BT-Drucksache 18/8357

Einsatz von Drohnen zur Überwachung der EU-Außengrenzen

Vom 28. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8357
18. Wahlperiode 28.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Frank Tempel, Christine Buchholz,
Annette Groth, Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Heike Hänsel, Inge Höger, Jan Korte,
Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Jörn Wunderlich
und der Fraktion DIE LINKE.

Einsatz von Drohnen zur Überwachung der EU-Außengrenzen

Die EU-Grenzagentur FRONTEX hat neue „Diskussionen” mit Industrievertre-
tern zur möglichen Nutzung von Drohnen für die maritime Grenzüberwachung
gestartet (Pressemitteilung FRONTEX vom 15. April 2016). FRONTEX will
hierzu unter anderem Drohnen der sogenannten MALE-Klasse (Medium Altitude
Long Endurance) einsetzen. Sechs führende Hersteller und Betreiber von Droh-
nen seien eingeladen worden. Von Interesse sei, inwiefern diese entsprechende
Dienste unterstützen könnten. Geplant sei auch die Untersuchung der Machbar-
keit ungeachtet einer fehlenden europäischen Rechtssetzung zur Nutzung der
Drohnen im Allgemeinen, von der Zivilluftfahrt genutzten Luftraum. Die Euro-
päische Agentur für Flugsicherheit (EASA) erarbeitet derzeit eine Richtlinie zur
kommerziellen Nutzung ziviler Drohnen. Ziel ist die Einführung eines dreistufi-
gen Systems für privat genutzte Drohnen unter 150 Kilogramm. Bis zu einer
EU-weiten Regulierung dürfen die Drohnen von EU-Agenturen nur über interna-
tionalen Gewässer fliegen. Noch in diesem Jahr will FRONTEX erste Testflüge
durchführen. Diese sollen innerhalb bestehender FRONTEX-Missionen stattfin-
den. FRONTEX hat bereits in Finnland und Griechenland Vorführungen mit Her-
stellern von Drohnen organisiert (Bundestagsdrucksache 17/13646). An den Ver-
anstaltungen hat auch die deutsche Bundespolizei teilgenommen. Unter anderem
referierten dort die Rüstungskonzerne Airbus (damals EADS) und Northrop
Grumman Details zu ihrer Spionagedrohne „Euro Hawk“.
Ähnliche Pläne zum Einsatz von Drohnen über dem Mittelmeer hatte bereits der
Direktor der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA),
Markku Mylly, bestätigt (Informationsdienst EurActiv vom 7. März 2016). Mit
Kameras bestückt, könnten Drohnen ab Ende des Jahres 2016 kleine Schlauch-
boote „nachverfolgen“, die von Geflüchteten häufig zur Überquerung genutzt
werden. Dies sei ein „kosteneffektiver Ansatz zur Sicherung der Seegrenzen“.
Die Drohnen würden nicht gekauft, die Agentur will die Dienste stattdessen „an
einen anderen Dienstleister auslagern“. Eine öffentliche Ausschreibung sei für
den Frühling geplant. Das Aufspüren von Geflüchteten sei aber nur einer der Be-
reiche, in denen Drohnen eingesetzt werden sollten. Möglich wäre auch, die Ein-
haltung von Treibhausgasstandards zu überwachen und den mittlerweile regle-
mentierten Schwefelanteil im Schiffstreibstoff zu ermitteln. Drohnen könnten mit
Sensoren ausgestattet werden, die über den ausgestoßenen Qualm den Kraftstoff
eines Bootes bestimmen. Die EMSA habe „EurActiv“ zufolge bereits „Pilotpro-
jekte“ mit Drohnen in Malta, Portugal und den Niederlanden durchgeführt, diese
seien laut Markku Mylly „sehr ermutigend“ gewesen. In einem der Projekte seien

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Drohnen des portugiesischen Herstellers Tekever erprobt worden. Spanien und
Portugal nutzen bereits seit vielen Jahren Drohnen zur Aufklärung ihrer Seegren-
zen.
Am 15. Dezember 2015 hatte die Europäische Kommission bekräftigt, die Mig-
rationskontrolle verstärkt durch den „Betrieb ferngesteuerter Luftfahrtsysteme
(Drohnen) im Mittelmeerraum“ umzusetzen. Laut dem Informationsdienst „The
Maritime Executive“ vom 15. April 2016 habe die Kommission der EMSA ein
Jahresbudget von 25 Millionen US-Dollar für die Einführung von Drohnen zur
Migrationskontrolle zugesagt. Die Bundesregierung habe diesen Plänen skeptisch
gegenüber gestanden, da sie sich für Einsätze durch die Grenzagentur FRONTEX
und nicht der EMSA einsetze. Allerdings arbeitet die Europäische Union derzeit
an einem Umbau ihrer Agenturen. Die Mandate der Fischereiaufsichtsagentur
und der Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs sollen mit FRONTEX zusam-
mengelegt werden (COM(2015) 671 final). Auch die Küstenwachen der Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union würden Teil dieser Europäischen Grenz-
und Küstenwache sein. Zentrales Standbein ist bislang die Satellitenaufklärung.
Die Europäische Kommission hat bereits rund 20 Mio. Euro für ähnliche For-
schungen ausgegeben. Eines der Vorhaben widmet sich der Abwehr unerwünsch-
ter Migration und trägt den Titel „Smart UNmanned aerial vehicle sensor Net-
work for detection of border crossing and illegal entrY“ (www.sunnyproject.
eu). Es soll das neue Überwachungsnetzwerk EUROSUR unterstützen. Tests mit
hochauflösenden Sensoren finden in Gewässern vor Griechenland statt, getestet
werden die drei Drohnen „Skeldar V-200“ des schwedischen SAAB-Konzerns,
die „Penguin B UAV“ der lettischen UAV Factory Ltd. und die „Atlantic“
der spanischen Everis Aerospace and Defence. Im EU-Projekt „Collaborative
evaLuation Of border Surveillance technologies in maritime Environment“
(www.closeye.eu) wird mit Drehflügler-Drohnen experimentiert. Ziel ist die Ein-
bindung der Flüge in eine „realistische Umgebung“ von FRONTEX-Missionen.
Weitere Testflüge erfolgen im Projekt AEROCEPTOR (www.aeroceptor.eu).
Boote oder Autos könnten von einer Drehflügler-Drohne mit schnell härtendem
Schaumstoff besprüht werden. Möglich wäre auch das Abwerfen von Vorrichtun-
gen, um Reifen zu durchstechen oder die Schiffsschraube zu blockieren. Einsätze
sind laut der Projektbeschreibung auch gegen alte, hölzerne Boote mit Geflüch-
teten denkbar.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Was ist der Bundesregierung aus ihrer Mitarbeit in Ratsarbeitsgruppen, an

FRONTEX-Missionen oder im Verwaltungsrat von FRONTEX über den
Fortgang der EU-Drohnen-Projekte SUNNY, AEROCEPTOR und Closeye
bekannt?
a) Wann und wo fanden Testflüge der drohnengestützten Projekte statt, und

welche weiteren sind geplant?
b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, bei welchen Konferenzen

von Agenturen der Europäischen Union entsprechende (Zwischen-)Er-
gebnisse vorgestellt wurden?

2. Welche Ziele verfolgt das im Jahr 2015 gegründete „NATO Missile Firing
Installation Users Committe“ (NAMFI) auf Kreta, und welche Abteilungen
welcher Behörden aus Griechenland, den Niederlanden und Deutschland ge-
hört diesem an?
a) Mit welcher Absicht wurde das Drohnen-Projekt SUNNY gegenüber dem

NAMFI vorgestellt?
b) Welche Drohnentypen welcher Hersteller werden im Projekt SUNNY ge-

nutzt?

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c) Inwiefern wurden im Rahmen von Präsentationen auch Drohnen vorge-
führt?

3. Was ist der Bundesregierung aus ihrer Mitarbeit in Ratsarbeitsgruppen, an
FRONTEX-Missionen oder im Verwaltungsrat von FRONTEX darüber be-
kannt, welche „Industrievertreter“ von der EU-Grenzagentur FRONTEX zu
neuen „Diskussionen” zur möglichen Nutzung von Drohnen für die maritime
Grenzüberwachung eingeladen wurden?

4. Wo fanden oder finden diese Gespräche statt?
5. Wann und von wem soll die Machbarkeit zur Nutzung der Drohnen im All-

gemeinen, von der Zivilluftfahrt genutzten Luftraum geprüft werden?
6. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche Vorführungen mit

Herstellern von Drohnen mit dem Ziel einer Nutzung auch zur Grenzüber-
wachung die Grenzagentur seit dem Jahr 2014 durchgeführt hat, und welche
Firmenvertreter hierzu welche Drohnen bzw. Anwendungen präsentierten?

7. An welchen Vorführungen mit Herstellern von Drohnen mit dem Ziel einer
Nutzung auch zur Grenzüberwachung haben Angehörige der Bundespolizei
seit dem Jahr 2014 teilgenommen?

8. Welche Drohnentypen welcher Hersteller wurden dort präsentiert?
9. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, auf welche Weise die Grenz-

agentur FRONTEX eine selektive Beobachtung ausgewiesener Drittlands-
häfen und -küsten vornimmt, die Informationen auch über Schiffe enthalten,
die für die irreguläre Einwanderung oder grenzüberschreitende Kriminalität
genutzt werden könnten (Antwort der Hohen Vertreterin/Vizepräsidentin
Federica Mogherini auf die Fragen der EU-Abgeordneten Sabine Lösing –
GUE/NGL – und Cornelia Ernst – GUE/NGL – vom 12. April 2016,
EP-Dokument E-010829/2015)?
a) Mit welchen Mitteln beobachtet FRONTEX „Schiffe auf Hoher See, die

mutmaßlich oder nachweislich für die illegale Migration oder grenzüber-
schreitende Kriminalität verwendet werden“?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, aus welchem Grund die
Beobachtung auf „bis zu sechs verdächtige Schiffe gleichzeitig“ begrenzt
ist?

10. Was ist der Bundesregierung über Pläne der EMSA zum Einsatz von Droh-
nen über dem Mittelmeer bekannt?

11. Welche Forschungen, Studien oder sonstigen Projekte zur Entwicklung ent-
sprechender Fähigkeiten will die EMSA hierzu betreiben?

12. Was ist der Bundesregierung über den Zeitpunkt einer entsprechenden öf-
fentlichen Ausschreibung bekannt?

13. Welche Hersteller, Institute oder sonstigen Teilnehmenden sind schon jetzt
an ähnlichen Vorhaben beteiligt?

14. Was ist der Bundesregierung über „Pilotprojekte“ der EMSA mit Drohnen
in Malta, Portugal und den Niederlanden bekannt?
a) Welche Drohnen welcher Hersteller wurden dort geflogen?
b) Wer führte diese Flüge durch?

15. Was ist der Bundesregierung über eine kürzlich erfolgte Finanzzusage der
Europäischen Kommission für die EMSA zur Einführung von Drohnen zur
Migrationskontrolle bekannt?

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16. Inwiefern treffen Berichte zu, wonach sich die Bundesregierung den Plänen
zum Drohneneinsatz durch die EMSA skeptisch gegenübergestanden habe?

17. Inwiefern trifft es zu, dass sich die Bundesregierung stattdessen für die Nut-
zung von Drohnen durch FRONTEX stark macht, und wie lautet die abge-
stimmte Position der Bundesregierung zum Einsatz von Drohnen zur Migra-
tionskontrolle und es die Europäische Kommission am 15. Dezember 2015
bekräftigt hatte?

Berlin, den 27. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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