BT-Drucksache 18/8492

Erweiterung grenzpolizeilicher und polizeilicher Datenbanken der Europäischen Union mit Fähigkeiten zur Gesichtserkennung

Vom 13. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8492
18. Wahlperiode 13.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Frank Tempel, Jan van Aken, Annette Groth,
Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Jan Korte, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Erweiterung grenzpolizeilicher und polizeilicher Datenbanken der Europäischen
Union mit Fähigkeiten zur Gesichtserkennung

Die Europäische Kommission hat am 4. Mai 2016 ihren Vorschlag zur Neufas-
sung der EURODAC-Verordnung vorgelegt (2016/0132(COD)). Geplant sind er-
höhte Speicherfristen, die Erweiterung von Datenkategorien und Abgleichsfähig-
keiten. Bisher wird EURODAC zum Abgleich von Fingerabdrücken genutzt. Nun
soll das System auch Gesichtsbilder speichern und Fähigkeiten zur Gesichtser-
kennung erhalten. Dem Vorschlag der Kommission zufolge soll die Abnahme von
Gesichtsbildern bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung nun verpflichtend
werden. Zusammen mit den Fingerabdrücken werden die Bilder im EURODAC-
Zentralsystem gespeichert. Dies beträfe auch Personen, die auf dem Gebiet der
Mitgliedstaaten aufgegriffen werden. Während die Abnahme bereits mit Inkraft-
treten der neuen Verordnung erfolgen soll, werden Technologien zu deren Verar-
beitung erst später eingeführt. Die Kommission will spätestens im Jahr 2020 eine
Machbarkeitsstudie zur Einführung der nötigen Gesichtserkennungssoftware
durchführen. Die Kosten für das runderneuerte Gesamtsystem werden mit rund
30 Mio. Euro beziffert. Mit der neuen Verordnung soll EURODAC zum „Vor-
läufer“ zur Einführung von Gesichtserkennung auch in anderen EU-Datenbanken
werden. Laut dem Verordnungsvorschlag soll die Grenzagentur FRONTEX le-
send und schreibend auf die EURODAC-Daten zugreifen dürfen. Auch die Poli-
zeiagentur EUROPOL in Den Haag dürfte die Informationen durchsuchen. Fä-
higkeiten zur Verarbeitung von Gesichtsbildern werden dort bereits seit geraumer
Zeit entwickelt, EUROPOL stützt sich dabei auf Erfahrungen des Bundeskrimi-
nalamtes (BKA) (Bundestagsdrucksache 18/4193).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die Notwendigkeit oder den Nutzen, in

Datenbanken der Europäischen Union Gesichtsbilder zu speichern und diese
mit Fähigkeiten zur Gesichtserkennung zu verarbeiten?

2. Für welche grenzpolizeilichen Bereiche oder Kriminalitätsphänomene sollte
dies prioritär umgesetzt werden?

3. Welche Datenbanken sollten aus Sicht der Bundesregierung in welcher Rei-
henfolge mit entsprechenden Funktionen ergänzt oder neu errichtet werden?

4. Für welche Zwecke sollten eine Speicherung der Gesichtsbilder und die Ge-
sichtserkennung aus Sicht der Bundesregierung vorgenommen werden kön-
nen?

Drucksache 18/8492 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

5. Inwiefern ist die Bundesregierung der Ansicht, dass eine Suche in Datenban-
ken wie EURODAC nicht nur zur Verifizierung der Daten von Personen,
sondern auch zur Identifizierung erfolgen sollte?

6. Auf welche Weise und nach welchem Verfahren sollte hierfür auch die Suche
eines Gesichts im Gesamtbestand ermöglicht werden?

7. Welche Agenturen der Europäischen Union sollten aus Sicht der Bundesre-
gierung für welche Zwecke lesenden oder schreibenden Zugriff auf die
EURODAC-Daten erhalten?

8. Welche Kategorien von Asylsuchenden und Ausländern werden von Bun-
desbehörden in EURODAC gespeichert, und inwiefern betrifft dies auch Per-
sonen, die ohne Aufenthaltsstatus innerhalb deutschen Hoheitsgebiets ohne
gültige Aufenthaltsberechtigungen aufgegriffen werden?

9. Inwiefern will die Bundesregierung die Dauer einer solchen Speicherung
oder auch die betreffenden Personenkreise (wie von der Kommission für die
neue EURODAC-Verordnung vorgeschlagen) erweitern?

10. Inwiefern sollten auch Daten von Personen, die beim unerlaubten Grenzüber-
tritt aufgegriffen werden (sog. Kategorie 2) mit der EURODAC-Zentralein-
heit abgeglichen werden?

11. Inwiefern sollten die erkennungsdienstliche Erfassung und Datenspeiche-
rung für Personen, die beim unerlaubten Aufenthalt aufgegriffen werden
(sog. Kategorie 3) obligatorisch werden?

12. Bis zu welcher Dauer sollte die Speicherung welcher zu erfassenden Daten-
kategorien von irregulären Migranten welcher EURODAC-Kategorien er-
weitert werden?

13. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag zur Senkung der Alters-
grenze für die erkennungsdienstliche Erfassung auf sechs Jahre?

14. Unter welchen Umständen sollte die Abnahme von Gesichtsbildern bei einer
erkennungsdienstlichen Behandlung von EU-Ausländern aus Sicht der Bun-
desregierung verpflichtend werden?

15. Unter welchen Umständen sollte die Abnahme der Gesichtsbilder bei einer
Verweigerung durch die betroffenen Erwachsenen oder Kinder unter Zwang
erfolgen?

16. Über welche Technologien welcher Hersteller verfügen die für die Grenzsi-
cherung und -kontrolle zuständigen Bundesbehörden zur Abnahme und Ver-
arbeitung (auch Erkennung) von Gesichtsbildern?

17. Inwiefern müssten nach einem Beschluss der verpflichtenden Abnahme von
Gesichtsbildern im Rahmen der neuen EURODAC-Verordnung weitere
Grenzbehörden oder Übergangsstellen mit entsprechenden Geräten zur Ab-
nahme und Verarbeitung von Gesichtsbildern ausgestattet werden?

18. In welchen deutschen Polizeidatenbanken werden nach Kenntnis der Bun-
desregierung derzeit Gesichtsbilder gespeichert, und wie groß ist der Be-
stand?

19. In welchen dieser Datenbanken können nach Kenntnis der Bundesregierung
Gesichtsbilder zur Identifizierung (nicht nur Verifizierung) gesucht werden?

20. Inwiefern nimmt die Suche nach Gesichtsbildern zur Verifizierung sowie zur
Identifizierung von Personen in diesen Datenbanken nach Kenntnis der Bun-
desregierung in den letzten Jahren zu oder ab (bitte beide Bereiche möglichst
mit Zahlen belegen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8492
 

21. Welche Forschungen, Pilotprojekte, Studien oder Marktsichtungen betreiben
die dem Bundesministerium des Innern (BMI) nachgeordneten Behörden
hinsichtlich der Verbesserung von Systemen zur Gesichtserkennung, und
wer nimmt an diesen Vorhaben teil?

22. Wie bewertet die Bundesregierung die Nutzung von künstlichen neuronalen
Systemen zur Verbesserung von Systemen zur Gesichtserkennung?

23. Was ist der Bundesregierung über weitere Pläne Europols zur Beschaffung
von Software zur Erkennung von Personen und Sachen in Bild- und Video-
daten bekannt, und wofür werden diese genutzt (Bundestagsdrucksache
18/3671)?

24. Wo sollen die noch nicht umgesetzten technischen Schnittstellen von Euro-
pol für den Zugang zum VIS (Visa-Informationssystem) und zu EURODAC
nach Kenntnis der Bundesregierung eingerichtet werden (Bundestagsdruck-
sache 18/8170)?

25. Inwieweit setzen Geheimdienste des Bundes inzwischen selbst Gesichtser-
kennungssoftware ein, um verdeckte Ermittlungen oder Tätigkeiten von
Agentinnen und Agenten ausländischer Behörden zu enttarnen?

26. Inwiefern und mit welchem Ergebnis ist das Projekt „Schutz vor Identitäts-
aufklärung durch Bildmanipulation/-verfremdung“ des Bundesnachrichten-
dienstes (BND) inzwischen begonnen oder bereits abgeschlossen worden
(ZEIT ONLINE vom 18. November 2014)?
a) Welche Kosten entstanden für das Projekt, und wer führte dieses durch?
b) Welche Produkte und Verfahren welcher Hersteller wurden oder werden

getestet?
27. Auf welche Weise werden das Phänomen verbesserter biometrischer Erken-

nungsverfahren sowie die rasche Messung biologischer Charakteristiken und
deren Auswertung beim Einsatz verdeckter Ermittler des Bundeskriminal-
amtes oder des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) „in adäquatem
Maße berücksichtigt“ (Bundestagsdrucksache 18/3671)?
a) Welche Anstrengungen im Bereich Forschung, Entwicklung, Ausbildung

bzw. in sonstigen Bereichen hat die Bundesregierung in den letzten bei-
den Jahren unternommen, um die Gefahr einer Enttarnung mithilfe bio-
metrischer Verfahren zur Analyse offener Quellen im Internet von mit ei-
ner Tarnidentität eingesetzten Angehörigen von Geheimdiensten oder Po-
lizeien zu minimieren?

b) Mit welchen Systemen im „Feld der biometrischen Datenerhebung so-
wohl hinsichtlich Stand der Technik als auch der Anwendung“ und mög-
licher Auswirkungen auf verdeckte Polizeiarbeit hat sich das Bundesmi-
nisterium des Innern hierzu befasst?

c) Welche Ergebnisse zeitigte die Befassung mit dem Phänomen durch die
mit Legendierungsaufgaben befassten Experten des Bundes und der Län-
der im Rahmen der Kommission Einsatz- und Ermittlungsunterstützung
der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter mit dem
Bundeskriminalamt (Kommission Einsatz- und Ermittlungsunterstüt-
zung)?

d) Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurde oder wird der „Themenbe-
reich Biometrie“ weiterhin in der Arbeitsgruppe Nachrichtendienstliche
Dokumente durch Vertreter von BMI, Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik, BKA, BfV, BND, Militärischem Abschirmdienst
und Zollkriminalamt behandelt?

Drucksache 18/8492 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

e) Auf welche Weise hat die Bundesregierung das Thema „auch künftig auf
der Fachebene“ weiterverfolgt?

28. An welchen deutschen Bahnhöfen will die Bundespolizei mit welchen Part-
nern „intelligente Videotechnik“ erproben, und welche Produkte (Hard- und
Software) welcher Hersteller kommen dabei zum Einsatz (Berliner Zeitung
vom 10. Mai 2016)?

29. Welche Produkte und Verfahren werden in dem nunmehr von der Bundes-
polizei und dem Bundesverwaltungsamt allein fortgeführten Pilotprojekt
„Intelligente Grenzen“ zur Aufnahme des Gesichtsbildes und/oder der Iris
getestet (Bundestagsdrucksache 18/7291)?
a) Wie lange dauern die durchschnittliche Aufnahme und Speicherung des

Gesichtsbildes und/oder der Iris in den einschlägigen Datenbanken?
b) Welche Zeit muss nach Erfahrungen des Pilotprojektes insgesamt für den

Grenzübertritt mit Aufnahme und/oder Abgleich des Gesichtsbildes
und/oder der Iris kalkuliert werden?

c) Inwiefern hält es die Bundesregierung für technisch möglich, die Verifi-
kation oder Identifikation von Personen mithilfe des Gesichtsbildes beim
Grenzübertritt auch im Vorübergehen vorzunehmen?

Berlin, den 12. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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