BT-Drucksache 18/8153

Pilotprojekte zur Verknüpfung europäischer Datenbanken und Datenabgleichsfähigkeiten bei Europol

Vom 12. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8153
18. Wahlperiode 12.04.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Wolfgang Gehrcke, Frank Tempel,
Jan van Aken, Annette Groth, Inge Höger, Ulla Jelpke, Alexander Ulrich,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Pilotprojekte zur Verknüpfung europäischer Datenbanken und
Datenabgleichsfähigkeiten bei Europol

Schon vor den jüngsten Anschlägen in Brüssel hatte der deutsche Bundesminister
des Innern Dr. Thomas de Maizière (CDU) die Verknüpfung europäischer „Da-
tentöpfe“ gefordert (Tagesthemen vom 22. März 2016). Gemeint sind die drei be-
stehenden Datenbanken SIS II (Schengener Informationssystem der zweiten Ge-
neration), VIS (Visa-Informationssystem) und EURODAC (Europäische Daten-
bank zur Speicherung von Fingerabdrücken). Dr. Thomas de Maizière sprach
aber auch davon, die noch zu errichtenden Reiseregister, EU-Fluggastdatensatz
(EU-PNR) und „Intelligente Grenzen“, zu vernetzen. Auf europäischer Ebene
wird hierfür der (allerdings nicht einheitlich definierte) Begriff „Interoperabilität“
gebraucht. Wären die Systeme untereinander verbunden, könnten die enthaltenen
Informationen automatisiert abgeglichen werden. Polizei- oder Geheimdienstbe-
hörden würden etwa bei einem Grenzübertritt oder einer Flugreise im automati-
sierten Verfahren über Auffälligkeiten informiert werden. In mehreren Pilotpro-
jekten wird derzeit geprüft, wie eine solche Echtzeit-Überwachung technisch um-
gesetzt werden könnte. Der deutsche Vorschlag von verknüpften „Datentöpfen“
geht jedoch weit darüber hinaus: Die Bundesregierung spricht sich dafür aus, ein
zentrales, integriertes System zu errichten und die bestehenden Datenbanken ein-
zubinden (Das Erste – Bericht aus Berlin vom 3. April 2016).
Dem Abgleich von verknüpften Polizeidatenbanken stehen nicht nur rechtliche
Hürden entgegen (Ratsdokument 6785/16). Viele Mitgliedstaaten nutzen unter-
schiedliche Systeme, die nicht immer mit der Soft- und Hardware bei Europol
harmonieren. Auch die Qualität der Daten ist nicht immer einheitlich. Manche
Mitgliedstaaten liefern äußerst umfangreiche Daten, andere beteiligen sich gar
nicht am digitalen Informationsaustausch. Die Europäische Union hat deshalb
eine „Strategie zum Informationsmanagement“ gestartet. Zuständig für den Da-
tentausch von Polizei und Justiz ist die Ratsarbeitsgruppe „Informationsaustausch
und Datenschutz“ (DAPIX). Zu den früheren Projekten der DAPIX gehörte die
Entwicklung einer Plattform für den Informationsaustausch von Strafverfol-
gungsbehörden (Information Exchange Platform for Law Enforcement Agencies,
IXP). Einen ähnlichen Vorschlag machte die spanische EU-Ratspräsidentschaft
im Jahr 2010 zur Errichtung einer „Police Information Exchange Platform“
(PIEP). Zum fünften Mal will die DAPIX eine Serie von entsprechenden Pilot-
projekten starten (Ratsdokument 6785/16 und 5175/1/16). Dabei geht es um die
Vernetzung und Abfrage von Datenbanken, die teilweise noch gar nicht beschlos-
sen oder eingerichtet sind. Hierzu gehören die Vorhaben PNRDEP („Passenger

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Name Record Data Exchange Pilot“ zur Einrichtung eines Passagierdatensys-
tems), ADEP („Automation of Data Exchange Processes“ zum verbesserten In-
formationsaustausch mit Europol) sowie die Einführung des standardisierten Uni-
versal Message Format (UMF 3). Ein entsprechendes Projekt unter Leitung des
Bundeskriminalamtes startete bereits im November 2015 und dauert 30 Monate.
Die Anwendung ist webbasiert und soll ebenfalls nationale Datenbanken und Eu-
ropol-Informationen abfragen. Tests in Estland, Finnland, Griechenland, Polen
und Spanien werden mit der Europol-Datei zu Feuerwaffen vorgenommen. Die
Kosten werden mit 1,6 Millionen Euro beziffert, wovon die Kommission 90 Pro-
zent übernimmt (Ratsdokument 5175/1/16).
Im Europol-Arbeitsprogramm 2016 sind weitere entsprechende Maßnahmen an-
gekündigt (Ratsdokument 5909/16). Ein Vorschlag für neue „Datenabgleichsfä-
higkeiten“ soll ebenfalls folgen. Auch die Europäische Kommission will sich zur
„Interoperabilität“ der Polizeidatenbanken äußern. Hinderlich ist, dass der Begriff
nie EU-weit definiert worden ist.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Im Rahmen welcher Forschungen oder Pilotprojekte auf europäischer Ebene

befassen sich welche Behörden des Bundesministeriums des Innern mit dem
verbesserten Datentausch, der „Interoperabilität“ von Informationssystemen
der Europäischen Union, dem Prinzip „One-Stop-Shop“ sowie der Suche
nach „Kreuztreffern“?

2. Welche weiteren, ähnlichen Vorhaben werden nach Kenntnis der Bundesre-
gierung im Rahmen der „Strategie zum Informationsmanagement“ der Euro-
päischen Union unter Beteiligung von Europol durchgeführt?

3. Welche weiteren ähnlichen Vorhaben, etwa die Entwicklung einer Plattform
für den Informationsaustausch von Strafverfolgungsbehörden oder die Er-
richtung von PIEP, wurden nach Kenntnis im Rahmen der „Strategie zum
Informationsmanagement“ der Europäischen Union bereits abgeschlossen
bzw. in neue Projekte überführt?

4. Worum handelt es sich bei dem Pilotprojekt PNRDEP zur Einrichtung eines
EU-Passagierdatensystems, und wer nimmt daran teil (bitte auch die Leiter
und Co-Leiter sowie Drittparteien darstellen)?
a) Welche Kosten entstehen für das Pilotprojekt, und von wem werden diese

übernommen?
b) Welche technischen Lösungen werden untersucht?
c) Welche bereits vorhandenen Netzwerke, etwa das polizeiliche SIRENE-

Netzwerk oder das bei Europol angesiedelte Netzwerk für Finanzermitt-
lungen bzw. das bei Europol eingerichtete SIENA-Netzwerk, könnten aus
Sicht der Bundesregierung für den Informationsaustausch genutzt wer-
den?

d) Inwiefern hält es die Bundesregierung für technisch möglich, zur Analyse
von Daten des EU-PNR die sogenannte Ma3tch-Technologie (Auto-
nomous Anonymous Analysis) zu nutzen?

5. Worum handelt es sich bei dem Pilotprojekt ADEP, und wer nimmt daran
teil (bitte auch die Leiter und Co-Leiter sowie Drittparteien darstellen)?
a) Welche Kosten entstehen für das Pilotprojekt, und von wem werden diese

übernommen?
b) Welche technischen Lösungen werden untersucht?
c) Welche Aufgaben und Arbeiten werden vom Bundeskriminalamt in

ADEP übernommen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/8153
 

d) Welche bereits vorhandenen Systeme werden in ADEP für die Wieder-
oder Weiterverwendung eines verbesserten Informationsaustausches ge-
prüft?

e) Inwiefern hält es die Bundesregierung für technisch möglich, hierfür auch
die sogenannte Ma3tch-Technologie zu nutzen?

6. Worum handelt es sich bei dem Pilotprojekt UMF 3, und wer nimmt daran
teil (bitte auch die Leiter und Co-Leiter sowie Drittparteien darstellen)?
a) Welche Kosten entstehen für das Pilotprojekt, und von wem werden diese

übernommen?
b) Welche technischen Lösungen werden untersucht?
c) Welche Aufgaben und Arbeiten werden vom Bundeskriminalamt über-

nommen?
d) Auf welche Weise könnten nationale Datenbanken und Europol-Informa-

tionen mit dem UMF-3-Verfahren abgefragt und abgeglichen, bzw. wel-
che Fragen werden hierzu in dem Pilotprojekt untersucht?

e) Inwiefern ist das Pilotprojekt zum UMF-3-Verfahren identisch oder nicht
identisch mit dem Europol-Projekt QUEST (Querying Europol Systems)?

f) Auf welche Weise ist das Bundeskriminalamt an Tests in Estland, Finn-
land, Griechenland, Polen und Spanien beteiligt?

7. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage, auf welche „neue
Technologien“ Europol zur Datenverarbeitung zurückgreifen soll, um den
zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten „genauere Kriminalitätsanalysen“
zur Verfügung zu stellen (Ratsdokument 14713/15)?
a) Auf welche Weise sollte Europol besser imstande sein, Zusammenhänge

zwischen Ermittlungen und typischen Vorgehensweisen unterschiedli-
cher krimineller Gruppen rasch zu erkennen?

b) Mithilfe welcher Verfahren sollte Europol bei Datenabgleichen ermittelte
Übereinstimmungen überprüfen?

8. Was ist der Bundesregierung zu Plänen für neue Datenabgleichsfähigkeiten
bei Europol bekannt?
a) Wann soll ein entsprechender Vorschlag von Europol veröffentlicht wer-

den, und auf welche Weise sind deutsche Behörden an dessen Zustande-
kommen beteiligt?

b) Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, wann die Europäische
Kommission eine Mitteilung zur „Interoperabilität“ von EU-Polizeidaten-
banken vorlegen will?

9. Aus welchem Grund hat die Europäische Kommission den Vorschlag für das
Paket „Intelligente Grenzen“ nach Kenntnis der Bundesregierung nicht wie
geplant am 23. März 2016 veröffentlicht (Bundestagsdrucksache 18/7835),
und inwiefern war die am 15. März 2016 vom Bundesminister des Innern an
die Europäische Kommission gerichtete Eingabe hierfür ausschlaggebend
(Tagesthemen vom 22. März 2016)?

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10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, welche EU-Agenturen, natio-
nale Sachverständige und institutionelle Akteure einer von der Europäischen
Kommission vorgeschlagenen „hochrangigen Sachverständigengruppe für
IT-Systeme und Interoperabilität“ angehören könnten oder sollen (Presse-
mitteilung der Europäischen Kommission vom 6. April 2016 zum „künftigen
Rahmen für solidere und intelligentere Informationssysteme“)?
a) Welche eigenen Angehörigen dieser „hochrangigen Sachverständigen-

gruppe für IT-Systeme und Interoperabilität“ wird die Bundesregierung
benennen?

b) Wann, und wo sollen erste Treffen oder Telefonkonferenzen der „hoch-
rangigen Sachverständigengruppe für IT-Systeme und Interoperabilität“
stattfinden?

11. Die Zusammenführung welcher Datenquellen wird in dem unter Beteiligung
des Bundeskriminalamtes durchgeführten Forschungsprojekt „Linked-Data-
basierte Kriminalanalyse“ (LiDaKrA) beforscht?
a) Mit welchen technischen Verfahren werden die in sozialen Netzwerken,

Marktplätzen, dem Tor-Netzwerk und weiteren öffentlichen Datenbanken
gesammelten Datenquellen zusammengeführt und ausgewertet, bzw. wel-
che Anwendungen werden hierzu betrachtet (http://eis.iai.uni-bonn.de/
Projects/LiDaKrA.html)?

b) Inwiefern werden dabei auch Handelsregister, Kreditbüros oder Daten-
banken zu politisch relevanten Protestereignissen (etwa World-Check)
genutzt?

c) Nach welcher Maßgabe könnten in den Abgleich von Informationen auch
Polizeidatenbanken genutzt werden, bzw. welche Fragestellungen werden
hierzu in LiDaKrA untersucht (bitte die infrage kommenden Datenbanken
benennen)?

Berlin, den 11. April 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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