BT-Drucksache 18/8606

Militärische Abschreckung und gefährliche Zwischenfälle - Verhältnis zwischen NATO und Russischer Föderation

Vom 26. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8606
18. Wahlperiode 26.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Alexander S. Neu, Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko,
Christine Buchholz, Annette Groth, Heike Hänsel, Dr. André Hahn, Inge Höger,
Niema Movassat und der Fraktion DIE LINKE.

Militärische Abschreckung und gefährliche Zwischenfälle – Verhältnis zwischen
NATO und Russischer Föderation

Die NATO setzt gegenüber Russland längst wieder auf das Prinzip Abschre-
ckung. In schneller Folge finden Großmanöver an der Grenze Russlands statt. Der
Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 lässt eine weiter verstärkte Präsenz von
NATO-Kräften in Osteuropa erwarten. Da die NATO-Russland-Grundakte eine
dauerhafte Stationierung zusätzlich substantieller Kampftruppen in den östlichen
Mitgliedstaaten der NATO verbietet, sollen an die Grenzen Osteuropas verlegte
NATO-Kräfte künftig zwischen mehreren NATO-Mitgliedstaaten „rotieren“.
Unterdessen häufen sich im Kontext der sich seit Ende 2013 zuspitzenden sicher-
heitspolitischen Konfrontation zwischen NATO, Europäischer Union, deren Mit-
gliedstaaten und der Russischen Föderation Meldungen über militärische Provo-
kationen und gefährliche Zwischenfälle. Die Protagonisten bezichtigen sich ge-
genseitiger angeblicher Verletzungen ihrer territorialen Souveränität; insbeson-
dere (aber nicht nur) werden Luftraumverletzungen und Verletzungen von Ho-
heitsgewässern behauptet. Der mit einer Luftraumverletzung begründete Ab-
schuss eines russischen Jagdbombers über dem syrisch-türkischen Grenzgebiet
durch die Türkei im November 2015 ist soweit bekannt bislang der einzige Zwi-
schenfall geblieben, in dem es tatsächlich zu einer Anwendung militärischer Ge-
walt kam. Immer wieder wird aber über kritische Situationen berichtet, vor allem
durch nah an Kräften der jeweils anderen Seite durchgeführte Flugmanöver –
häufig über der Ostsee und dem Schwarzen Meer, wo beide Seiten verstärkt Mi-
litärpräsenz zeigen –, die als Provokationen gewertet werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie häufig sind fliegende Plattformen der Russischen Föderation nach

Kenntnis der Bundesregierung in den Luftraum von NATO-Mitgliedstaaten
im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 20. Mai 2016 eingedrungen (bitte
genaue Daten zu Zeitpunkt, geographischer Raum und Eindringtiefe inklu-
sive Koordinaten, Eindringzeitraum der Souveränitätsverletzung sowie kon-
krete Typenbezeichnung und Fähigkeitsprofil der Plattform angeben)?

2. Wie häufig sind nach Kenntnis der Bundesregierung fliegende Plattformen
von NATO-Mitgliedstaaten in den Luftraum der Russischen Föderation im
Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 20. Mai 2016 eingedrungen (bitte ge-
naue Daten zu Zeitpunkt, geographischer Raum und Eindringtiefe inklusive
Koordinaten, Eindringzeitraum der Souveränitätsverletzung sowie konkrete
Typenbezeichnung und Fähigkeitsprofil der Plattform angeben)?

Drucksache 18/8606 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

3. Wie häufig sind schwimmende Plattformen der Russischen Föderation nach
Kenntnis der Bundesregierung in Hoheitsgewässer (12-Meilen-Zone) von
NATO-Mitgliedstaaten im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum
20. Mai 2016 eingedrungen (bitte genaue Daten zu Zeitpunkt und geographi-
scher Raum inklusive Koordinaten, Eindringzeitraum der Souveränitätsver-
letzung sowie konkrete Typenbezeichnung und Fähigkeitsprofil der Platt-
form angeben)?

4. Wie häufig sind schwimmende Plattformen von NATO-Mitgliedstaaten nach
Kenntnis der Bundesregierung in Hoheitsgewässer der Russischen Födera-
tion im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 20. Mai 2016 eingedrungen
(bitte genaue Daten zu Zeitpunkt und geographischer Raum inklusive Koor-
dinaten, Eindringzeitraum der Souveränitätsverletzung sowie konkrete Ty-
penbezeichnung und Fähigkeitsprofil der Plattform angeben)?

5. Wie häufig sind Truppen oder einzelne Soldaten der Russischen Föderation
nach Kenntnis der Bundesregierung in das Hoheitsgebiet von NATO-Mit-
gliedstaaten im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 20. Mai 2016 einge-
drungen (bitte genaue Daten zu Zeitpunkt und geographischer Raum inklu-
sive Koordinaten und Eindringzeitraum der Souveränitätsverletzung ange-
ben)?
Welchen Auftrag hatten die Kräfte nach Erkenntnissen oder Einschätzung
der NATO bzw. der Bundesregierung?

6. Wie häufig sind Truppen oder einzelne Soldaten (auch Spezialkräfte) von
NATO-Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregierung in das Hoheits-
gebiet der Russischen Föderation im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum
20. Mai 2016 eingedrungen (bitte genaue Daten zu Zeitpunkt und geographi-
scher Raum inklusive Koordinaten sowie Eindringzeitraum der Souveräni-
tätsverletzung angeben)?
Welchen Auftrag hatten die Kräfte nach Erkenntnissen der NATO bzw. der
Bundesregierung?

7. Wie häufig haben NATO-Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung fliegende Plattformen der Russischen Föderation im grenznahen Be-
reich abgefangen, und wie grenznah waren die Zwischenfälle (bitte genaue
Daten zu Zeitpunkt und geographischer Raum inklusive Koordinaten, Zeit-
raum des Zwischenfalls sowie konkrete Typenbezeichnung und Fähigkeits-
profil der Plattform angeben)?

8. Wie häufig hat die Russische Föderation nach Kenntnis der Bundesregierung
fliegende Plattformen von NATO-Mitgliedstaaten im grenznahen Bereich
abgefangen, und wie grenznah waren die Zwischenfälle (bitte genaue Daten
zu Zeitpunkt und geographischer Raum inklusive Koordinaten, Zeitraum des
Zwischenfalls sowie konkrete Typenbezeichnung und Fähigkeitsprofil der
Plattform angeben)?

9. Wie häufig haben NATO-Mitgliedstaaten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung schwimmende Plattformen der Russischen Föderation im grenznahen
Bereich abgefangen, und wie grenznah waren die Zwischenfälle (bitte ge-
naue Daten zu Zeitpunkt und geographischer Raum inklusive Koordinaten,
Zeitraum des Zwischenfalls sowie konkrete Typenbezeichnung und Fähig-
keitsprofil der Plattform angeben)?

10. Wie häufig hat die Russische Föderation nach Kenntnis der Bundesregierung
schwimmende Plattformen von NATO-Mitgliedstaaten im grenznahen Be-
reich abgefangen, und wie grenznah waren die Zwischenfälle (bitte genaue
Daten zu Zeitpunkt und geographischer Raum inklusive Koordinaten, Zeit-
raum des Zwischenfalls sowie konkrete Typenbezeichnung und Fähigkeits-
profil der Plattform angeben)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8606
 

11. Wie viele Zwischenfälle wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seitens
russischer fliegender und schwimmender Plattformen initiiert, und was wa-
ren die jeweils zu vermutenden Motive der russischen Seite, bzw. welche
Erkenntnisse liegen hierzu vor (bitte genaue Daten zu Zeitpunkt und geogra-
phischer Raum inklusive Koordinaten, Zeitraum des Zwischenfalls sowie
konkrete Typenbezeichnung und Fähigkeitsprofil der Plattform angeben)?

12. Wie viele Zwischenfälle wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seitens
fliegender und schwimmender Plattformen von NATO-Mitgliedstaaten ini-
tiiert, und was waren die jeweiligen Motive der NATO-Mitgliedstaaten (bitte
genaue Daten zu Zeitpunkt und Raum inklusive Koordinaten, Zeitraum des
Zwischenfalls sowie konkrete Typenbezeichnung und Fähigkeitsprofil der
Plattform angeben)?

13. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung darüber, ob NATO-Mit-
gliedstaaten ihre Transponder im grenznahen Bereich zur Russischen Föde-
ration ausschalten?

14. Wie viele Zwischenfälle hat es nach Kenntnis der Bundesregierung im Zeit-
raum vom 1. Januar 2014 bis zum 20. Mai 2016 zwischen militärischen Kräf-
ten von NATO-Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation gegeben, die
als hochgradig gefährlich eingestuft werden?

15. Wie viele NATO-Manöver wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in
den Jahren 2013, 2014, 2015 sowie im Zeitraum vom 1. Januar bis zum
20. Mai 2016 in den nord- und osteuropäischen NATO-Staaten sowie der
Ukraine in welcher personellen Stärke, mit welchen Großwaffensystemen
und mit welchem militärischem Ziel (Auftrag) durchgeführt (bitte Angaben
jeweils für ein Kalenderjahr tätigen)?
Bei welchen dieser Manöver war die Bundeswehr in welcher Personalstärke
mit welchen Waffensystemen beteiligt?

16. Wie viele Manöver hat die Russische Föderation nach Kenntnis der Bundes-
regierung in den Jahren 2013, 2014, 2015 sowie im Zeitraum vom 1. Januar
bis zum 20. Mai 2016 mit welcher jeweiligen Personalstärke, mit welchen
Großwaffensystemen und mit welchem militärischem Ziel (Auftrag) durch-
geführt, die näher als 100 Kilometer an der Grenze zu NATO-Staaten statt-
fanden (bitte jeweils Angaben für ein Kalenderjahr tätigen und den NATO-
Staat, in dessen Nähe das Manöver stattfand, benennen)?

17. Wie interpretiert die Bundesregierung die folgende Passage der Grundakte
über gegenseitige Beziehungen, Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen
der NATO und der Russischen Föderation: „Die NATO wiederholt, dass das
Bündnis in dem gegenwärtigen und vorhersehbaren Sicherheitsumfeld seine
kollektive Verteidigung und andere Aufgaben eher dadurch wahrnimmt, dass
es die erforderliche Interoperabilität, Integration und Fähigkeit zur Verstär-
kung gewährleistet, als dass es zusätzlich substantielle Kampftruppen dauer-
haft stationiert“?
a) Ist die Aussage, „zusätzlich substantielle Kampftruppen dauerhaft statio-

niert“, auf die dauerhafte Stationierung bestimmter Einheiten bezogen zu
verstehen oder bezogen auf bestimmte Fähigkeitsprofile, also losgelöst
von der Stationierung einer bestimmten Einheit?

b) Welchen personellen Umfang dürfen Kampftruppen besitzen, um als
noch nicht „substantiell“ zu gelten?
Findet eine Bewertung des „Substantiellen“ auch hinsichtlich der Fähig-
keitsprofile von Kampftruppen statt, und wenn ja, nach welchen Fähig-
keitsprofilen wird differenziert, so dass insoweit der Begriff „substanti-
ell“ unterschiedliche Bedeutung erhält?

Drucksache 18/8606 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

c) Welchen Zeitraum versteht die Bundesregierung als „dauerhaft“ in die-
sem Kontext?

18. Welche weiteren Aufbaumaßnahmen (wo, wann und in welchem Umfang)
zum NATO-Raketenabwehrsystem sind geplant, werden zwischen den
Bündnispartnern als nationale oder kooperative Beiträge diskutiert bzw. sind
bereits entschieden und befinden sich im Aufbau, nachdem in Rumänien am
12. Mai 2016 die Erstbefähigung verkündet wurde?

19. Welche militärischen (bereits ergriffenen sowie geplanten) Gegenmaßnah-
men seitens der Russischen Föderation zur Neutralisierung bzw. Umgehung
des NATO-Raketenabwehrsystems sind der Bundesregierung und nachge-
ordneten Behörden bekannt?

20. Wie bewertet die Bundesregierung die Effektivität und Effizienz derartiger
militärischer Gegenmaßnahmen der Russischen Föderation im Falle ihrer
Anwendung, und welche zerstörerischen Konsequenzen hätte dies für das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland?

Berlin, den 26. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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