BT-Drucksache 18/8220

Migrationskontrolle am Horn von Afrika

Vom 21. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8220
18. Wahlperiode 21.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger,
Andrej Hunko, Katrin Kunert und der Fraktion DIE LINKE.

Migrationskontrolle am Horn von Afrika

In keiner anderen Weltregion leben so viele Geflüchtete wie am Horn von Afrika.
Die Region, die die Länder Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan,
Südsudan, Tansania und Uganda umfasst und in der geschätzte 242 Millionen
Menschen leben, beheimatet ca. 8,9 Millionen Geflüchtete und Vertriebene –
6,5 Millionen davon sind Binnenflüchtlinge. Zudem zählen die Länder des Horns
von Afrika zu den wichtigsten Ursprungsländern von Migrationsbewegungen Rich-
tung Europa (vgl. https://ec.europa.eu/europeaid/sites/devco/files/eu-emergency-
trust-fund-revised-strategy-15022016_en.pdf, S. 7). Auch deshalb setzt der beim
Valetta-Gipfel im November 2015 ins Leben gerufene „EU Emergency Trust
Fund for stability and addressing root causes of irregular migration and displaced
persons in Africa“ einen Arbeitsschwerpunkt auf diese Region.
Von den bisher zugesagten knapp 1,8 Mrd. Euro des „EU Emgergency Trust
Funds“ sollen 714 Mio. Euro ans Horn von Afrika fließen. Die Europäische
Union selbst gesteht ein, dass diese Finanzmittel bei weitem nicht ausreichen,
allen Herausforderungen, die mit den Fluchtbewegungen verbunden sind, zu be-
gegnen (https://ec.europa.eu/europeaid/sites/devco/files/eutf-hoa-window-migration-
support_en.pdf). Während knapp 30 Prozent der Mittel für Friedenssicherung und
Konfliktprävention verwendet werden, werden die restlichen 70 Prozent für die
Bekämpfung irregulärer Migration sowie für Vertriebene eingesetzt (ebenda).
Hierbei ergeben sich enge Überschneidungen mit dem Khartum-Prozess, bei dem
die Europäische Union mit den afrikanischen Ländern Ägypten, Äthiopien, Dschi-
buti, Eritrea, Kenia, Sudan, Südsudan und Tunesien die Migration Richtung Europa
eindämmen sowie die Rückführung in diese Länder verstärken will. Zudem hat die
Europäische Union mit der äthiopischen Regierung zeitgleich zum Valetta-Gipfel
eine „Common Agenda on Migration and Mobility“ (CAMM) unterzeichnet, die
ähnliche Ziele verfolgt (http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/e-library/documents/
policies/international-affairs/general/docs/eu_ethiopia_agreement_on_migration_
and_mobility_en.pdf).
Am 14. April 2016 berichtete die Fernsehsendung „Monitor“ über ein Treffen der
Botschafter der EU-Staaten vom 23. März 2016, bei dem diese Möglichkeiten zur
erleichterten Rückführung und Rückübernahme von Geflüchteten in die bzw. von
den Länder(-n) des Horns von Afrika ausloteten. Im Gegenzug für eine bessere
Kooperation der afrikanischen Staaten in diesem Bereich seien Wirtschaftshilfen
und Visaerleichterungen angedacht (www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/
afrika-100.html). Insbesondere die Bundesrepublik Deutschland scheint dabei
mit der bisherigen Politik unzufrieden zu sein und schätzt die „Lage im Rückfüh-
rungsbereich“ als „unbefriedigend“ ein. Laut Bericht sind Gespräche mit den Re-
gierungen aus Äthiopien, Eritrea, Somalia und Sudan geplant. Dabei ist es im

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Falle einer Kooperation vorstellbar, den Sudan von der Liste Terror unterstützen-
der Staaten zu streichen.
Ein Projekt, das Khartum-Prozess und EU-Treuhandfonds verbindet, trägt den
Titel „Better Migration Management“ (https://ec.europa.eu/europeaid/sites/devco/
files/annex_4-eutf-hoa-reg-09-better-migration-management_en.pdf). Für dieses
Projekt sind 40 Mio. Euro vorgesehen, die Deutsche Gesellschaft für Internatio-
nale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) soll an der Implementierung des Projekts be-
teiligt werden. Zentrales Ziel des Projekts ist ein verbesserter Grenzschutz in der
Region, der u. a. auch durch die Bereitstellung besserer Ausrüstung für Sicher-
heitskräfte und den Bau sogenannter Reception Centers inklusive Zellen im Su-
dan erreicht werden soll. Komplementiert soll das Projekt u. a. von dem soge-
nannten EU Internal Security Fund on police cooperation (ebenda, S. 4) werden.
Bereits in der Projektbeschreibung wird dabei auf das Risiko verwiesen, dass zur
Verfügung gestellte Ausrüstungen und Trainings von nationalen Sicherheitskräf-
ten für repressive Ziele genutzt werden könnten (ebenda, S. 9)
Es ist nicht das erste Mal, dass die GIZ sich an Projekten zu Grenzschutz und Mig-
rationsmanagement beteiligt. In den Jahren 2008 bis 2015 hat die GIZ das African
Union Border Programme (AUBP) unterstützt (www.giz.de/de/weltweit/
15759.html), in Saudi Arabien Grenzschützer ausgebildet (www.tagesspiegel.
de/politik/saudi-arabien-und-deutschland-der-preis-der-zusammenarbeit/126827
16.html).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. An welchen Projekten des „EU Emergency Trust Fund for stability and

addressing root causes of irregular migration and displaced persons in Af-
rica“ ist die Bundesregierung und ihr zugeordnete Institutionen wie die GIZ
beteiligt, bzw. plant sich zu beteiligen?

2. In welchem Umfang beabsichtigt die Bundesregierung sowie die GIZ, Aus-
rüstung, Trainingseinheiten oder Logistik zur Verbesserung des „Migration
Management“ in Ländern der Sahelzone sowie am Horn von Afrika bereit-
zustellen?

3. Welche Rolle soll der GIZ im Rahmen des Projekts „Better Migration Ma-
nagement“ nach Auskunft der Bundesregierung zukommen (bitte konkrete
Aufgaben auflisten)?

4. Wie wollen die Bundesregierung und die GIZ sicherstellen, dass die in der
Projektbeschreibung des Projekts „Better Migration Management“ unter
Punkt 3.3 genannten Risiken nicht eintreten werden (bitte Angaben zu allen
genannten Risiken tätigen)?

5. Wie wollen die Bundesregierung und die GIZ sicherstellen, dass im Rahmen
des Projekts „Better Migration Management“ zur Verfügung gestellte Aus-
rüstung und Trainings von nationalen Sicherheitskräften nicht für repressive
Ziele missbraucht werden?

6. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von Ausschreibungen („call for
proposals“) hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden im
Zuge des Khartum-Prozesses, v. a. im Rahmen des „EU Internal Security
Fund on police cooperation“?

7. In welchem Umfang beabsichtigt die Bundesregierung, sich am Khartum-
Prozess im Zuge des „EU Internal Security Fund on police cooperation“ zu
beteiligen?

8. Welche „Lessons learnt“ konstatiert die Bundesregierung aus der Zusam-
menarbeit zwischen GIZ und EADS im Zuge des Grenzschutzprojektes in
Saudi-Arabien?

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9. An welchen Projekten, die dem Migrationsmanagement im weitesten Sinne
dienen, ist die GIZ (bzw. ihre Vorgängerorganisationen) nach Kenntnis der
Bundesregierung seit dem Jahr 2010 beteiligt gewesen (bitte auch eine Kurz-
beschreibung der Inhalte, Ziele und konkreten Maßnahmen der jeweiligen
Projekte angeben)?

10. Welche konkreten Maßnahmen sind im Rahmen der mit Äthiopien unter-
zeichneten „Common Agenda on Migration and Mobility“ geplant (bitte die
einzelnen geplanten Maßnahmen und deren Kosten auflisten)?

11. Mit wie vielen Finanzmitteln ist der EU-Treuhandfonds aktuell ausgestattet,
und wie viel Geld hat die Bundesregierung dazu beigesteuert?

12. Wie viele Finanzmittel des EU-Treuhandfonds sind „neue Gelder“, die bis-
her in keinem Budget der Europäischen Union oder ihrer Mitgliedsländer
verbucht waren (bitte die Fondsmittel auflisten)?

13. Was war nach Kenntnis der Bundesregierung Gegenstand, Ziel und Ergebnis
der Verhandlungen der Botschafter der EU-Staaten bei ihrem Treffen am
23. März 2016 in Brüssel?

14. Welche konkreten Maßnahmen und Zeitpläne wurden nach Kenntnis der
Bundesregierung auf diesem Treffen beschlossen (bitte auflisten)?

15. Welche Kritikpunkte hat die Bundesregierung an der bisherigen Kooperation
in der Flüchtlingspolitik mit den Ländern am Horn von Afrika?

16. Welche Wünsche zur Verbesserung in der Zusammenarbeit hat die Bundes-
regierung konkret, und inwiefern decken sich diese mit den Vorstellungen
der anderen EU-Mitgliedstaaten?

17. Plant die Europäischen Union nach Kenntnis der Bundesregierung im Falle
einer Kooperation in der Flüchtlingspolitik, den Sudan von der Liste Terror
unterstützender Staaten zu streichen?

18. Wie schätzt die Bundesregierung die Menschenrechtslage in den Ländern
Äthiopien, Eritrea, Somalia, Sudan und Südsudan ein (bitte eine gesonderte
Einschätzung für jedes Land abgeben), und inwiefern erlaubt eine solche
Einschätzung nach Meinung der Bundesregierung eine Abschiebung oder
Rückführung von Menschen in diese Länder?

19. Wie und inwiefern wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
kommender Verhandlungen mit den Regierungen der ostafrikanischen Län-
der auch die prekäre Menschenrechtssituation vor Ort thematisiert werden?

20. Wie und inwiefern wird nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen
kommender Verhandlungen mit den Regierungen der ostafrikanischen Län-
der auch die schwierige humanitäre Situation vor Ort – gerade in Anbetracht
der Auswirkungen des Klimaphänomens El Niño – berücksichtigt werden?

Berlin, den 21. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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