BT-Drucksache 18/8314

Geplante Umstrukturierungen beim gemeinsamen Havariekommando des Bundes und der Küstenländer

Vom 27. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8314
18. Wahlperiode 27.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden),
Tabea Rößner, Markus Tressel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geplante Umstrukturierungen beim gemeinsamen Havariekommando
des Bundes und der Küstenländer

Der vor der Nordseeküste im Jahr 1998 gestrandete mit Öl beladene Tanker „Pal-
las“ verursachte eine Ölpest im Wattenmeer und lies den Missstand der vielen
unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund, Küstenländern und Privaten erken-
nen. Als Ergebnis der politischen Bewertungen wurde ein gemeinsames Unfall-
management bei „komplexen Schadenslagen“ ins Leben gerufen in Form des
2003 neu geschaffenen „Havariekommandos“ als gemeinsame Einrichtung von
Bund und den fünf Küstenländern.
Als Grundlage dient die Havariekommando-Vereinbarung, die dem Havariekom-
mando u. a. übertragen hat, die Aufgabe der Koordination im Fall sogenannter
komplexer Schadenslagen zu übernehmen. Jedoch wird inzwischen geplant, ge-
setzliche Zuständigkeiten zu verändern. Es soll sich dabei um „Umstrukturierun-
gen“ handeln, diese sollen auf die exklusive Beschaffung von Hubschraubern für
das Havariekommando zugeschnitten sein (vgl. Flensburger Tageblatt vom
29. März 2016).
Bei Großbränden, bei Massenanfällen von Verletzten oder bei anderen Großscha-
denslagen an Land hat sich der Einsatz von Sondereinsatzgruppen vielfach be-
währt. Daher wurde bisher aus Steuermitteln von Bund und Küstenländern die
Qualifizierung von Sondereinsatzgruppen für die Brandbekämpfung und Ver-
letztenversorgung bei „komplexen Schadenslagen“ auf See, die an einer Vielzahl
von Standorten an der Küste von den kommunalen Feuerwehren vorgehalten wer-
den, finanziert.
Im Rahmen der geplanten „Umstrukturierung“ würde nicht nur die bisher von den
Feuerwehren mit ihren engagierten und motivierten Einsatzkräften sichergestellte
Verfügbarkeit einer ausreichenden Anzahl von erfahrenen Kräften bei Schiffs-
bränden oder bei einem Massenanfall von Verletzten gefährdet werden, sondern
auch die Sicherheit der Menschen und der Umwelt an unserer Küste, denn das
Vorhaben vernachlässigt das bei „komplexen Schadenslagen“ notwendige ge-
meinsame Unfallmanagement von Bund und Küstenländern.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Brandbekämpfungseinheiten (BBE) und Verletztenversorgungs-

teams (VVT) standen nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2003 in wel-
chem Jahr an welchem Standort mit welcher Reaktionszeit aufgrund welcher
Vereinbarung zwischen welchem Bundesland und welcher Kommune für
Einsätze bei „komplexen Schadenslagen“ jeweils zur Verfügung?

Drucksache 18/8314 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele BBE und VVT sollen nach Kenntnis der Bundesregierung zukünf-
tig ab wann an welchem Standort mit welcher Reaktionszeit aufgrund wel-
cher Vereinbarung zwischen welchem Bundesland und welcher Kommune
für Einsätze bei „komplexen Schadenslagen“ zur Verfügung stehen?

3. Welche Personenstärke mit wie vielen Funktionen hat nach Kenntnis der
Bundesregierung nach dem bisher angewandten Fachkonzept mit welchem
Schutzziel eine für die Brandbekämpfung auf See eingesetzte BBE?

4. Welche Personenstärke mit wie vielen Funktionen soll nach Kenntnis der
Bundesregierung zukünftig mit welchem Schutzziel eine für die Brandbe-
kämpfung auf See eingesetzte BBE haben?

5. Welche Personenstärke mit wie vielen Funktionen hat nach Kenntnis der
Bundesregierung nach dem bisher angewandten Fachkonzept mit welchem
Schutzziel ein für die Verletztenversorgung auf See eingesetztes VVT?

6. Welche Personenstärke mit wie vielen Funktionen soll nach Kenntnis der
Bundesregierung zukünftig mit welchem Schutzziel ein für die Verletzten-
versorgung auf See eingesetztes VVT haben?

7. An welchen durch das Havariekommando organisierten Brandbekämpfungs-
oder Verletztenversorgungsübungen nahmen nach Kenntnis der Bundesre-
gierung seit 2003 in welchem Jahr wie viele BBE oder VVT von jeweils
welchen Standorten teil?

8. Welche Übungen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von welcher
BBE oder welchem VVT durch die Feuerwehr welchen Standortes mit wel-
chem im Einsatzfall als Transportmittel vorgesehenen Schiff selbst organi-
siert?

9. Welche zusätzliche Ausbildung benötigen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung mit welchen wesentlichen Ausbildungsinhalten und welcher Ausbil-
dungsdauer welche Einsatzkräfte, die nach welchem zurzeit angewandten
Fachkonzept für einen Einsatz auf See vorgesehen sind?

10. Wie viele Einsatzkräfte welcher Feuerwehren nahmen nach Kenntnis der
Bundesregierung seit 2003 in welchem Jahr an welcher jeweiligen Ausbil-
dung mit welcher Ausbildungsdauer an welchem Ausbildungsort teil?

11. Welche von wem mit welchem Anteil zu tragenden Ausbildungskosten ent-
standen nach Kenntnis der Bundesregierung in welchem Jahr für welche
BBE und welches VVT welcher Feuerwehr?

12. Welche Feuerwehr an welchem Standort wurde nach Kenntnis der Bundes-
regierung seit 2003 in welchem Jahr mit welcher für die Durchführung von
Einsätzen auf See speziell ausgerichteten funktionalen Schutzausrüstung,
welcher Ausrüstung für die Brandbekämpfung und technische Hilfeleistung
oder Verletztenversorgung mit welchen von wem anteilig zu tragenden Kos-
ten ausgestattet?

13. Welche innerhalb welcher Zeit durch welche Feuerwehr zu erreichenden
Ablandeorte sind nach Kenntnis der Bundesregierung nach den zurzeit ange-
wandten Fachkonzepten für den Transport mit welchem Transportmittel vor-
gesehen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8314

14. a) Welche Anfahrtszeiten sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit

für die Anfahrt welcher an welchem Standort vorgehaltenen BBE und
VVT zum Erreichen der Fährhäfen Norddeich, Bensersiel, Neuharlinger-
siel, Harlesiel, Dagebüll, Schlüttsiel und Strucklahnungshörn mit wel-
chem Transportmittel geplant?

b) Welche Anfahrtszeiten sind nach Kenntnis der Bundesregierung zukünf-
tig für die Anfahrt welcher an welchem Standort vorgehaltenen BBE und
VVT zum Erreichen dieser Fährhäfen mit welchem Transportmittel ge-
plant?

15. Wo sind nach Kenntnis der Bundesregierung für die Übernahme von Perso-
nen bei einem Massenanfall von Verletzten auf See seit wann, nach welcher
mit wem abgeschlossenen Vereinbarung welche Übernahmestellen an Land,
mit welcher Ausstattung wie vorbereitet?

16. Welche wann durch wen unter Beteiligung welcher Fachgremien und Fach-
gruppen erarbeitete, wann und wo veröffentlichte Führungsvorschrift ist
nach Kenntnis der Bundesregierung seit wann Grundlage für die Einsatzfüh-
rung bei „komplexen Schadenslagen“ auf See?

17. Wann beriet nach Kenntnis der Bundesregierung der Koordinierungsaus-
schuss „Brandbekämpfung und Verletztenversorgung auf See“ seit 2003 in
welchem Jahr, mit welchen Themenschwerpunkten, mit Beteiligung welcher
Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Feuerwehren See (AGF – See) und der
Arbeitsgemeinschaft Leitender Notarztgruppen See (AG LNA – See)?

18. Seit wann werden nach Kenntnis der Bundesregierung aus welchem Grund
die AGF – See und AG LNA – See nicht mehr an allen Beratungen der Ko-
ordinierungsausschüsse Brandbekämpfung und Verletztenversorgung auf
See beteiligt?

19. Aus welchen Gründen will nach Kenntnis der Bundesregierung der Leiter
des Havariekommandos nach einem Bericht von „Radio Bremen“ (30. März
2016, 7.47 Uhr) „schneller am Einsatzort sein und dorthin mit Hubschrau-
bern fliegen“?

20. a) Aus welchen Gründen oder aufgrund welcher Anlässe soll sich das Hava-
riekommando nach Auffassung der Bundesregierung von einer Koordi-
nierungsstelle zu einer eigenständigen Behörde mit eigenständigen Ein-
satzmitteln entwickeln?

b) Aus welchen Gründen entwickelt die Bundesregierung das Havariekom-
mando nicht zu einer gemeinsamen Küstenwache, in der die Aufgaben
der vielen unterschiedlichen Behörden an der Küste und in der Aus-
schließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zusammengeführt werden?

21. Welche Einsatzerfahrung bei welcher Havarie hat nach Kenntnis der Bun-
desregierung seit 2003 erkennbar gemacht, dass für die Abarbeitung einer
„komplexen Schadenslage“ unter der Gesamteinsatzleitung des Havariekom-
mandos die von den Zuständigen zur Verfügung gestellten Einsatzkräfte
nicht über erforderliche Spezialkenntnisse zur Bekämpfung eines Schiffs-
brandes oder zur Verletztenversorgung auf See verfügt haben?

22. Welche Einsatzerfahrung bei welcher Havarie hat nach Kenntnis der Bun-
desregierung seit 2003 erkennbar gemacht, dass für die Abarbeitung einer
„komplexen Schadenslage“ unter der Gesamteinsatzleitung des Havariekom-
mandos von den Zuständigen zu viele Einsatzkräfte zur Bekämpfung eines
Schiffsbrandes oder zur Verletztenversorgung auf See zur Verfügung gestellt
werden?

Drucksache 18/8314 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

23. Wie viele VVT wurden nach Kenntnis der Bundesregierung vom Havarie-

kommando im Oktober 2010 nordwestlich Fehmarn im Zusammenhang mit
der Evakuierung der brennenden Fähre „Lisco Gloria“, auf der sich
203 Passagiere und 32 Besatzungsmitglieder befanden, und der anschließen-
den Versorgung der Evakuierten auf welchem Hilfsschiff und an welcher
Übernahmestelle alarmiert, mit welchem Transportmittel zum Einsatz ge-
bracht und geführt?

24. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundesstelle für Seeunfallunter-
suchung (BSU) in ihrem Unfallbericht über den Brand auf der Fähre „Lisco
Gloria“ im Oktober 2010 festgestellt, dass eine zentrale Koordination aller
Rettungsflieger auf dem Weg von und zum Havaristen erfolgte?
Wenn ja, durch wen, und wenn nein, wessen Aufgabe wäre aus welchem
Grund aufgrund welcher Vereinbarung diese zentrale Koordinierung gewe-
sen?

25. Welche durch welche Behörde oder andere staatliche Einrichtung vorgehal-
tenen Lufttransportkapazitäten standen nach Kenntnis der Bundesregierung
seit 2003 in welchem Jahr für den Transport von Einsatzkräften oder Ein-
satzmitteln bei „komplexen Schadenslagen“ an welchem Standort mit wel-
chem Hubschraubertyp bei Bedarf zur Verfügung?

26. Welche durch welche Behörde oder andere staatliche Einrichtung vorgehal-
tenen Lufttransportkapazitäten wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
seit 2003 in welchem Jahr, bei welchen „komplexen Schadenslagen“, von
welchem Standort, mit welchem Hubschraubertyp vom Havariekommando,
für welche Aufgabe alarmiert?

27. Welche dieser alarmierten Hubschrauber wurden nach Kenntnis der Bundes-
regierung bei welchen „komplexen Schadenslagen“ mit welcher Aufgabe
vom Havariekommando eingesetzt?

28. Welche Kosten in welcher Höhe entstehen nach Kenntnis der Bundesregie-
rung zurzeit pro Flugstunde für den Einsatz welchen, von welcher Bundes-
behörde vorgehaltenen, für Lufttransportaufgaben bei „komplexen Scha-
denslagen“ geeigneten Hubschraubertyps, der nach den Kostenerstattungs-
sätzen des Bundes bei Einsätzen in Amtshilfe oder bei wirtschaftlicher Tä-
tigkeit für Dritte anzusetzen sind?

29. Wie viele zusätzliche Planstellen mit welchen zusätzlichen Personalkosten
sind nach Kenntnis der Bundesregierung erforderlich, damit im Maritimen
Lagezentrum ständig Hubschrauber als Einsatzmittel für den Lufttransport
geführt werden können?

Berlin, den 27. April 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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