BT-Drucksache 18/8084

Wohneigentumsrecht umfassend reformieren und modernisieren

Vom 13. April 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/8084
18. Wahlperiode 13.04.2016
Antrag
der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen), Renate Künast, Nicole Maisch,
Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Steffi
Lemke, Peter Meiwald, Dr. Julia Verlinden, Harald Ebner, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Friedrich Ostendorff, Corinna Rüffer, Markus
Tressel, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wohneigentumsrecht umfassend reformieren und modernisieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Deutschland gibt es rund 9 Millionen Eigentumswohnungen, das ist jede vierte
Wohnung. In über 1,5 Millionen Gebäuden bestehen Wohneigentümergemeinschaf-
ten (WEG). WEG sind unterschiedlich groß: die Spannweite von zwei bis zu knapp
2000 Wohnungen. Das Wohneigentumsgesetz in Deutschland, das noch aus dem
Jahr 1951 stammt, ist den unterschiedlichen Herausforderungen und Bedürfnissen,
die sich daraus ergeben, nicht gewachsen. Seit seinem Inkrafttreten ist das WEG-
Recht kaum überarbeitet worden. Die Novelle aus dem Jahr 2007 ist nicht ausrei-
chend für die Herausforderungen auf diesem Gebiet. Der Gesetzestext ist nicht mehr
zeitgemäß. Durch die komplizierte Handhabung und die vielen Berührungspunkte
mit dem Mietrecht kommt es in Wohneigentumsgemeinschaften häufig zu Gerichts-
verfahren. Rund 20 000 WEG-Verfahren vor Amtsgerichten gab es im Jahr 2004.
Diese Zahl ist 2012 auf rund 28 000, also um 38 Prozent, gestiegen. Bisher sieht das
Wohneigentumsgesetz keine Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung,
z. B. durch eine Schlichtungsstelle, vor und auch das neu geschaffene Verbraucher-
streitbeilegungsgesetz wird nur für einen Teil der Streitfälle anwendbar sein.
Obwohl in BGH-Urteilen (BGH-Urteil vom 25.3.2015, AZ VIII ZR 243/13) klarge-
stellt wurde, dass Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer und Woh-
nungseigentümergemeinschaften Verbraucher sind, wird der Verbraucherschutz
durch das Gesetz nicht ausreichend berücksichtigt. Denn die einzelnen Mitglieder
der WEG sind gegenüber dem Verwalter in vielen Punkten schlechtergestellt oder
schlicht machtlos. Auch Transparenz und Sicherheit für die einzelnen Eigentüme-
rinnen und Eigentümer finden derzeit wenig Berücksichtigung im WEG-Recht. Da-
her muss das Gesetz nachjustiert und der Verbraucherschutz auch im WEG-Recht
fest verankert werden.
Die Sanierungsrate im WEG-Bestand beläuft sich derzeit auf 0,6 Prozent, das ist
noch niedriger als im übrigen Gebäudebestand. Damit sind die Energiewende im
Gebäudebereich und die nationalen Klimaschutzziele nicht zu schaffen. Eine Mo-
dernisierung des WEG-Rechts muss dazu beitragen, die energetische Sanierung für

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WEG zu vereinfachen und WEG-Verwalterinnen und -Verwalter mit den erforder-
lichen Informationen und Kompetenzen auszustatten.
Die Bundesregierung scheint erkannt zu haben, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Im Sommer 2015 hat sie entsprechend einen Referentenentwurf vorgelegt, der eine
verpflichtende Berufszulassungsregelung für gewerbliche Immobilienmaklerinnen
und Immobilienmakler sowie Verwalterinnen und Verwalter von Wohnungseigen-
tum festscheibt. Das Gesetz sollte laut ursprünglicher Vorhabenplanung der Bundes-
regierung bereits im Dezember 2015 in Kraft treten. Passiert ist jedoch seit der Ver-
öffentlichung des Referentenentwurfs nichts. Ein Gesetzesentwurf zur umfassenden
Reformierung und Vereinfachung des WEG-Rechts ist bis heute nicht in Planung.
Eine Modernisierung und verbrauchernahe Ausgestaltung des WEG-Rechts ist aber
erforderlich, damit in Eigentumswohnungen sicher und transparent Werte erhalten
werden können.

II. Der Bundestag begrüßt und unterstützt

das Vorhaben der Bundesregierung, einen Sachkundenachweis für Immobilienmak-
lerinnen und Immobilienmakler und Verwalterinnen und Verwalter in die Gewerbe-
ordnung einzuführen.

III. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer und WEG als Verbrau-
cher anzuerkennen und diese Festsetzung aus BGH-Urteilen ins WEG-Gesetz
zu übernehmen;

• im Rahmen der Änderung der Gewerbeordnung den Sachkundenachweis für
Immobilienmaklerinnen und Immobilienmakler und Verwalterinnen und Ver-
walter
o auch auf Mietverwalterinnen und Mietverwalter auszuweiten und dafür in

§ 34c der Gewerbeordnung hinter „Wohnungseigentumsverwalter“ den
„Mietverwalter“ einzufügen. Dasselbe gilt für Übergangsregelungen nach
§ 161,

o auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wohneigentums- und Miet-
verwalterinnen und Mietverwaltern festzuschreiben und eine Pflicht zur
jährlichen Fortbildung einzuführen,

o die „Alte-Hasen-Regelung“ zu streichen und den Sachkundenachweis aus-
nahmslos für jede Wohnungseigentums- und Mietverwalterin und jeden
Wohnungseigentums- und Mietverwalter einzuführen,

o ein öffentliches Register für Immobilienverwalterinnen und Immobilienver-
walter einzuführen, das regional bei der Industrie- und Handelskammer
(IHK) angesiedelt und jederzeit einsehbar ist und in dem alle aktiv tätigen
Immobilienverwalterinnen und Immobilienverwalter eingetragen sein müs-
sen,

o den Sachkundenachweis ausschließlich von den IHK der Länder abnehmen
zu lassen;

• das Wohneigentumsrecht umfassend zu reformieren, zu modernisieren und zu
vereinfachen.

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Dabei sollen vor allem:
• Regelungen bezüglich der Transparenz und der Verwaltung von WEG-Finan-

zen im WEG-Recht festgelegt werden, die
o WEG-Konten besser vor Missbrauch schützen (§27),
o klarstellen, dass die Verwalterinnen und Verwalter von Wohnungseigentü-

mergemeinschaften verpflichtet sind, das Konto der Wohnungseigentümer-
gemeinschaft auf den Namen der Eigentümergemeinschaft zu führen, bei
dem es sich um ein sog. offenes Fremdkonto handeln muss,

o in diesem Zug soll auch sichergestellt werden, dass Wohneigentümerinnen
und Wohneigentümer im Falle einer gemeinsamen Kreditaufnahme über
alle Kreditrisiken informiert sein müssen,

o für alle Wohneigentümerinnen und Wohneigentümer mehr Transparenz bei
den Abrechnungen der WEG-Kosten herstellen,

o die Eingriffsmöglichkeiten der Wohneigentümerinnen und Wohneigentü-
mer im Krisenfall gegenüber der Verwalterin und dem Verwalter stärken
und eine vereinfachte Einberufung der Eigentümerversammlung ermögli-
chen,

o den WEG-Beirat gegenüber der Verwalterin und dem Verwalter stärken und
als Kontrollorgan installieren,

o die Beratungs- und Schulungsangebote für WEG-Beiräte von staatlicher
Seite her deutlich ausbauen,

o eine Informationskampagne zu Verbraucherschutzaspekten im Umgang mit
Wohneigentum auflegen,

o überprüfen, inwieweit bei Immobilientransaktionen Informationen über
Verbraucherschutzfragen für die Käuferinnen und Käufer von Wohneigen-
tum bereitgestellt werden können;

• Umbaumaßnahmen und Sanierungen von WEG ermöglicht werden. Dazu sol-
len
o Rechtssicherheit in der Abgrenzung von Sanierungsmaßnahmen als In-

standhaltung, Instandsetzung, modernisierende Instandsetzung, Moderni-
sierung und bauliche Veränderung geschaffen und die Rechtslage verein-
facht werden,

o das Quorum in der WEG-Versammlung für bauliche Veränderungen, die
energetische Maßnahmen an der Fassade betreffen, von Einstimmigkeit auf
eine doppelt qualifizierte Mehrheit abgesenkt werden,

o eine Instandhaltungsrücklagepflicht eingeführt werden, damit die laufende
Instandhaltung von Wohnungen in WEG abgesichert ist,

o die Umwandlung unsanierter Mietwohnungsbestände in WEG nur bei Vor-
handensein ausreichender Rücklagen für Instandhaltungen gestattet werden,

o der barrierefreie Umbau von WEGs begünstigt und dazu §554a BGB-Miet-
recht ins WEG-Gesetz übertragen werden,

o das KfW-Programm zur energetischen Sanierung für WEGs ausgebaut wer-
den,

o KfW-Sonderkredite aufgelegt werden, die die energetische Sanierung von
WEG fördern,

o steuerliche Anreize zu energetischem und barrierefreiem Umbau von WEG
geschaffen werden,

o WEG bei Konzepten und Maßnahmen zur energetischen Quartierssanierung
im Rahmen des KfW-Programms energetische Stadtsanierung und der Na-
tionalen Klimaschutzinitiative stärker unterstützt werden;

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• die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Streitbeilegung bei Rechtsstreitig-

keiten unter Beteiligung von WEG stärken, indem
o im WEG-Gesetz eine Hemmung der Anfechtungsfrist für gerichtliche Be-

schlussanfechtung vorzusehen ist, wenn ein Schlichtungsverfahren nach
dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz beantragt wird,

o in der laut Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) einzurichtenden Uni-
versalschlichtungsstelle eine kompetente Stelle für Streitigkeiten von WEG
zu schaffen ist und die Aufhebung der Streitwertobergrenze von 5.000 Euro
für Schlichtungsfälle von WEG zu prüfen ist,

o im Rahmen der im VSBG vorgesehenen Evaluation geprüft wird, wie viele
und welche Arten von Streitfällen in der Universalschlichtungsstelle einge-
reicht werden, wie viele davon im Rahmen des VSBG geschlichtet werden
können und bei welchen Streitfällen keine Schlichtungsmöglichkeit im Rah-
men des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes möglich ist,

o auch für solche Streitfälle, die nicht durch das Verbraucherstreitbeilegungs-
gesetz abgedeckt werden, geprüft wird, wie Möglichkeiten der außergericht-
lichen Streitbeilegung geschaffen werden können;

• die Stellung der WEG gegenüber der Verwalterin und dem Verwalter zu stär-
ken und
o einen Abberufungskatalog für WEG-Verwalterinnen und -Verwalter einzu-

führen,
o keine unbefristeten und uneingeschränkten Universalvollmachten für Ver-

walterinnen und Verwalter zuzulassen und damit eine Vollmacht der Ver-
walterin und des Verwalters für die eigene Bestellung durch einzelne Eigen-
tümerinnen und Eigentümer zu unterbinden.

Berlin, den 12. April 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/8084
Begründung

Innerhalb von Wohneigentumsgemeinschaften kommt es überproportional häufig zu Streitigkeiten und Kon-
flikten, die dann vor Gericht entschieden werden müssen. Von 2004 bis 2012 ist die Zahl der Streitigkeiten vor
Gericht um knapp 40 Prozent gestiegen. Die Wohneigentumsgerichte kommen mit der Bearbeitung kaum hin-
terher.
Besonders bei Streitigkeiten zwischen der WEG und dem Verwalter ziehen die einzelnen WEG-Mitglieder oft
den Kürzeren. Das WEG-Recht in seiner derzeitigen Ausgestaltung räumt dem Verwalter viele Rechte und
Vorteile ein, die sich negativ auf die WEG-Mitglieder als Verbraucherinnen und Verbraucher auswirken. Die
meisten Defizite gibt es hinsichtlich der Transparenz, der Konteneinsicht und der Kontrollmöglichkeiten der
WEG gegenüber dem Verwalter. Eine gängige Praxis der WEG-Verwalter ist beispielsweise, die Gelder der
WEG auf einem Treuhandkonto anzulegen. Dann haben WEG-Mitglieder kein Recht auf Einsicht und die Bank
darf ausschließlich dem Verwalter als Kontoinhaber Auskunft über die WEG-Finanzen geben. Veruntreuung
der Gemeinschaftsgelder und persönliche Bereicherung der Verwalter sind häufige Streitursachen bei WEG-
Streitigkeiten.
Außerdem stellen WEG-Mitglieder, die ihre Einheit nicht selbst bewohnen und daher nicht immer vor Ort sein
können, dem Verwalter oft Universalvollmachten aus. Das ist nicht nur relevant, wenn es um gemeinsame Ent-
scheidungen wie Sanierung oder bauliche Veränderung geht, sondern kann auch dazu führen, dass der Verwalter
sich mithilfe dieser Vollmachten immer wieder selbst bestellt – auch gegen den Willen der WEG-Mitglieder.
Neben diesen Problemen sind WEG deutschlandweit im Verzug, was die energetische Sanierung betrifft.
Rechtsunsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Beschlussfassung erschweren es WEG, die erforderliche Ini-
tiative zu ergreifen, um ihren Beitrag zu einem klimaneutralen Gebäudebestand bis 2040 zu leisten. 40 Prozent
der Energie in Deutschland wird derzeit im Gebäudebereich verbraucht. Die Klimaziele sind nur zu erreichen,
wenn es hier zu einem deutlichen Rückgang des Energieverbrauchs kommt.
Der BGH hat vor rund einem Jahr ein Urteil gefällt, das WEG prinzipiell als Verbraucher anerkennt. Dieses
Urteil muss nun auch im WEG-Recht abgebildet sein. Nur dann können verbraucherschutzpolitische Maßnah-
men für WEG auch wirksam greifen.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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