BT-Drucksache 18/8472

Barrierefreiheit in Fernbussen und Personenkraftwagen

Vom 11. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8472
18. Wahlperiode 11.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias Gastel, Corinna Rüffer, Harald Ebner,
Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms,
Maria Klein-Schmeink und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Barrierefreiheit in Fernbussen und Personenkraftwagen

Im Jahr 2013 wurde der Fernlinienbusverkehr in Deutschland liberalisiert. Um zu
gewährleisten, dass möglichst viele Menschen das neue Mobilitätsangebot nutzen
können, erließ der Gesetzgeber auch neue Vorgaben im Bereich der Barrierefrei-
heit. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) wurde dahingehend geändert,
dass ab dem Jahr 2016 neu zugelassene Fernbusse und ab dem Jahr 2020 alle
Fernbusse mindestens zwei Plätze für Rollstuhlfahrer sowie einen barrierefreien
Zugang in die Busse besitzen müssen (vgl. § 42b PBefG).
Bezüglich der Umsetzung dieser Regelung bleiben allerdings viele Fragen offen.
Aufgrund verschiedener technischer Standards ist die Fahrt im eigenen Rollstuhl
bisher nur in einigen wenigen DIN-gerechten Rollstühlen erlaubt (nach Informa-
tionen der Fragesteller nur ca. 20 Prozent aller Rollstühle). Fehlende einheitliche
Kennzeichnungspflichten über die Eignung eines Rollstuhls für die Beförderung
im Kraftfahrzeug führen zudem zu Komplikationen für Rollstuhl- und Busfahrer.
Im April 2016 wurde bekannt, dass die Bundesregierung im Februar 2017 eine
mit Bußgeld bewehrte Gurtpflicht für Personen einführen möchte, die in Roll-
stühlen in Personenkraftwagen (PKW) befördert werden. Da die Mehrzahl der
Rollstühle nicht über die hierfür notwendigen Rückhaltesysteme verfügt, wäre
zur Umsetzung für die meisten Rollstühle in Deutschland eine Nachrüstung er-
forderlich. Bislang ist jedoch unklar, wer für die Kosten aufkommen soll (ca. 400
bis 800 Euro pro Rollstuhl für einen zum sicheren Anschnallen notwendigen
„Kraftknoten“).

Wir fragen die Bundesregierung:

Anschnallpflicht in PKW
1. Für welche Rollstühle und welche Kraftfahrzeuge soll die ab dem Jahr 2017

geplante Gurtpflicht neu gelten?
2. Werden bestimmte Gurt- bzw. Sicherungssysteme vorgeschrieben?

Wenn ja, welche werden erlaubt bleiben, und welche nicht mehr erlaubt sein?
3. Hält die Bundesregierung manuell betriebene Aktivrollstühle aufgrund ihres

geringen Gewichts für geeignet, mit dem Kraftknotensystem ausgestattet zu
werden?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 18/8472 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Wie wurde bei der Entscheidung, ab dem Jahr 2017 das Kraftknotensystem
vorzuschreiben, die Tatsache berücksichtigt, dass es behinderte Menschen
gibt, die ihre manuell betriebenen Rollstühle dann aufgrund des höheren Ge-
wichts nicht mehr mit ihrer Muskelkraft bewegen können werden?

5. Warum hält es die Bundesregierung für notwendig, die bisher oft verwende-
ten rein fahrzeugseitig gestalteten Gurtsysteme nicht mehr zuzulassen, und
welche Studien belegen, dass diese Gurtsysteme nicht sicher sind?

6. Wer sollte aus Sicht der Bundesregierung für die Nachrüstkosten von Roll-
stühlen im Zuge der ab Februar 2017 geplanten Anschnallpflicht für Roll-
stuhlfahrer in PKW aufkommen?

7. Wie stellt die Bundesregierung eine rechtzeitige Umsetzung der Anschnall-
pflicht und Nachrüstung der Rollstühle sicher, da in Deutschland von
ca. 800 000 Rollstuhlnutzern ausgegangen wird und nach den den Fragestel-
lern vorliegenden Informationen die Mehrheit der zugelassenen Rollstuhlty-
pen nicht über die notwendigen Sicherungssysteme verfügt?

8. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass ab dem Jahr 2017 nur noch Roll-
stühle mit Sicherungssystemen zugelassen werden und von den Krankenkas-
sen finanziert werden sollten?
Wenn ja, wie stellt die Bundesregierung dies sicher, und inwieweit plant sie,
den Spitzenverband Bund der Krankenkassen hierfür zu einer zeitnahen An-
passung des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 des Fünften Buchs Sozial-
gesetzbuch (SGB V) zu bewegen?
Wenn nein, warum nicht?

9. Ist für die Gesetzesänderung eine Verbändeanhörung geplant?
Wenn ja, wann wird diese beginnen, und welche Verbände werden einge-
bunden?
Wenn nein, warum nicht?

10. Plant die Bundesregierung Übergangsfristen zur Anschnallpflicht, wenn die
Voraussetzungen für eine zeitnahe Umsetzung im Hilfsmittelverzeichnis und
bei der Nachrüstung nicht bis zum 31. Dezember 2016 erfüllt werden?
Wenn ja, könnte innerhalb einer solchen Übergangsfrist von einem Bußgeld
abgesehen werden, wenn der Rollstuhlnutzer ohne eigenes Verschulden eine
Nachrüstung nicht bis zum 31. Dezember 2016 umsetzen konnte?
Wenn nein, warum nicht?

Informationen der Bundesregierung bzgl. Barrierefreiheit bei Fernbussen:
11. Wie erklärt die Bundesregierung, dass sie keinerlei Informationen über die

Anzahl der in Deutschland verkehrenden barrierefreien Fernlinienbusse (mit
mindestens zwei Rollstuhlplätzen) sowie keine Erkenntnisse über die Anzahl
der im Jahr 2016 neu zugelassenen Fernlinienbusse besitzt, obwohl die Vor-
gaben zur Barrierefreiheit von Fernbussen vom Bund über eine Änderung
des PBefG erlassen wurden (vgl. Bundestagsdrucksache 18/7932)?

12. Was tut die Bundesregierung dafür, Informationen über die Zulassung von
Fernlinienbussen sowie die Anzahl von barrierefreien Fernbussen (mit min-
destens zwei Rollstuhlplätzen) zu erlangen?

13. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dafür (bzw. dagegen), dass das
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) nach
Rücksprache mit den Zulassungsbehörden der Länder Informationen über
die Neuzulassung von Fernlinienbussen sowie die Anzahl der zugelassenen
barrierefreien Fernlinienbusse einholt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8472

14. Was spricht aus Sicht der Bundesregierung dafür (bzw. dagegen), die Fern-

busbetreiber zu verpflichten, dem BMVI mindestens jährlich Informationen
zu ihrem Flottenbestand mitzuteilen, um eine bessere Kontrolle über die Um-
setzung der Vorgaben im Bereich der Barrierefreiheit auf dem Fernbusmarkt
zu erhalten (Anzahl der Busse, Anzahl der barrierefreien Busse etc.)?

Meldestelle für barrierefreie Fernlinienbusse
15. Hält die Bundesregierung die Meldestelle für barrierefreie Fernlinienbusse

für eine sinnvolle Einrichtung, um Menschen mit Mobilitätseinschränkung
das Reisen in Fernbussen zu erleichtern?

16. Würde die Bundesregierung eine Fortsetzung der Arbeit der Meldestelle über
das Jahr 2017 hinaus begrüßen?

17. Wer sollte aus Sicht der Bundesregierung die Finanzierung der Meldestelle
ab Oktober 2017 übernehmen?

Berlin, den 11. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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