BT-Drucksache 18/8222

zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 18/6364 - Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge - Doppelverbeitragung vermeiden

Vom 26. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8222
18. Wahlperiode 26.04.2016

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald, Sabine
Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 18/6364 –

Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und
Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden

A. Problem
Millionen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer müssten dop-
pelte Krankenversicherungsbeiträge auf ihre Lebens- oder Rentenversicherungen
zahlen. Diese Doppelverbeitragung auf Direktversicherungen und Versorgungs-
bezüge soll nach Auffassung der Antragsteller beendet werden. Die Antragsteller
vertreten die Ansicht, dass das Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher, privater und
betrieblicher Altersvorsorge gescheitert sei, denn aufgrund hoher Kostenbelas-
tung u. a. durch Abschluss- und Bestandsprovisionen seien Altersvorsorgepro-
dukte ineffizient, intransparent und erhoffte Erträge blieben aus.

B. Lösung
Die Antragsteller fordern die Vorlage eines Gesetzentwurfes der Bundesregie-
rung, der die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Versor-
gungsbezüge beendet. Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung
bei Vorsorgebezügen solle nur einmal anfallen. Soziale Gerechtigkeit würde mit
der Einführung einer solidarischen Gesundheitsversicherung (Bürgerinnen- und
Bürgerversicherung) geschaffen.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 18/8222 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 18/6364 abzulehnen.

Berlin, den 13. April 2016

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Edgar Franke
Vorsitzender

Maria Michalk
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8222

Bericht der Abgeordneten Maria Michalk

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 18/6364 in seiner 134. Sitzung am 6. November 2015
dem Ausschuss für Gesundheit zur federführenden Beratung sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht
und Verbraucherschutz, an den Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Laut Antragsteller müssen Millionen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer doppelte Kranken-
versicherungsbeiträge auf ihre Lebens- oder Rentenversicherungen zahlen. Der Rückgang des Sicherungsniveaus
der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der Begrenzung des Anstiegs des Beitragssatzes bis zum Jahr 2030
auf höchstens 22 Prozent mache eine zusätzliche private und betriebliche Vorsorge notwendig. Allerdings seien
aufgrund hoher Kostenbelastung u. a. durch Abschluss- und Bestandsprovisionen Altersvorsorgeprodukte ineffi-
zient, intransparent und erhoffte Erträge blieben aus. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz sei zwar die Unge-
rechtigkeit, dass auf regelmäßige Zahlungen aus Lebens- und Rentenversicherungen, nicht aber auf die einmalige
Auszahlung einer Kapitalabfindung Beiträge zur Krankenversicherung erhoben wurden, beseitigt worden. Die
Gesetzesänderung führe allerdings seit dem Jahre 2004 bei vielen Versicherten auch dazu, dass eine vom Unter-
nehmen zu ihren Gunsten abgeschlossene Direktversicherung und die daraus resultierenden Vorsorgebezüge im
Versicherungsfall auch dann zu verbeitragen sind, wenn bei den erbrachten Versicherungsbeiträgen zuvor bereits
Krankenversicherungsbeiträge abzuführen gewesen seien. Die doppelten Krankenversicherungsbeiträge auf Le-
bens- oder Rentenversicherungen müssten auch dann gezahlt werden, wenn der Vertrag über die Betriebsrente
bereits vor Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes am 1. Januar 2004 abgeschlossen worden sei. Diese
Doppelverbeitragung sei eine „kalte Enteignung“ durch einen ungerechtfertigten Eingriff in die finanzielle Le-
bensplanung der Betroffenen zu Lasten der von ihrem Gehalt abgeführten Altersvorsorge. Denn nicht selten hätten
sie durch die an die Krankenkasse abzuführenden Beiträge ein Verlustgeschäft gemacht, da die Kapitalabfindung
nicht einmal den eingezahlten Versicherungsbeiträgen entspräche. Von der doppelten Verbeitragung seien Milli-
onen von Rentnerinnen und Rentnern betroffen.
Die Antragsteller fordern die Vorlage eines Gesetzentwurfes der Bundesregierung, der die doppelte Beitragszah-
lung auf Direktversicherungen und Versorgungsbezüge beende. Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenver-
sicherung bei Vorsorgebezügen solle nur einmal anfallen. Es seien nachträglich Beiträge zu zahlen, wenn die
Beiträge für die betriebliche Altersvorsorge aus nicht beitragspflichtigem Einkommen aufgebracht worden seien.
Die Versicherungsleistung dürfe dagegen nicht erneut verbeitragt werden, wenn die Beiträge aus Einkommen
gezahlt worden seien, für das bereits Krankenversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die Bundesregierung
müsse durch konsequente Stärkung der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme Gerechtigkeit herstellen. Sozi-
ale Gerechtigkeit würde mit der Einführung einer solidarischen Gesundheitsversicherung (Bürgerinnen- und Bür-
gerversicherung in Gesundheit und Pflege) geschaffen, die Finanzierung der Krankenversicherung auf ein solides
Fundament gestellt und die Absenkung der Beiträge für alle Versicherten ermöglicht.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 95. Sitzung am 13. April 2016 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem Plenum des Deutschen Bundestages die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 18/6364 zu empfehlen.
Der Finanzausschuss hat in seiner 74. Sitzung am 13. April 2016 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschlossen, dem Plenum des Deutschen Bundestages die Ablehnung des Antrags auf Drucksache
18/6364 zu empfehlen.

Drucksache 18/8222 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 71. Sitzung am 13. April 2016 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, dem Plenum des Deutschen Bundestages die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 18/6364 zu empfehlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Beratung zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364 in seiner 60. Sitzung am
2. Dezember 2015 aufgenommen und die Durchführung einer öffentlichen Anhörung beschlossen.
Die öffentliche Anhörung fand in der 64. Sitzung am 27. Januar 2016 statt. Als sachverständige Verbände waren
eingeladen: aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V., Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA), Deutsche Rentenversicherung Bund, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), GKV
Spitzenverband, Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD), Sozialverband VdK Deutschland e. V., Verbraucher-
zentrale Bundesverband (vzbv). Außerdem waren als Einzelsachverständige Prof. Dr. Hansjoachim Bieback, Prof.
Dr. Klaus Jacobs, Prof. Dr. Helge Sodan, Prof. Dr. Wolfgang Spoerr, Barbara Sternberger-Frey und Prof. Eber-
hard Wille eingeladen. Auf das entsprechende Wortprotokoll und die als Ausschussdrucksachen verteilten Stel-
lungnahmen der Sachverständigen wird Bezug genommen.
Dem Ausschuss für Gesundheit lag eine Petition vor. Der Petent fordert die Außerkraftsetzung der mit dem GKV-
Modernisierungsgesetz eingeführten Entrichtung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf Kapital-
auszahlungen von Direktversicherungen, da die hierdurch erfolgte Mehrbelastung vieler Rentnerinnen und Rent-
ner verfassungsrechtlich bedenklich sei. Durch die Abschaffung der Beitragsfreiheit für Kapitalauszahlungen für
Direktversicherungen sei der Grundsatz des Vertrauensschutzes für Verträge, die vor dem 1. Januar 2004 abge-
schlossen wurden, verletzt. Der Bestandsschutz wäre zu wahren gewesen, da die Betroffenen aufgrund unterlas-
sener Übergangsregelungen keine Möglichkeit gehabt hätten, einen entsprechenden Einkommensausgleich für ihr
Alter zu schaffen.
Der Ausschuss hat seine Beratungen zum Antrag auf Drucksache 18/6364 in seiner 71. Sitzung am 13. April 2016
fortgesetzt und abgeschlossen.
Als Ergebnis empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dem Plenum des Deutschen Bundestages, den Antrag auf Drucksache 18/6364 abzulehnen.
Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag der Fraktion DIE LINKE. und insbesondere die Einführung einer
Bürgerversicherung ab. Aufgrund geänderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen wie demografischer Wandel
und Niedrigzinsniveau denke man allerdings darüber nach, wie die Altersvorsorge künftig gestaltet werden könne.
Dies sei aber kein Thema der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei der Verbeitragung gelte der Grundsatz: Es
werde nicht berücksichtigt, wann die Vermögen in welcher Form entstanden seien, sondern sie wurden zum Zeit-
punkt der Inanspruchnahme bzw. Auszahlung verbeitragt. Diesen Grundsatz habe das Bundesverfassungsgericht
an mehreren Stellen bestätigt, so dass rechtlich kein Handlungsbedarf bestehe.
Die Fraktion der SPD stellte fest, dass es bei diesem Thema eine politische und eine rechtliche Ebene gebe. Die
rechtliche Ebene sehe bei den Beitragssätzen und der Doppelverbeitragung kein Unrecht. In diesem Sinne ent-
sprächen auch Urteile von Gerichten nicht dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Deshalb lehne man den Antrag
ab. Die SPD habe, das Kernanliegen betreffend, mitgetragen, dass die Beitragssätze in der Kranken- und Pflege-
versicherung durch gesetzliche Maßnahmen stabilisiert worden seien. Man sehe aber bei der Doppelverbeitragung
unter politischen Vorzeichen durchaus zukunftsgerichtet eine Handlungsoption oder -notwendigkeit.
Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, dass das Drei-Säulen-Modell, gesetzliche Rente, Riesterrente und betrieb-
liche Altersvorsorge, gescheitert sei. Es handele sich um ein gutes Geschäft für die private Versicherungswirt-
schaft; meistens um ein schlechtes Geschäft für die Versicherten. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz sei die
Möglichkeit beseitigt worden, Krankenversicherungsbeiträge auf Versicherungsleistungen zu umgehen, in dem
die Vertragsgestaltung ein Kapitalwahlrecht vorsah. Die Neuregelung habe zur neuen Ungerechtigkeit einer dop-
pelten Verbeitragung geführt, wenn für die erbrachten Versicherungsbeiträge zuvor bereits Krankenversiche-
rungsbeiträge abgeführt worden seien. Nicht selten führe das dazu, dass die Netto-Auszahlung niedriger ausfiele
als die Summe der eingezahlten Versicherungsbeiträge. Die Versicherungsleistung dürfe nicht zusätzlich verbei-
tragt werden, wenn die Beiträge auf Einkommen gezahlt würden, für das bereits Krankenversicherungsbeiträge

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8222

abgeführt worden seien. Grundsätzlich sei eine Erwerbstätigenversicherung in der Rente sowie eine solidarische
Bürgerinnen- und Bürgerversicherung bei der Krankenversicherung die bessere Lösung.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN konstatierte, dass der Antrag ein wichtiges Problem aufwerfe. Den-
noch werde man sich enthalten, da der Ansatz des Antrages unzulänglich sei. Es werde versucht, ein rentenpoli-
tisches Problem mit den Mitteln des Krankenversicherungsrechts zu lösen. Allerdings sehe man Handlungsbedarf.
Denn die völlig unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung von zum Beispiel Kapitalerträgen und Versor-
gungsbezügen werfe Akzeptanzprobleme auf. Mit einer Bürgerversicherung würde man eine Harmonisierung er-
reichen.

Berlin, den 13. April 2016

Maria Michalk
Berichterstatterin

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