BT-Drucksache 18/8605

Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und Stärkung ihrer Vertretung in den Gremien der Selbstverwaltung

Vom 27. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8605
18. Wahlperiode 27.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Franziska Brantner, Katja Dörner,
Kai Gehring, Ulle Schauws, Tabea Rößner, Doris Wagner,
Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und Stärkung ihrer
Vertretung in den Gremien der Selbstverwaltung

Gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen bieten vielen Betroffenen Halt und Ori-
entierung. Mit ihren Angeboten eröffnen sie allen Bürgerinnen und Bürgern wich-
tige Beratungs- und Unterstützungsangebote. Hier bietet sich ihnen die Möglich-
keit, von Expertenwissen aus eigener Betroffenheit zu profitieren und in einen
Erfahrungsaustausch über den praktischen Umgang mit der Krankheit oder der
Behinderung zu treten. Durch die so gewonnenen Informationen werden die Be-
troffenen befähigt, ihre Interessen gegenüber Behandlerinnen und Behandlern zu
vertreten und mit den Behandlungsempfehlungen kompetent umzugehen. In den
gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppen weisen Gespräche über die eigenen
Gefühle, die Probleme im täglichen Leben oder einfach die Möglichkeit des ge-
selligen Beisammenseins einen Weg aus der sozialen Isolation.
Darüber hinaus wirken Selbsthilfeorganisationen gemäß § 140f des Fünften Bu-
ches Sozialgesetzbuch (SGB V) an der Wahrnehmung der Interessen der Patien-
tinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und Menschen mit
Behinderung in Fragen, die die Versorgung betreffen, mit. In dieser Funktion leis-
ten die maßgeblichen gesundheitsbezogenen Selbsthilfeorganisationen einen un-
ersetzlichen Beitrag, um das Interessendreieck im Gesundheitswesen zwischen
Kostenträgern, Leistungserbringern und Patientinnen und Patienten abzubilden.
Der Umfang der sich hier stellenden Aufgaben hat in den letzten Jahren kontinu-
ierlich zugenommen. Mittlerweile sitzen die Selbsthilfeorganisationen nicht nur
im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), im Institut für Qualität und Wirt-
schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), im Institut für Qualitätssicherung
und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) mit am Tisch, sondern sind u. a.
auch in der Ethikkommission und in den Gremien auf Länderebene präsent. Pati-
entenvertreter und Patientenvertreterinnen müssen nicht nur einen hohen Koordi-
nations- und Verwaltungsaufwand leisten, sie müssen sich fortlaufend bilden, um
in den Gremien oftmals komplizierte gesundheitspolitische Vorgänge im Inte-
resse der Patientinnen und Patienten zu begleiten.
Angesichts der gestiegenen Verantwortung geben die Selbsthilfeorganisationen
jedoch verstärkt zu bedenken, dass sich diese nur unzureichend in den Förderzu-
wendungen widerspiegelt und eine Wahrnehmung der zugewiesenen Aufgaben
zunehmend erschwere.

Drucksache 18/8605 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:

Umfang, Art und Finanzierung der Selbsthilfe
1. Wie viele Selbsthilfegruppen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in

Deutschland, und wie hat sich diese Zahl in den letzten 20 Jahren entwickelt
(bitte nach Bundesland und Themengebiet des Engagements aufschlüsseln)?

2. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Größe der Selbsthilfegrup-
pen und -organisationen in Deutschland verteilt, und wie hat sich diese in
den letzten 20 Jahren entwickelt (bitte die Durchschnittsgröße, den Median,
sowie in absoluten Zahlen in den Kategorien bis 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70,
80, 90, 100, 200, 300, 400, 500, 600, 700, 800, 900, 1000, 5000 und mehr als
10 000 Mitglieder angeben)?

3. Wie stellt sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Schwerpunkt der Tä-
tigkeiten der Selbsthilfegruppen dar?

4. Welche Angebote (Beratung, Patientenschulungen, Funktionstraining etc.)
halten die Selbsthilfegruppen und -organisationen nach Kenntnis der Bun-
desregierung für ihre organisierten Mitglieder sowie alle Bürgerinnen und
Bürger vor?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung
a) insgesamt,
b) im Durchschnitt und im Median
hauptamtlich bei Organisationen der Selbsthilfe beschäftigt?

6. a) Wie viele Selbsthilfekontaktstellen gibt es, und wie sind diese auf das
Bundesgebiet verteilt?

b) Sieht die Bundesregierung hier Verbesserungsbedarf, und wenn ja, wel-
chen?

7. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung das Verhältnis von Fehlbe-
darfsfinanzierung zu Festbetragsfinanzierung in der Selbsthilfeförderung
durch die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Fehlbedarfsfinanzierung im Hinblick
auf Zweckmäßigkeit und Planungssicherheit auf Seiten der Selbsthilfegrup-
pen und -organisationen?

9. a) Existieren nach Kenntnis der Bundesregierung Anhaltswerte oder andere
Instrumente, um den Personalbedarf bei den Selbsthilfegruppen und -or-
ganisationen mit Blick auf den Förderbedarf festzustellen?

b) Wenn ja, inwiefern werden diese genutzt?
10. a) Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Art der Verbu-

chung der Selbsthilfeförderung seitens der gesetzlichen Krankenkassen
im Hinblick auf eine Verbuchung nach Konto 513 (Förderung von Selbst-
hilfeorganisationen, -gruppen und -kontaktstellen durch Zuschuss) oder
Konto 514 („ohne Zuschuss“) vor?

b) Plant die Bundesregierung den Erlass einer Rechtsverordnung, um die
Verwendung des Kontos 514 enger zu definieren oder dieses gänzlich zu
schließen und so einer zweckfremden Verwendung der Selbsthilfeförde-
rung für Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit vorzubeugen?

11. Wie hoch bemessen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die von den
Selbsthilfegruppen und -organisationen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben
eingebrachten finanziellen Eigenmittel, und aus welchen Quellen speisen
sich diese Mittel?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8605
 

12. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über Art und Ausmaß des im Rahmen
der Selbsthilfe geleisteten ehrenamtlichen Engagements?

13. Welche Steuerungsinstrumente existieren nach Kenntnis der Bundesregie-
rung, um ehrenamtliches Engagement im Rahmen der gesundheitsbezogenen
Selbsthilfe zu fördern?

14. a) Von welchen öffentlichen Stellen beziehen Selbsthilfegruppen, -organisa-
tionen, -kontaktstellen und Dachorganisationen nach Kenntnis der Bun-
desregierung neben den gesetzlichen Krankenkassen und ihren Verbänden
noch Mittel zur Selbsthilfeförderung?

b) Wie ist diese Förderung nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils aus-
gestaltet?

c) Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Summe dieser För-
dermittel, und wie ist sie auf die einzelnen Selbsthilfegruppen, -organisa-
tionen, -kontaktstellen und Dachorganisationen verteilt?

15. Wie hat sich das Verhältnis der, von Krankenkassen und ihren Verbänden
bereitgestellten, Fördermitteln zu, von anderer Seite bereitgestellten, Förder-
mitteln seit Beginn der gesetzlich geregelten Selbsthilfeförderung entwickelt
(bitte nach einzelnen Kostenträgern bzw. Untergruppen aufschlüsseln)?

16. Inwiefern beteiligen sich die Träger der privaten Krankenversicherung an der
Förderung der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe?

17. a) Welchen Weiterentwicklungsbedarf sieht die Bundesregierung anlässlich
der, im Rahmen der bereits publizierten Berichte des SHILD-Projektes
(SHILD: Gesundheitsbezogene Selbsthilfe in Deutschland – Entwicklun-
gen, Wirkungen, Perspektiven), identifizierten Problemfelder der Selbst-
hilfegruppen und -organisationen im Bereich Selbstorganisation, Gewin-
nung neuer, insbesondere junger, Mitglieder, Nutzung der technischen
Entwicklungen, Aktivierung von Mitgliedern für besondere Aufgaben
etc.?

b) Wie hoch schätzt die Bundesregierung den hierfür erforderlichen Förder-
bedarf ein?

18. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Über- bzw. Unterschrei-
tung des Plan-Soll-Verhältnisses für Leistungen der Selbsthilfeförderungen
durch die Krankenkassen nach § 20h SGB V in den Jahren 2010 bis 2015
a) bezogen auf die kassenartübergreifende Gemeinschaftsforderung und die

krankenkassenindividuelle Förderung insgesamt,
b) bezogen auf die kassenartübergreifende Gemeinschaftsförderung,
c) bezogen auf die krankenkassenindividuelle Förderung auf Bundesebene,
d) bezogen auf die krankenkassenindividuelle Förderung auf Landes- und

Ortsebene, und
e) falls es zu einer Über- oder Unterschreitung gekommen ist, wie ist diese

nach Einschätzung der Bundesregierung zu erklären
(bitte nach absoluten Zahlen und relativ zur jeweils insgesamt zur Verfügung
gestellten Plan- und Fördersumme aufschlüsseln)?

19. In welchem Umfang haben die Krankenkassen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung von ihrem Recht Gebrauch gemacht, der kassenartübergreifenden
Gemeinschaftsförderung einen, über den 50-prozentigen Pflichtanteil hin-
ausgehenden, Anteil der Gesamtfördermittel nach § 20h SGB V zur Verfü-
gung zu stellen und damit den Anteil der kassenindividuellen Förderung zu
verringern (bitte nach Landes- und Ortsebene differenzieren)?

Drucksache 18/8605 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

20. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung zu den Kriterien der Entscheidung
über das Ob und die Höhe der Bewilligung von krankenkassenindividuellen
Fördermitteln durch die Krankenkassen?

21. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, in welchem Ausmaß und
Umfang Fördermittel der gesetzlichen Krankenkassen oder ihrer Verbände
im Rahmen der projektbezogenen Förderung, anstelle einer Vorfinanzierung,
erst nach Umsetzung des Projekts geleistet werden und sieht die Bundesre-
gierung hier Handlungsbedarf im Hinblick auf die Ermöglichung von Pla-
nungssicherheit auf Seiten der Selbsthilfegruppen und -organisationen?

22. Plant die Bundesregierung Maßnahmen, um die Transparenz und Förderge-
rechtigkeit bei der Vergabe der Fördermittel zu erhöhen?

23. Wie viele und welche Schwerpunkte existieren nach Kenntnis der Bundesre-
gierung im Bereich der kassenindividuellen Förderung?

24. Wie verteilt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Höhe der bewillig-
ten Fördermittel pro Förderantrag in der krankenkassenindividuellen Förde-
rung auf Bundes-, Landes- und Ortsebene?

25. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie viele Förderanträge bei ver-
schiedenen Krankenkassen eine Selbsthilfegruppe bzw. -organisation durch-
schnittlich zur Finanzierung eines Projektes stellt?

26. Wie verteilt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Höhe der bewillig-
ten Fördermittel pro Förderantrag in der Gemeinschaftsförderung auf Bun-
des-, Landes- und Ortsebene?

27. a) Wie lange dauert nach Kenntnis der Bundesregierung durchschnittlich ein
Verfahren zur Bearbeitung eines Förderantrags aus der Selbsthilfeförde-
rung gemäß § 20h SGB V?

b) Sieht die Bundesregierung Verbesserungsbedarf beim Vergabeverfahren
der Selbsthilfeförderung gemäß § 20h SGB V?

28. Welche Fort- und Weiterbildungsprogramme existieren nach Kenntnis der
Bundesregierung auf Bundes- und Länderebene zur Unterstützung von Mit-
gliedern von Selbsthilfegruppen und -organisationen bei der Bewältigung ih-
rer Aufgaben in den Selbsthilfegruppen oder -organisationen?

29. Wie viele dieser Fort- und Weiterbildungsprogramme wurden nach Kenntnis
der Bundesregierung durch die öffentliche Hand oder aus Mitteln der gesetz-
lichen Krankenversicherung gefördert, und mit welchem finanziellen Auf-
wand?

Mitarbeit in den Gremien der Selbstverwaltung
30. In welchen Gremien auf Bundes- und Landesebene und in welcher Zahl sind

Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter nach Kenntnis der Bundesre-
gierung an den Beratungen beteiligt?

31. Über welche Befugnisse verfügen die Patientenvertreterinnen und Patienten-
vertreter bei der Teilnahme in den genannten Gremien?

32. a) In welcher Form werden die Patientenvertreterinnen und Patientenvertre-
ter bei ihrer Beteiligung an den genannten Gremien auf Bundesebene,
über die Unterstützung ihrer entsendenden Organisation hinaus, unter-
stützt?

b) In welcher Form werden die Patientenvertreterinnen und Patientenvertre-
ter bei ihrer Teilnahme an den genannten Gremien auf Landesebene, über
die Unterstützung ihrer entsendenden Organisation hinaus, unterstützt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8605
 

33. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Umsetzungsstand des § 140f
Absatz 7 SGB V?

34. Welche finanziellen Mittel stehen, nach Kenntnis der Bundesregierung, den
in den Gremien auf Bundes- und Länderebene beteiligten Organisationen für
die Koordination und Verwaltung, der durch diese Beteiligung entstehenden
Aufgaben, sowie für die Bildung und Fortbildung der entsandten Vertrete-
rinnen und Vertreter zur Verfügung?

35. Inwiefern ist nach Einschätzung der Bundesregierung die Koordinationsar-
beit für die Patientenarbeit im Wege der Selbsthilfeförderung nach § 20h
SGB V
a) als Pauschalförderung,
b) als Projektförderung förderfähig, und
c) sieht die Bundesregierung hier Verbesserungsbedarf?

Finanzierung durch Dritte
36. Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung über den Umfang finanzi-

eller Zuwendungen von nichtstaatlicher Seite, wie beispielsweise pharma-
zeutischen Unternehmen oder anderen Unternehmen der Gesundheitswirt-
schaft an Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen?

37. Bei welchen Krankheiten bzw. Indikationen liegen nach Kenntnis der Bun-
desregierung die Schwerpunkte der Selbsthilfeförderung durch Unternehmen
der Gesundheitswirtschaft?

38. Welche Transparenzvorschriften gibt es, mit denen Selbsthilfegruppen die
Herkunft der von ihnen aufgebrachten Eigenmittel offenlegen müssen?

39. a) Sieht die Bundesregierung die bestehenden Regelungen für ausreichend
an, um eine Unabhängigkeit der Selbsthilfeaktivitäten von wirtschaftli-
chen Interessen zu gewährleisten?
Wenn ja, wieso?

b) Falls nicht, wie will die Bundesregierung diesem Umstand abhelfen?
40. Sind der Bundesregierung Interessenkonflikte bei den in die Selbstverwal-

tung einbezogenen Patientenvertreterinnen und Patientenvertretern bekannt
geworden?

41. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit von Selbstverpflich-
tungen der Akteure der Selbsthilfe, um eine Unabhängigkeit der Selbst-
hilfeaktivitäten von wirtschaftlichen Interessen zu gewährleisten?

b) Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit von Monitoring-Stel-
len bei den Dachverbänden der Selbsthilfe, um eine Unabhängigkeit der
Selbsthilfeaktivitäten von wirtschaftlichen Interessen zu gewährleisten?

42. Sieht die Bundesregierung weiteren Handlungsbedarf, um Ratsuchenden
mehr Transparenz über die finanziellen Beziehungen von für sie relevanten
Selbsthilfegruppen und -organisationen zu ermöglichen?

Berlin, den 27. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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