BT-Drucksache 18/8419

Demokratie für Alle

Vom 11. Mai 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8419
18. Wahlperiode 11.05.2016
Antrag
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Frank Tempel, Dr. André Hahn, Ulla
Jelpke, Jan Korte, Dr. Alexander S. Neu, Petra Pau, Martina Renner, Dr. Petra
Sitte, Kersten Steinke und der Fraktion DIE LINKE.

Demokratie für alle

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die parlamentarische Demokratie hat sich über viele Jahre bewährt. Zu Recht for-
dern aber die Einwohner*innen mehr Einflussmöglichkeiten auf politische Entschei-
dungen. Die in allen Bundesländern vorhandene Möglichkeit, mittels Volksinitiati-
ven, Volksbegehren und Volksentscheidungen auf die Politik Einfluss zu nehmen,
ergänzt die parlamentarische Demokratie und sollte auch auf die Bundesebene über-
tragen werden.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Initiativen zu mehr Demokratie für alle vorzulegen und mittels eines Gesetzentwur-
fes für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide, auch im Hinblick auf
die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge, rechtlich abzusichern.

III. Der Bundestag verpflichtet sich,

als ersten Schritt hin zu mehr Demokratie für alle in Anlehnung an die europäische
Bürgerinitiative einen Vorschlag für ein direktdemokratisches Verfahren der politi-
schen Teilhabe zu entwickeln.

Berlin, den 10. Mai 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Drucksache 18/8419 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Dem Grundgesetz (GG) wohnt der Gedanke inne, dass der Souverän die Bevölkerung ist. Auf Bundesebene
beschränkt sich die Ausübung der Staatsgewalt auf Wahlen. Die parlamentarische Demokratie, die sich im
Grunde bewährt hat, sollte um direktdemokratische Elemente erweitert werden. Diese Möglichkeiten sollen
allen hier lebenden Menschen eröffnet werden. Es geht darum, die Potenziale für eine demokratische Weiter-
entwicklung der Gesellschaft zu nutzen.
Die direktdemokratische Einflussnahme aller hier lebenden Menschen bietet nicht nur eine Möglichkeit, die
Arbeit und Funktionsweise der Organe der repräsentativen Demokratie auf Bundesebene transparent zu machen,
sie bietet auch eine Chance, antidemokratischen und auf eine geschlossene Gesellschaft zielenden Gesell-
schaftskonzepten gemeinsam mit den hier lebenden Menschen eine Absage zu erteilen. Die Erfahrungen mit
direktdemokratischer Einflussnahme auf Ebene der Bundesländer zeigen, dass die Einwohner*innen ein starkes
Interesse daran haben.
Bis auf die Unionsfraktion haben alle anderen derzeit im Bundestag vertretenen Fraktionen bereits Gesetzent-
würfe zur Einführung von mehr direkter Demokratie vorgelegt. Bereits in der 14. Wahlperiode gab es zwei
Gesetzentwürfe zur Einführung der Möglichkeiten direkter Demokratie (Bundestagsdrucksachen 14/1129
und 14/8503). Noch am 5. Juni 2002 empfahl der Innenausschuss des Deutschen Bundestages die Aufnahme
von Elementen direkter Demokratie in das Grundgesetz. In der 15. Wahlperiode ist der Versuch unternommen
worden, mittels Grundgesetzänderung der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, über die europäische Verfas-
sung mittels Volksentscheid abzustimmen (vgl. Bundestagsdrucksachen 15/1112 und 15/2998). In der
16. Wahlperiode lagen dem Deutschen Bundestag drei Gesetzentwürfe vor (Gesetzentwurf der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/1411, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Bundestagsdrucksache 16/680, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 16/474). In der
18. Wahlperiode liegt der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. (http://dip21.bundes-
tag.de/dip21/btd/18/008/1800825.pdf) vor.
Im Interesse der Weiterentwicklung der in Artikel 20 Absatz 2 GG verankerten Souveränität der Bevölkerung,
von der alle Staatsgewalt ausgeht, ist es an der Zeit, die repräsentative Demokratie durch direktdemokratische
Elemente zu ergänzen und zu verstärken. Die Bundesregierung sollte vor diesem Hintergrund die Initiative
ergreifen und einen Gesetzentwurf zu mehr Demokratie für alle vorlegen. Wenn die Verantwortung bei Ein-
wohner*innen verbleibt, so verhalten sie sich in der Regel verantwortungsbewusst. Die häufig in der öffentli-
chen Diskussion dargestellten Beispiele für weithin kritisierte Volksentscheide aus der Schweiz stellen diese
Beurteilung nicht in Frage. Vielmehr zeigen sie, dass Verantwortung und Vernunft stetigen Lernprozessen fol-
gen. Genau wie die repräsentative Demokratie unterliegt die Meinungsbildung in der Volksgesetzgebung einer
dynamischen Entwicklung. Dieser entziehen sich weder Abgeordnete noch andere zur Abstimmung befugte
Bevölkerungsteile. Die Auseinandersetzung mit provokanten bis hin zu rassistischen Denkmustern und politi-
schen Vorhaben einer geschlossenen und autoritären Gesellschaft stärkt die Fähigkeit der Einwohner*innen zur
gesellschaftlichen Verantwortung.
Der Bundestag sollte aber nicht nur die Regierung in die Verantwortung nehmen, um mehr Demokratie für alle
zu ermöglichen. Der Gesetzgeber ist und bleibt der Bundestag. Es ist daher sinnvoll, wenn dieser sich selbst
verpflichtet, als ersten Schritt für mehr Demokratie für alle in Anlehnung an die europäische Bürgerinitiative
einen Vorschlag für ein direktdemokratisches Verfahren der politischen Teilhabe zu entwickeln. Ein solches
Verfahren würde es ermöglichen, dass mit Unterstützung einer noch zu bestimmenden Zahl von Unterschriften
der Bundestag sich mit einem Anliegen der Initiatoren*innen beschäftigen muss.

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