BT-Drucksache 18/7964

Grenzwertüberschreitungen und Vertragsverletzungsverfahren bei Schadstoffbelastung der Luft

Vom 17. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7964
18. Wahlperiode 17.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Meiwald, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Christian Kühn (Tübingen), Steffi Lemke,
Dr. Julia Verlinden und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grenzwertüberschreitungen und Vertragsverletzungsverfahren bei
Schadstoffbelastung der Luft

Laut aktuellen Publikationen des Umweltbundesamtes „Luftqualität 2015“ und
der European Environment Agency „Air quality in Europe — 2015 report“ wer-
den in Deutschland nach wie vor regelmäßig Schadstoffgrenzwerte in der Luft
überschritten. Dies führt vielfach zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie
z. B. Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und Todesfällen. Sie scha-
den überdies häufig der Umwelt, befördern die Versauerung der Böden und schä-
digen Pflanzen. Luftverschmutzung führt so zu hohen Kosten bei Ökosystemen,
Wirtschaft, Produktivität und Gesundheit.
Auf der Ebene der Europäischen Union enthält die Richtlinie über Luftqualität
und saubere Luft für Europa (2008/50/EG) Grenzwerte für Stickstoffdioxid und
Stickstoffoxide, Feinstaub (PM10), Schwefeldioxid, Benzol, Kohlenmonoxid so-
wie Blei. Die Richtlinie enthält auch Luftqualitätsstandards für den noch kleine-
ren Feinstaub PM2,5.
In der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission (SWD(2013) 532 final)
zum Vorschlag für eine Richtlinie über die Verringerung der nationalen Emissi-
onen bestimmter Luftschadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG
wird festgestellt, dass Luftverschmutzung in hohem Maße umwelt- und gesund-
heitsschädigend wirkt. So wurden in der Europäischen Union allein im Jahr 2010
über 400 000 vorzeitige Todesfälle verzeichnet, 62 Prozent der Fläche der Euro-
päischen Union waren eutrophierungsgefährdet, davon 71 Prozent Natura-2000-
Ökosysteme.
Aufgrund der gesundheitsschädigenden Wirkung von Feinstaub gelten seit dem
1. Januar 2005 in der Europäischen Union Grenzwerte für die Feinstaubfraktion
PM10. Der Tagesgrenzwert liegt bei 50 µg/m3, dieser darf höchstens an 35 Tagen
im Jahr überschritten werden. Zusätzlich besteht ein Jahresmittelwert von
40 µg/m3. Zusätzlich besteht seit dem 1. Januar 2010 für die Partikel PM2,5 in
der Europäischen Union ein Jahreszielwert von 25 µg/m3 im Mittel.
Darüber hinaus empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Publi-
kation „Air quality guidelines for particulate matter, ozone, nitrogen dioxide and
sulfur dioxide“ höhere Grenzwerte für die Luftqualität hinsichtlich der Feinstäube
PM10 und PM2,5. Diese sollten nach Auffassung der WHO für die kleinen
Feinstaubpartikel PM2,5 als Jahresmittelwert bei 10 µg/m3 und als Stundenmit-
telwert bei 25 µg/m3 liegen. Für den Feinstaub PM10 vertritt die WHO die Auf-
fassung, dass der Jahresmittelwert bei 20 µg/m3 und der Tagesmittelwert bei
50 µg/m3 liegen sollten.

Drucksache 18/7964 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
 

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit überschreiten nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland

gemessene Werte für Stickoxide (inkl. Stickstoffdioxid), Feinstaub, Ammo-
niak, flüchtige organische Verbindungen (inkl. Benzol) und Ozon die Ober-
grenzen und Vorgaben dieser Regelungsgegenstände aus der Richtlinie über
Luftqualität und saubere Luft für Europa (2008/50/EG; bitte nach Schadstoff,
Zeitraum sowie Höhe der Werte aufschlüsseln)?

2. Wie entwickeln sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Werte für Stick-
oxide (inkl. Stickstoffdioxid), Feinstaub, Ammoniak, flüchtige organische
Verbindungen (inkl. Benzol) und Ozon im Vergleich der europäischen Mit-
gliedstaaten (bitte nach Mitgliedstaat, Schadstoff, Zeitraum sowie Höhe der
Werte aufschlüsseln)?

3. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung für die nationale Luftreinhal-
tungspolitik in Deutschland?

4. Sind Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission aufgrund
überschrittener Luftreinhaltungsgrenzwerte gegenüber der Bundesrepublik
Deutschland anhängig, und wenn ja, welche und seit wann?

5. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber weiteren Mitgliedstaa-
ten der Europäischen Union Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, und
wenn ja, welche (bitte je Verfahren nach Mitgliedstaat, Jahr, Stand des Ver-
tragsverletzungsverfahrens und ggf. Schadstoff aufschlüsseln)?

6. Welche Maßnahmen mit welchem Effekt sind nach Auffassung der Bundes-
regierung bis wann zu ergreifen, um zukünftige Grenzwertüberschreitungen
und die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren zu verhindern und eine
hohe Luftqualität sicherzustellen (bitte nach Schadstoffart und Maßnahme
aufschlüsseln)?

7. Strebt die Bundesregierung überdies die Einhaltung weiterer internationaler
Luftreinhaltungsempfehlungen, wie etwa der WHO, an, und wenn ja, welche?

8. Inwieweit überschreiten in Deutschland gemessene Werte die Luftreinhalte-
empfehlungen internationaler Organisationen wie der WHO (bitte nach
Schadstoff, Zeitraum sowie Höhe der Werte aufschlüsseln)?

9. Welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung zukünftig
zu ergreifen, um die Luftreinhalteempfehlungen zu erreichen und eine hohe
Luftqualität sicherzustellen (bitte nach Schadstoffart und Maßnahme auf-
schlüsseln)?

10. Wie bewertet die Bundesregierung die in den Fragen 6 und 9 aufgeführten
Maßnahmen hinsichtlich ihres Effektes, und wie werden sich diese Maßnah-
men voraussichtlich auf die Reduzierung der einzelnen Schadstoffe bzw. die
Einhaltung der Messwerte auswirken?

11. Welche Menge Ammoniak- und Methanemissionen wäre durch die Aufhe-
bung der Privilegierung von Tierställen im Baurecht nach Kenntnis der Bun-
desregierung vermeidbar?

12. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass bei der Meldung der Stickoxid-
freisetzungen an die Europäische Union realistische Werte gemeldet werden
und nicht auf der Basis fehlerhafter Herstellerangaben, z. B. in der Automobil-
branche hochgerechneter Zahlen?

13. Zu welchem Prozentsatz ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Erdöl-
und Erdgasförderung in Deutschland für die Freisetzung flüchtiger organi-
scher Verbindungen verantwortlich (bitte nach den unterschiedlichen Ver-
bindungen und den Anteilen von Erdöl- und Erdgasförderung aufgliedern)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7964
 

14. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Erdöl- und Erdgasför-
derung für die Freisetzung flüchtiger organischer Verbindungen im Ver-
gleich mit den EU-Mitgliedstaaten, die ebenfalls Erdöl- und/oder Erdgas för-
dern, verantwortlich (bitte nach den unterschiedlichen Verbindungen und
den Anteilen von Erdöl- und Erdgasförderung aufgliedern)?

15. Wie hoch beziffert die Bundesregierung die volkswirtschaftlichen Kosten der
Luftverschmutzung für Deutschland (bitte nach den Kosten für das Gesund-
heitssystem, krankheitsbedingten Personalausfall in der Arbeitswelt, Kompen-
sationen und Wiederherstellungskosten für Umweltschäden aufgliedern)?

16. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung die volkswirtschaftlichen
Kosten der Luftverschmutzung für die anderen EU-Mitgliedstaaten im Ver-
gleich (bitte nach den Kosten für das Gesundheitssystem, krankheitsbeding-
ten Personalausfall in der Arbeitswelt, Kompensationen und Wiederherstel-
lungskosten für Umweltschäden aufgliedern)?

Berlin, den 15. März 2016

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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