise entschieden worden, dass die Ebola-Forschung
mit zu vielen Missbrauchsrisiken verbunden sei, hätten die Erkenntnisse, für die man im Nachgang der Epidemie
dankbar sei, nicht erzielt werden können.
Soweit Forschungsvorhaben trotz eines negativen Votums der DURC-Kommission durchgeführt würden, sehe
der Antrag eine Streichung von Fördermitteln vor. In diesem Zusammenhang sei jedoch lediglich eine Streichung
staatlicher Fördermittel möglich, sodass private Förderungen nicht von dieser Sanktion umfasst seien. Miss-
brauchsgefährdete Forschungsvorhaben könnten damit nach wie vor von Hochschulen mit eigenen Mitteln geför-
dert werden.
Eine zentrale Bedeutung beim Thema „Biosicherheit in der Hochrisikoforschumg“ hätte nach Auffassung der
Fraktion der SPD die Eigenverantwortung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf Sensibilisierung
und Information beruhe. Hier biete der vorliegende Antrag keine Lösung. Daher werde die Fraktion der SPD ihn
ablehnen.

Von Seiten der Bundesregierung wird betont, dass die Selbstkontrolle der Wissenschaft einen zentralen Aspekt
darstelle, um das gemeinsame Ziel der Minimierung von Missbrauchsrisiken biosicherheitsrelevanter Hochrisiko-
forschung zu erreichen. Grundlage der Diskussion bildeten die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates im Auf-
trag der Bundesregierung sowie die Gemeinsamen Empfehlungen zur Wissenschaftsfreiheit und Wissenschafts-
verantwortung der DFG und der Leopoldina im Juni 2014. Die Empfehlungen enthielten auch einen gemeinsamen
Verhaltenskodex. Damit habe die Wissenschaft einen ersten Schritt in Richtung einer Verantwortungsübernahme
getan. Es sei jedoch festzuhalten, dass damit Missbrauch – insbesondere terroristischem Missbrauch – nur bedingt
entgegengewirkt werden könne.
Seitens der DFG und der Leopoldina werde das System der Selbstverpflichtung der Wissenschaft als zielführend
erachtet. Die Einrichtung eines Gemeinsamen Ausschusses sowie anderer Gremien an den jeweiligen Forschungs-
einrichtungen seien erste Konkretisierungen dieses Prozesses. Die Bundesregierung werde die Fördermittel für
Forschungsvorhaben im Bereich der Lebenswissenschaften entsprechend dem „Leopoldina-Prozess“ vergeben.
Die Antragsstellerinnen und Antragssteller würden bereits im Rahmen der Bekanntmachungen von Förderpro-
grammen gebeten, dieses Verfahren zu beachten.

Drucksache 18/8698 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Die Bundesregierung führt weiter aus, dass im Hinblick auf das Thema „Biosicherheit“ eine Orientierung an den
USA nicht so einfach möglich sei, wie von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dargestellt. Die Unter-
scheidung zwischen Forschung an privaten und staatlichen Instituten sei bereits angesprochen worden. Darüber
hinaus würden Biosafety- und Biosecurity-Aspekte oftmals miteinander vermischt, während in Deutschland weit-
aus umfassendere Regelungen für den Bereich „Biosafety“ existierten. Hierzulande gebe es beispielsweise das
Gentechnikgesetz, das Sicherheitsüberprüfungsgesetz, die Ausfuhrregelungen sowie die Dual-Use-Verordnung.
Darüber hinaus seien die Kommissionen für Ethik der Forschung, der Gemeinsame Ausschuss zum Umgang mit
sicherheitsrelevanter Forschung sowie die Ad-hoc-Arbeitsgruppen, die die Funktion einer DURC-Kommission
wahrnehmen würden, zu benennen.
Die Diskussion über Forschungsvorhaben mit Gefahrpotenzial erfordere eine breite Betrachtung unter Einbezie-
hung jeglicher Bereiche der Wissenschaft. Eine Beschränkung auf den Bereich der Lebenswissenschaften sei we-
nig förderlich. Mit der Empfehlung der DFG und der Leopoldina zur Einrichtung eines Gemeinsamen Ausschus-
ses, der sich mit allen Wissenschaftsbereichen befasse, werde somit ein richtiger Ansatz verfolgt.
Die Leopoldina werde zum Jahreswechsel 2017/2018 erstmalig eine Bewertung der Entwicklungen vornehmen,
die sich seit der Veröffentlichung ihrer Empfehlungen ergeben hätten. Diese Frist habe sich nunmehr auch die
Bundesregierung gesetzt, um beurteilen zu können, ob politischer, regulatorischer oder gesetzgeberischer Hand-
lungsbedarf bestehe.
Berlin, den 13. Januar 2016

Stephan Albani
Berichterstatter

René Röspel
Berichterstatter

Nicole Gohlke
Berichterstatterin

Kai Gehring
Berichterstatter

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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