BT-Drucksache 18/8466

Aufnahme des Nordostrings Stuttgart (B 29) in den Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans

Vom 11. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8466
18. Wahlperiode 11.05.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Matthias Gastel, Harald Ebner, Stephan Kühn (Dresden),
Tabea Rößner, Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aufnahme des Nordostrings Stuttgart (B 29) in den Entwurf des
neuen Bundesverkehrswegeplans

Im Zuge der Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2030
überprüfte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auch
Straßenvorhaben, die nicht von dem jeweiligen Bundesland angemeldet wurden,
darunter das mit Kosten in Höhe von 209,2 Mio. Euro teure Neubauvorhaben
Nordostring Stuttgart im Zuge der B 29.
Im BVWP 2003 war der Nordostring noch der nachrangigen Kategorie „Weiterer
Bedarf“ zugeordnet. Zudem wurde ein „hohes ökologisches Risiko“ festgestellt.
Aufgrund der niedrigen Bewertung und der Ablehnung durch die Städte Stutt-
gart und Fellbach galt der Nordostring als „politisch tot“ (www.stuttgarter-
zeitung.de/inhalt.neue-zahlen-des-bundesverkehrsministeriums-nordostring-soll-
209-millionen-euro-kosten.137baddd-d5d8-4eb6-9b7d-0004ff9b7b29.html).
Entgegen der üblichen Vorgehensweise wurden die für die Überprüfung erforder-
lichen Unterlagen nicht von der Straßenbauerverwaltung des Landes angefordert,
sondern konnten laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra-
struktur (BMVI) aus bereits „vorliegenden Informationen und Planungsunterla-
gen […] generiert werden“ (Bundestagsdrucksache 18/7013). Das Land Baden-
Württemberg wurde erst im Nachgang über den Vorgang informiert. Die soge-
nannte Filderauffahrt wurde nicht überprüft.
Bei Kritikern des Projekts besteht der Verdacht, dass das Vorhaben nicht auf-
grund seiner verkehrlichen Wirkung, sondern aufgrund von regionalen Interessen
entgegen dem Willen des Landes überprüft wurde. Einem Medienbericht zufolge
erklärte ein Vertreter des BMVI auf einer Veranstaltung, dass das BMVI „der
Bitte des Verbands Region Stuttgart um Prüfung dieses umstrittenen Projekts
entsprochen“ habe (www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.staatssekretaer-barthle-
erschreckt-fellbach-nord-ost-ring-im-verkehrswegeplan.e5d6235c-bcdb-40e7-b5
00-2ae1b1891024.html).
Auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie eine
Schriftliche Frage des Abgeordneten Matthias Gastel erklärte die Bundesregie-
rung, dass „bezüglich des Straßenvorhabens wiederholt Gespräche mit Mandats-
trägern und Vertretern der Region Stuttgart“ stattfanden (Bundestagsdrucksa-
che 18/7013).

Drucksache 18/8466 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Im neuen BVWP 2030 ist das Vorhaben Nordostring Stuttgart in den „Weiteren
Bedarf mit Planungsrecht“ eingestuft worden. Im Gegensatz zu der Bewertung
im Jahr 2003 soll der vierstreifige Neubau jedoch nur eine mittlere Umweltbetrof-
fenheit aufweisen (www.bvwp-projekte.de/strasse/B29-G990-BW/B29-G990-
BW.html#h1_umwelt).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie erklärt es das BMVI, dass bei der Bewertung des Nordostrings Stuttgart

für den BVWP 2003 festgestellt wurde, dass „hohe Umweltrisiken zu erwar-
ten sind und dass erhebliche Beeinträchtigungen im FFH-Sinne nicht ausge-
schlossen werden können“ (FFH – Flora-Fauna-Habitat) (Bundestagsdruck-
sache 18/7013), im Entwurf für den BVWP 2030 jedoch nur noch eine mitt-
lere Umweltbetroffenheit angenommen wird?

2. Wann wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die letzte FFH-Verträglich-
keitsprüfung für das Vorhaben erstellt?

3. Inwiefern können Beeinträchtigungen des FFH-Gebietes entlang des Neckars
gänzlich ausgeschlossen werden?

4. Welche konkreten Auswirkungen erwartet die Bundesregierung auf die dem
Natura-2000-Netzwerk zugehörigen Schutzgebiete entlang des geplanten
Neubauvorhabens?

5. In welchem Ausmaß wird nach Einschätzung der Bundesregierung das Ver-
kehrsaufkommen im Remstal im Fall einer Realisierung des Nordostrings
zunehmen (vgl. Gmünder Tagespost vom 26. April 2016; bitte veränderte
Verkehrsmengen und die betroffenen Straßen benennen)?

6. Ist es zutreffend, dass mit der nachträglichen Aufnahme des Nordostrings
Stuttgart in die Prüfung zum neuen BVWP 2030 einer Bitte des Verbandes
der Region Stuttgart entsprochen wurde?
Wenn ja, warum wurde dieser Bitte entsprochen?

7. Wie konnte der Nordostring Stuttgart im Entwurf für den BVWP 2030 trotz
zugrunde gelegter verringerter Verkehrsmenge auf der neuen Neckarbrücke
(BVWP 2003: 70 000 Kfz; Entwurf BVWP 2030: 45 000 Kfz) und auf über
200 Mio. Euro verdoppelter Kosten das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV)
von 9,8 im BVWP 2003 auf 10,6 im Entwurf für den BVWP 2030 erhöhen?

8. Trifft es zu, dass das BMVI den Nordostring als Teil eines Gesamtausbaus
der B 29 nach Augsburg betrachtet (Stuttgarter Zeitung vom 22. April 2016)?
Wenn ja, warum?

9. Weshalb hält es das BMVI verkehrlich und ökonomisch für sinnvoll, erst den
über 270 Mio. Euro teuren Rosensteintunnel in Stuttgart nach dem Gemein-
deverkehrsfinanzierungsgesetz zu fördern und damit die Kapazität des inner-
städtischen Verkehrsnetzes zugunsten von noch mehr Kraftfahrzeugverkehr
in der Stadt zu erhöhen, um dann mit dem Nordostring eine große Umfah-
rungsstraße mit dem Charakter einer Autobahn um Stuttgart herum mit dem
Ziel einer – vielfach bezweifelten – Verkehrsent-lastung von Stuttgart vor-
anzutreiben (www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bauvorhaben-in-stuttgart-
kostenexplosion-beim-rosensteintunnel.910387fb-cefb-4c66-9de3-557bdd
709f1e.html)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8466
 

10. Ist es zutreffend, dass der Nordostring Stuttgart als Vorhaben des Weiteren
Bedarfs mit Planungsrecht erst nach Abarbeitung der Projekte im Vordring-
lichen Bedarf mit einem Gesamtvolumen von 38,4 Mrd. Euro bis 2030 und
einer sogenannten Schleppe ab 2031 von 37,8 Mrd. Euro realisiert werden
könnte?
Wenn ja, wann rechnet das BMVI mit der Fertigstellung des Projekts?
Wenn nein, welche Absichten bestehen, das Vorhaben schon vorher umzu-
setzen?

11. Wie beurteilt das BMVI den errechneten Anstieg der Abgasbelastung, insbe-
sondere vor dem Hintergrund der wiederholt sehr hohen Feinstaubbelastung
Stuttgarts?

12. Wieso wird für die Berechnung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses des Vor-
habens ein Preisstand von 2012, also mit Kosten in Höhe von 202,85 Mio.
Euro verwendet, obwohl die Realisierung des Vorhabens erst lange nach dem
Jahr 2030 eintreten wird und somit mit erheblichen Kostensteigerungen ge-
rechnet werden muss?

13. a) Kam es bei dem vom Bundesrechnungshof bereits stark kritisierten Ver-
fahren der Kostenplausibilisierung in Bezug auf den Nordostring Stuttgart
zu einer sogenannten Rotschaltung, d. h., dass sich die Differenz zwischen
den Vergleichskosten und den angegebenen Kosten nicht aufklären ließ
und die Projekte als nicht plausibel eingestuft wurden?
Wenn ja, warum, und wie wurde die Differenz erklärt?

b) War das Vorhaben Nordostring Stuttgart unter den Vorhaben, die erst
nach der vom Bundesrechnungshof kritisierten Absenkung der zur Kos-
tenplausibilisierung verwendeten Kostenuntergrenze untersucht wurden?

14. Inwiefern wurden verkehrsträgerübergreifende Alternativen zum Straßen-
neubauvorhaben untersucht?

15. a) Inwiefern ist es zutreffend, dass für die Begründung der Notwendigkeit
des Vorhabens für den BVWP 2030 eine verkehrswirtschaftliche Unter-
suchung herangeozogen wurde, deren Ergebnis seit August 2000 vorliegt
(www.bvwp-projekte.de/strasse/B29-G990-BW/B29-G990-BW.html#h1_
umwelt)?

b) Inwiefern sind die Ergebnisse dieser Untersuchung aus Sicht der Bundes-
regierung dazu geeignet, die gesamtwirtschaftliche Notwendigkeit eines
Vorhabens für einen BVWP 2030 hinreichend darzulegen?

Berlin, den 11. Mai 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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