BT-Drucksache 18/8263

Ergänzte Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts für die Türkei

Vom 26. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8263
18. Wahlperiode 26.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, Dr. André Hahn,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Kerstin Kassner, Jan Korte,
Niema Movassat, Dr. Petra Sitte, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Ergänzte Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts für die Türkei

Das Auswärtige Amt hat seine Reise- und Sicherheitshinweise zur Türkei am
11. April 2016 unter dem Punkt „Besondere strafrechtliche Vorschriften“ um den
Passus ergänzt: „Es wird dringend davon abgeraten, in der Öffentlichkeit politi-
sche Äußerungen gegen den türkischen Staat zu machen bzw. Sympathie mit
terroristischen Organisationen zu bekunden“ (www.auswaertiges-amt.de/DE/
Laenderinformationen/00-SiHi/TuerkeiSicherheit.html).
Die Türkei ist Beitrittskandidatin zur Europäischen Union. Sowohl auf EU-Ebene
als auch von einigen EU-Mitgliedstaaten gibt es immer wieder Überlegung und
Bestrebungen, die Türkei für externe Flüchtlinge zum sogenannten sicheren
Drittstaat und in Bezug auf Schutzsuchende aus der Türkei selbst zum siche-
ren Herkunftsstaat zu erklären (http://bundesdeutsche-zeitung.de/headlines/
world-headlines/martin-schulz-ohne-tuerkei-abkommen-haetten-wir-idomeni-im-
grossformat-962019; www.europeonline-magazine.eu/altmaier-tuerkei-ist-fuer-
fluechtlinge-sicherer-drittstaat_448080.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Ereignisse und Überlegungen im Einzelnen haben die Bundesregie-

rung dazu veranlasst, die Reise- und Sicherheitshinweise zur Türkei um den
Passus: „Es wird dringend davon abgeraten, in der Öffentlichkeit politische
Äußerungen gegen den türkischen Staat zu machen bzw. Sympathie mit ter-
roristischen Organisationen zu bekunden“, zu ergänzen?

2. Welche konkreten strafrechtlichen Vorschriften in der Türkei verbieten oder
reglementieren nach Kenntnis der Bundesregierung „in der Öffentlichkeit
politische Äußerungen gegen den türkischen Staat“, und welche möglichen
Strafen oder sonstigen Restriktionen drohen gegebenenfalls bei Verstößen
dagegen?
a) Was genau versteht die Bundesregierung unter „in der Öffentlichkeit [be-

kundeten] politischen Äußerungen gegen den türkischen Staat“?
b) Wie definiert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang konkret den

Begriff der Öffentlichkeit?
c) Inwieweit bezieht sich diese Warnung auch auf in der Türkei tätige deut-

sche Medienvertreterinnen und Medienvertreter, zu deren beruflichem
Aufgabenbereich die öffentliche Kommentierung der türkischen Politik
gehört?

Drucksache 18/8263 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

d) Inwieweit bezieht sich diese Warnung auch auf in der Türkei tätige Ver-
treterinnen und Vertreter deutscher politischer Stiftungen, zu deren beruf-
lichem Aufgabenbereich die Analyse und Kommentierung der türkischen
Politik gehört?

e) Mit welchen möglichen Reaktionen von staatlicher oder gesellschaftli-
cher Seite müssen türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nach
Kenntnis der Bundesregierung rechnen, wenn sie „in der Öffentlichkeit
politische Äußerungen gegen den türkischen Staat“ bekunden?

f) Mit welchen möglichen Reaktionen von staatlicher oder gesellschaftli-
cher Seite müssen Ausländerinnen und Ausländer nach Kenntnis der Bun-
desregierung rechnen, wenn sie „in der Öffentlichkeit politische Äuße-
rungen gegen den türkischen Staat“ bekunden?

3. Welche konkreten strafrechtlichen Vorschriften in der Türkei verbieten oder
reglementieren nach Kenntnis der Bundesregierung das Bekunden von „Sym-
pathie mit terroristischen Organisationen“, und welche möglichen Strafen oder
sonstigen Restriktionen drohen gegebenenfalls bei Verstößen dagegen?
a) Mit welchen möglichen Reaktionen von staatlicher oder gesellschaftli-

cher Seite müssen türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nach
Kenntnis der Bundesregierung rechnen, wenn sie in der Öffentlichkeit
„Sympathie mit terroristischen Organisationen“ bekunden?

b) Mit welchen möglichen Reaktionen von staatlicher oder gesellschaftli-
cher Seite müssen Ausländerinnen und Ausländer nach Kenntnis der Bun-
desregierung rechnen, wenn sie in der Öffentlichkeit „Sympathie mit ter-
roristischen Organisationen“ bekunden?

c) Wie viele türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger wurden nach
Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der letzten fünf Jahre in der Tür-
kei wegen in der Öffentlichkeit bekundeter „Sympathie mit terroristischen
Organisationen“ in welcher Form rechtlich belangt?

d) Wie viele Ausländerinnen und Ausländer wurden nach Kenntnis der Bun-
desregierung innerhalb der letzten fünf Jahre in der Türkei wegen in der
Öffentlichkeit bekundeter „Sympathie mit terroristischen Organisatio-
nen“ in welcher Form rechtlich belangt (bitte angeben, wie viele davon
deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger waren)?

e) Welche Organisationen gelten in der Türkei im Einzelnen nach Kenntnis
der Bundesregierung als terroristisch (bitte namentlich aufzählen)?

f) Welche konkreten Möglichkeiten bestehen für Türkei-Reisende, sich dar-
über zu informieren, welche Organisationen im Einzelnen als terroristisch
gelten?

g) Inwieweit fällt ein öffentliches Bekenntnis zum Prediger Fethullah Gülen
und seinen religiösen oder politischen Auffassungen nach Auffassung der
Bundesregierung unter „Sympathie mit terroristischen Organisationen“?

h) Inwieweit fällt ein öffentliches Bekenntnis zum Islamischen Staat (IS)
oder der Verwendung ihres Logos nach Kenntnis der Bundesregierung
unter „Sympathie mit terroristischen Organisationen“?

i) Inwieweit treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Pressemeldungen
zu, wonach die Türkei die Al-Nusra-Front – den syrischen Ableger
von Al-Qaida – von ihrer Terrorliste gestrichen hat, und inwieweit fallen
nach Kenntnis der Bundesregierung ein öffentliches Lob dieser Organisa-
tion oder die Verwendung ihres Logos unter „Sympathie mit terroristi-
schen Organisationen“ (www.cumhuriyet.com.tr/haber/english/84325/
Turkey_removes_al-Nusra_from__terror__list.html#)

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8263
 

j) Was genau versteht die Bundesregierung unter der Bekundung von „Sym-
pathie mit terroristischen Organisationen“?

k) Inwieweit fallen nach Kenntnis der Bundesregierung das Unterzeichnen
von Friedensappellen sowie die Forderungen nach einem Ende des Krie-
ges in den kurdischen Landesteilen sowie nach Aufnahme von Friedens-
gesprächen mit der kurdischen Arbeiterpartei PKK unter solche Bekun-
dungen?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung angesichts der Reise-
und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts für die Türkei einschließlich
der Warnung vor öffentlicher Kritik am türkischen Staat bezüglich einer mög-
lichen Einstufung des Landes als sicheres Herkunftsland oder als sicherer
Drittstaat durch die Europäische Union oder einzelne EU-Mitgliedstaaten?

5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung angesichts der Reise-
und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts für die Türkei einschließlich
der Warnung vor öffentlicher Kritik am türkischen Staat bezüglich des EU-
Aufnahmeprozesses der Türkei?

6. Wie viele und welche derartige Warnungen vor politischer Kritik in der Öf-
fentlichkeit bezüglich welcher Staaten oder Regionen im Einzelnen hat das
Auswärtige Amt wann innerhalb der letzten zehn Jahre veröffentlicht (bitte
angeben, ob und wann derartige Warnhinweise wieder zurückgenommen
wurden und inwieweit sie weiterhin gelten)?
a) Wie viele der Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise bezogen,

wurden zum Zeitpunkt dieser Warnung von der Bundesregierung grund-
sätzlich als demokratisch und rechtsstaatlich eingestuft?

b) Welche der Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise bezogen, waren
zum Zeitpunkt dieser Warnung EU-Beitrittskandidaten, EU-Mitglieder
oder in sonstiger Weise mit der Europäischen Union assoziiert?

c) Welche der Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise bezogen, waren
zum Zeitpunkt der Warnung Mitglied der NATO?

d) Welche der Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise bezogen, wur-
den von der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Warnung als sichere
Herkunftsländer eingestuft?

e) Welche der Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise bezogen, wur-
den von der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Warnung als sichere
Drittstaaten eingestuft?

f) In welchen dieser Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise und War-
nungen bezogen, wurden zum Zeitpunkt dieser Warnung in welchem
Ausmaß Abschiebungen oder Rückführungen von abgelehnten Asylbe-
werberinnen und Asylbewerbern durchgeführt?

g) In welchen dieser Staaten, auf die sich diesbezügliche Hinweise und War-
nungen bezogen, wurden zum Zeitpunkt dieser Warnung Auslieferungen
durchgeführt?

Berlin, den 25. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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