BT-Drucksache 18/8289

Nährstoffbelastung der Ostsee

Vom 27. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8289
18. Wahlperiode 27.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Steffi Lemke, Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms,
Friedrich Ostendorff, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Dr. Julia Verlinden, Matthias Gastel
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nährstoffbelastung der Ostsee

„Die Ostsee ist eines der am stärksten verschmutzten Meere der Welt“, schreibt
der Europäische Rechnungshof in seinem Bericht zur Nährstoffbelastung der
Ostsee (www.eca.europa.eu/de/Pages/DocItem.aspx?did=35757). Die bisherigen
Maßnahmen zur Reduzierung der Verschmutzung der Ostsee hätten nur eine be-
grenzte Wirkung gezeigt, den Plänen der Mitgliedstaaten fehle der Ehrgeiz und
weitere wirksamere Maßnahmen seien dringend notwendig.
Auch den Hauptverursacher der Verschmutzung nennen die Prüfer des Rech-
nungshofes – die Landwirtschaft. Der übermäßige Eintrag von Nährstoffen, vor
allem Stickstoff und Phosphor, die von den Äckern über die Flüsse ins Meer ge-
schwemmt werden, ist danach Schuld an der zunehmenden Eutrophierung der
Ostsee. Die Eutrophierung oder die Anreicherung von Nährstoffen führt zu inten-
siven, oft auch toxischen Algenblüten. Wenn die Algen sterben, sinken sie auf
den Meeresboden und werden dort von Bakterien zersetzt. Dieser Prozess entzieht
dem Wasser und dem Meeresboden, auf dem sich die Algen ablagern, Sauerstoff
und gleichzeitig entsteht giftiger Schwefelwasserstoff. Pflanzen und Tieren, die
am Meeresboden leben, geht buchstäblich die Luft aus, das ökologische Gleich-
gewicht gerät aus dem Ruder. Sogenannte Todeszonen sind die Folge. Einer Stu-
die der Universität Aarhus (www.pnas.org/content/111/15/5628.abstract) zufolge
haben sich diese sauerstoffarmen, lebensfeindlichen Bereiche in der Ostsee stark
ausgeweitet. Von 5 000 Quadratkilometern vor 110 Jahren sind sie auf mittler-
weile 60 000 Quadratkilometer angewachsen. Diese Fläche ist dreimal so groß
wie Sachsen-Anhalt und damit die weltweit größte Todeszone menschlichen Ur-
sprungs. Weder Fische noch andere Meeresbewohner können sich in diesen To-
deszonen aufhalten, ihr Lebensraum ist dadurch drastisch geschrumpft. Die Eu-
trophierung gefährdet die biologische Vielfalt, beeinträchtigt das Aussehen der
Küste und verringert die Fischbestände.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Größe der Todeszonen

in der Ostsee im Verlauf der Jahre 2000 bis 2016?
2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Auftreten von Algen-

blüten seit dem Jahr 2000 (bitte nach Jahren auflisten)?
3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über gesperrte Strände an der

Ostsee aufgrund von Algenblüten im Zeitraum von 2000 bis 2015?

Drucksache 18/8289 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Auswirkungen auf den
Tourismus an der Ostseeküste durch die Algenblüte?

5. Welche Nitratkonzentrationen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung
an den Messstationen an der Ostseeküste seit dem Jahr 2000 gemessen?
Wo werden dabei vorhandene Grenzwerte überschritten (bitte nach Mess-
stellen auflisten)?

6. Welche Phosphatkonzentrationen wurden nach Kenntnis der Bundesregie-
rung an den Messstationen an der Ostseeküste seit dem Jahr 2000 gemessen?
Wo werden dabei vorhandene Grenzwerte überschritten (bitte nach Mess-
stellen auflisten)?

7. In welchem Eutrophierungszustand befindet sich die Ostsee nach Kenntnis
der Bundesregierung?
Wie hat sich die Bewertung des Zustands im zeitlichen Verlauf ab dem Jahr
1990 verändert?
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus?

8. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der Überschrei-
tung der in der NEC-Richtlinie (Überarbeitete Richtlinie über nationale
Emissionshöchstmengen) festgelegten nationalen Höchstmenge für Ammo-
niak von 550 kt/Jahr und der damit verbundenen weiträumigen Verteilung
durch Ammoniakdepositionen und den Umweltbelastungen in der Ostsee?
Wenn nicht, wie begründet die Bundesregierung ihre Feststellung?

9. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen des Maßnah-
menkatalogs der Meeresstrategierahmenrichtlinie (MSRL), um den Nähr-
stoffeintrag zu verringern?

10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im Aktions-
plan Ostseeraum unter der HELCOM (Helsinki Commission) vereinbarten
Reduzierung der Nährstoffeinträge?
Ist die Bundesregierung der im Aktionsplan Ostseeraum unter der HELCOM
vereinbarten Reduzierung der Nährstoffeinträge nachgekommen (bitte die
Reduzierung nach Jahr, Tonnen Nitrat und Phosphor auflisten)?

11. Welche Gründe führt die Bundesregierung an, dass die nach der HELCOM
erforderliche Reduzierung in den Teilgebieten, die besonders stark von Eu-
trophierung betroffen sind, nicht erfüllt ist?

12. Welche Maßnahmen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung zur Ein-
dämmung und Kontrolle der diffusen Nährstoffquellen in die Ostsee gemäß
der Wasserrahmenrichtlinie ergriffen?

13. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Nitratreduktionsprogramme für
die Ostsee aufgelegt?
Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

14. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche Projekte gefördert wer-
den, die die Reduzierung des Nährstoffeintrags in die Ostsee zum Ziel ha-
ben?

15. Wann wird die Bundesregierung die in der Naturschutzoffensive 2020 ange-
kündigte Stickstoffstrategie vorlegen?
Welche Effekte der von der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau
und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, angekündigten Stickstoffstra-
tegie erwartet die Bundesregierung für den Zustand der Ostsee?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8289
 

16. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des EU-Rechnungshofs, dass in
Bezug auf die Nährstoffanforderungen für Düngemittel die abschreckende
Wirkung des Cross-Compliance-Mechanismus nicht ausreichend ist, da das
Ausmaß der Nichteinhaltung weiterhin groß ist?
Und welche Schlussfolgerungen zieht sie diesbezüglich aus dem Bericht?

17. Warum hat die Bundesregierung von der in EU-Rechtsvorschriften vorgese-
henen Option nicht Gebrauch gemacht, einige der Cross-Compliance-Maß-
nahmen für die in diesen Gebieten befindlichen landwirtschaftlichen Be-
triebe verpflichtend zu machen?

18. Welche Empfehlungen des EU-Rechnungshofs zur Verbesserung der Wirk-
samkeit der Maßnahmen zur Bekämpfung der Eutrophierung der Ostsee wird
die Bundesregierung verfolgen und wann umsetzen?

19. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der im Jahr 2009
verabschiedeten Makroregionalen Strategien (Strategien der Europäischen
Union für den Ostseeraum) für die Reduzierung der Nährstoffbelastung?
Welche Aktivitäten und Maßnahmen basieren auf der Strategie?

Berlin, den 27. April 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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