BT-Drucksache 18/8429

zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Roland Claus, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE. sowie des Abgeordneten Markus Kurth, der Abgeordneten Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/7699 - DDR-Altübersiedlerinnen und -Altübersiedler sowie DDR-Flüchtlinge vor Rentenminderungen schützen -Gesetzliche Regelung im SGB VI verankern

Vom 11. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8429
18. Wahlperiode 11.05.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Roland Claus,
Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.
sowie der Abgeordneten Markus Kurth, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/7699 –

DDR-Altübersiedlerinnen und -Altübersiedler sowie DDR-Flüchtlinge vor
Rentenminderungen schützen – Gesetzliche Regelung im SGB VI verankern

A. Problem
Die Erwerbsbiografien von Übersiedlerinnen und Übersiedlern sowie Flüchtlin-
gen aus der DDR, die in der Bundesrepublik Deutschland lebten, wurden renten-
versicherungsrechtlich nach dem Fremdrentengesetz (FRG) bewertet und damit
jenen originärer Bundesbürgerinnen und -bürger gleichgestellt: Den Betroffenen
wurde eine fiktive westdeutsche Erwerbsbiografie zugeordnet, die sich an der ehe-
mals ausgeübten beruflichen Tätigkeit in der DDR orientierte. Die Zuordnung der
FRG-gestützten fiktiven Erwerbsbiografie bedeutete die Zuordnung einer be-
stimmten „Rangstelle“ (Entgeltpunkte) im System der gesetzlichen Rentenversi-
cherung. Im Zuge der deutschen Einheit wurden die in den Rentenkonten der ein-
gegliederten Übersiedlerinnen und Übersiedler sowie der Flüchtlinge enthaltenen
Daten nach den Kriterien der Rentenüberleitung neu bewertet.
Die antragstellenden Fraktionen machen geltend, dass dies oft mit einer deutli-
chen Rentenminderung verknüpft gewesen sei. Die Transformation der DDR-Er-
werbsbiografien der Übersiedlerinnen und Übersiedler sowie der Flüchtlinge im
Zuge ihrer individuellen Eingliederung seien Rechtsakte, auf deren Bestand sich
die Betroffenen verlassen hätten.

B. Lösung
Die antragstellenden Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
fordern die Bundesregierung auf, eine Ausnahmereglung für Bestandsübersiedle-
rinnen und -übersiedler zu schaffen, die vor dem Mauerfall ihren Wohnsitz in der
Bundesrepublik Deutschland hatten.
Dabei sei u. a. zu gewährleisten, dass die Rentenansprüche von Altübersiedlerin-
nen und Altübersiedlern, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren und bis zum

Drucksache 18/8429 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Fall der Mauer am 9. November 1989 in die Bundesrepublik Deutschland gekom-
men seien, nach den Tabellenwerten 1 bis 16 des FRG bewertet würden. Die be-
stehende Vertrauensschutzregelung nach § 259a des Sechsten Buches Sozialge-
setzbuch (SGB VI) müsse entsprechend ergänzt werden.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Konkrete Kostenberechnungen wurden nicht angestellt.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8429
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/7699 abzulehnen.

Berlin, den 11. Mai 2016

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Kerstin Griese
Vorsitzende

Daniela Kolbe (Leipzig)
Berichterstatterin
Drucksache 18/8429 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig)

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/7699 in seiner 161. Sitzung am 17. März 2016 be-
raten und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Beratung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Zur Begründung ihres Antrags argumentieren die antragsstellenden Fraktionen u. a. damit, dass Bestandsüber-
siedlerinnen und -übersiedler sowie Flüchtlinge der Jahrgänge ab 1937 nach den für die Rentenüberleitung ent-
scheidenden Regelungen rentenrechtlich zumeist schlechter gestellt seien als vor der Deutschen Einheit. Diese
Schlechterstellung dürfe nicht mehr hingenommen werden, auch wenn die rechtlichen Regelungen vor der Ge-
richtsbarkeit standhielten. Denn aus den Unterlagen zur Gesetzgebung zum RÜG gehe zumindest nicht hervor,
ob die sich durch die Ablösung des FRG für Übersiedler ergebenden Folgen absehbar und gewollt gewesen seien.
Bestandsübersiedlerinnen und -übersiedler sowie Flüchtlinge, deren Anwartschaften zunächst nach dem FRG hät-
ten (erteilte Feststellungsbescheide im Eingliederungsverfahren durch die RV-Träger) berechnet werden sollen,
hätten darauf vertrauen können, dass ihre Eingliederung in das westdeutsche Rentenrecht auch nach der Wieder-
vereinigung Bestand haben würde. Hier liege die Möglichkeit für eine Abgrenzung zu jenen DDR-Übersiedlerin-
nen und Übersiedlern, die nach dem Mauerfall übergesiedelt seien. Wohnortswechsel seien nunmehr möglich
gewesen und nicht mehr mit dem Abbruch aller (rentenversicherungsrechtlichen) Rechte und Pflichten verbun-
den. Daraus lasse sich auch die Berechtigung für eine Ausnahmeregelung für DDR-Flüchtlinge ableiten, die vor
dem Mauerfall ausgereist seien.
Das RÜG sowie die Ablösung des FRG seien bisher von der Gerichtsbarkeit nicht beanstandet worden. Dennoch
sei zweifelhaft, ob die Regelungen zur Rentenüberleitung tatsächlich auf Bestandsübersiedlerinnen und -über-
siedler anzuwenden seien: Es habe sichergestellt werden sollen, dass diejenigen, die nach Schließung des Staats-
vertrags am 18. Mai 1990 in der Bundesrepublik Deutschland ihren Wohnsitz genommen hätten, keine Renten
nach dem FRG hätten beantragen können. Diese Regelung sei grundsätzlich nicht in Frage zu stellen. Eine Aus-
nahme sei jedoch für jene Versicherten vorzusehen, die vor dem Mauerfall aus der DDR in die Bundesrepublik
Deutschland umgesiedelt seien, die Voraussetzungen für den geltenden Vertrauensschutz aber nicht erfüllten, weil
sie nach 1936 geboren seien. Sie dürften rentenrechtlich nicht unter das RÜG fallen. Die Ergänzung des beste-
henden Vertrauensschutzes sei daher notwendig.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf Drucksache 18/7699 in seiner 76. Sitzung am
11. Mai 2016 beraten und dem Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.
Die Fraktion der CDU/CSU wies darauf hin, dass die Regelungen des Fremdrentengesetzes (FRG) darauf be-
ruhten, dass Rentenzahlungen nicht nach tatsächlich eingezahlten Beiträgen, sondern auf der Grundlage fiktiver
Rentenbeiträge erbracht würden. Die Berechnung erfolge als großzügige Regelung nach Annahme einer Tätigkeit
in Westdeutschland. Das FRG sei in den 90er-Jahren mehrmals geändert worden, so dass heute Rente und FRG
deutlich geringer ausfielen. Daher wäre eine Regelung, für ehemalige DDR-Übersiedler wahlweise das alte Recht
anzuwenden, nicht mehr möglich. Entscheidend sei, dass bei der von der Opposition angestrebten Änderung eine
Abgrenzung z. B. zu Aussiedlern nicht gerecht zu vollziehen sei. Das Ergebnis wären neue Ungerechtigkeiten,
neue Probleme und neue Gruppen, die sich ungerecht behandelt sähen. Das Ergebnis wäre gegenüber anderen
Betroffenengruppen nicht vertretbar. Der Deutsche Bundestag habe nach der Wiedervereinigung die geltende
Lösung nicht leichtfertig herbeigeführt. Den Lebensschicksalen der Betroffenen gelte die Sympathie der Politik.
Aber angesichts der Gesamtsituation sei das Anliegen nicht lösbar.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8429
Die Fraktion der SPD argumentierte, dass man nach Lösungsmöglichkeiten für die Härten der Betroffenen ge-
sucht habe. Nach intensiven Bemühungen habe man aber trotz aller Sympathie für die Anliegen der Flüchtlinge
und Übersiedler einsehen müssen, dass es eine solche Lösung nicht gebe, ohne neue, gravierende Ungerechtig-
keiten zu schaffen. Andere Gruppen würden sich benachteiligt sehen. Eine Folge wäre eine Prozesswelle. Bei
einer Umsetzung des Antrags wären beispielsweise Spätaussiedler gegenüber DDR-Flüchtlingen schlechter ge-
stellt. Dazu kämen die Härten für diejenigen Dissidenten, die trotz Haftstrafen und Schikanen in der DDR geblie-
ben seien. Auch das sei schwer vermittelbar. Rentenrechtlich lasse sich dafür keine Regelung finden, die nicht
neue Ungerechtigkeiten schüfe. Auch lasse der vorliegende Antrag selbst Lücken – mit der absehbaren Folge
neuer Auseinandersetzungen.
Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte, dass die Betroffenen durch die spätere FRG-Anpassung häufig nur sehr
niedrige Renten erhielten. Ihnen seien von der Politik Versprechungen gemacht und nicht eingehalten worden.
Schriftliche Zusagen seien in den 90er-Jahren zurückgenommen, Vertrauen enttäuscht worden. Diese Gruppe
hätte bei der Rentenüberleitung erst gar nicht in die Gruppe der DDR-Bürger einbezogen werden dürfen. Die
Rücknahme der Zusagen nach dem FRG sei zudem versteckt und von vielen zunächst unbemerkt erfolgt. Die
Vorschläge des Antrags sollten nun für die Regierungskoalition eine Brücke bauen. Eine Sonderregelung solle
den Einzelfällen mit ihren besonderen Härten gerecht werden. Diese Gruppe sei eben nicht ohne weiteres mit
anderen Gruppen vergleichbar. Darüber hinaus gehe es insgesamt um deutlich weniger als eine Million Betrof-
fene. Auch angesichts der relativ geringen Zahl sei Hilfe für diese Gruppe durchaus möglich.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN warb für eine politische Lösung des Problems durch eine Sonderre-
gelung. Es gehe um Menschen, die teils unter Einsatz ihres Lebens in die Bundesrepublik geflüchtet oder nach
Jahren in Haft frei gekauft worden seien. Ihnen allen sei von offizieller Seite eine Rente nach dem Fremdrenten-
gesetz und damit die Behandlung als Bürger der Bundesrepublik Deutschland (West) zugesichert worden. Ihre
Enttäuschung sei verständlich. Über Details der Sonderregelung könne man verhandeln. Aber es müsse etwas
geschehen.

Berlin, den 11. Mai 2016

Daniela Kolbe (Leipzig)
Berichterstatterin

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