BT-Drucksache 18/7949

Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Daten mit den USA

Vom 16. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7949
18. Wahlperiode 16.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, Inge Höger,
Alexander Ulrich, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Daten mit den USA

Zahlreiche europäische Länder haben in den letzten Jahren mit den USA so ge-
nannte Preventing-and-Combating-Serious-Crime-Abkommen (PCSC) über den
bilateralen Austausch personenbezogener Daten unterzeichnet (Bundestags-
drucksache 17/6965). Ausdrückliches Vorbild für diese PCSC ist das Abkommen
zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der
Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit
bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität, das am
1. Oktober 2008 in Washington D. C. unterzeichnet wurde (Bundestagsdrucksa-
che 18/1739). Trotz erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken der Oppositi-
onsparteien, des Bundesrates und des Bundesbeauftragten für den Datenschutz
und die Informationsfreiheit wurde das Abkommen am 3. Juli 2009 vom Deut-
schen Bundestag ratifiziert. Indes kam es in den USA als „executive agreement“
niemals im Kongress zur Abstimmung. Nach dem Vorbild des Vertrages von
Prüm sieht das Abkommen automatisierte Abfragen der nationalen Polizeidaten-
banken mit Fingerabdrücken und DNA-Profilen zu Zwecken der Verfolgung –
und im Fall der Fingerabdruckdaten auch zur vorausschauenden Verhinderung –
„schwerwiegender Kriminalität“ vor. Darüber hinaus können zum Zweck der
Verhinderung „terroristischer Straftaten“ ohne vorheriges Ersuchen auch sensible
personenbezogene Daten, z. B. zum Sexualleben oder der politischen Gesinnung
von Betroffenen, in so genannten Spontanübermittlungen an die andere Vertrags-
partei weitergegeben werden. Daten, die die Vertragsparteien nach diesem Ab-
kommen gewonnen haben, dürfen für den Zweck strafrechtlicher Ermittlungen
und zur Verhinderung einer „ernsthaften Bedrohung für die öffentliche Sicher-
heit“ sowie in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, die im Zusammenhang mit
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stehen, weiterverarbeitet und gespeichert
werden. Mit Einverständnis der datenübermittelnden Vertragspartei können die
Daten auch zu jedem anderen Zweck weiterverarbeitet sowie an Drittstaaten, in-
ternationale Organisationen und selbst an Privatunternehmen weitergegeben wer-
den. Artikel 11 des Abkommens betont, dass „Privatpersonen aus dem Abkom-
men keine Rechte erwachsen“. Das Recht zur Korrektur oder Löschung von über-
mittelten Daten bleibt allein den datenübermittelnden Behörden vorbehalten. Die
Details der Datenverarbeitung sowie die Möglichkeiten zur Wahrnehmung von
Betroffenenrechten überlässt das Abkommen dem jeweiligen nationalen Recht.
Allerdings ist das Datenschutzrecht in den USA nur rudimentär entwickelt und
ein Auskunftsrecht existiert für Bürgerinnen und Bürger aus anderen Staaten
nicht. Abhilfe schaffen soll das deutsche Gesetz zur Umsetzung des Abkommens
(BGBl. 2009 I Nr. 59, S. 2998 f.), das das Bundeskriminalamt (BKA) als natio-

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nale Kontaktstelle für den bilateralen Informationsaustausch benennt und Be-
troffenen das Recht einräumt, dort eine Auskunftserteilung bei der zuständigen
US-amerikanischen Kontaktstelle zu beantragen.
Auf Bundestagsdrucksache 17/6965 hatte die Bundesregierung vor fünf Jahren
erklärt, das „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung
der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender
Kriminalität“ sei am 1. Oktober 2008 unterzeichnet worden, die Regelungen zum
automatisierten Austausch von DNA-Profilen seien aber noch nicht in Kraft ge-
treten. Im Jahr 2014 teilte die Bundesregierung mit, als technisches Abkommen
sei im Juni 2012 das so genannte Administrative and Technical Implementation
Agreement (ATIA; Implementing Arrangement) gezeichnet worden (Bundes-
tagsdrucksache 18/1198). Jedoch seien „Einzelheiten der technischen Ausgestal-
tung“ noch nicht geregelt. Auch hätten die USA für den Datenaustausch nach
Artikel 9 des Abkommens noch keine Kontaktstelle benannt. Weder der Abruf
von daktyloskopischen Daten noch die Verarbeitung von DNA-Profilen seien
also im Wirkbetrieb. Auch die „Entwicklung und Installation“ der notwendigen
Software dauerten aber an. Ein Ende „technischer und fachlicher Tests“ sei nicht
vor Mitte des Jahres 2014 zu erwarten. Im Mai 2015 hieß es vom Bundesminis-
terium des Innern, dass „die US-Seite weiterhin nicht über die notwendigen recht-
lichen Voraussetzungen für den DNA-Austausch verfügt“ (Bundestagsdrucksa-
che 18/5063). Es sei aber eine „verschlüsselte Datenverbindung“ zwischen dem
Federal Bureau of Investigation (FBI) und dem BKA aufgebaut worden, im BKA
sei „die entsprechende Software eingespielt“ und erfolgreich getestet worden. Die
„Anwendungskommunikation“ zwischen FBI und BKA bedürfe noch „weiterer
technischer Maßnahmen“. Nach Inbetriebnahme der „Anwendungskommunika-
tion“ soll ein dreistufiges Testszenario durchlaufen werden. Der Zeitpunkt der
Aufnahme des Wirkbetriebs war demnach vor einem Jahr nicht absehbar.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwiefern ist das zwischen den Regierungen Deutschlands und der USA

geschlossene „Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über
die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung
schwerwiegender Kriminalität“ auch von dem Datenschutz-Abkommen tan-
giert, das die Europäische Union zur Weitergabe personenbezogener Daten
für Strafverfolgungszwecke mit den USA verhandelte (das sogenannte
Umbrella Agreement, Bundesratsdrucksache 90/16)?

2. Was ergab die Prüfung der Bundesregierung, inwiefern das „Abkommen
zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung
der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenar-
beit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität“
von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Transfer
von personenbezogenen Daten in die USA auf Grundlage des „Safe-Harbor“-
Abkommens vereinbar ist (EuGH vom 6. Oktober 2015 – C-362/14)?

3. Welche neuen Details kann die Bundesregierung zur Umsetzung des „Ab-
kommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der
Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zu-
sammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kri-
minalität“ mitteilen (Bundestagsdrucksachen 18/1198, 18/1739, 18/5063)?

4. Worin besteht die zwischen dem Federal Bureau of Investigation (FBI) und
dem Bundeskriminalamt (BKA) aufgebaute „verschlüsselte Datenverbin-
dung“, und welche Software wurde hierzu beim BKA eingespielt?

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5. Welcher „weiteren technischen Maßnahmen“ bedurfte die Anwendungs-
kommunikation zwischen FBI und BKA, bevor diese ein „abgestimmtes
[drei]stufiges Testszenario“ durchlief?

6. Welche Kontaktstelle für den Datenaustausch nach Artikel 9 des Abkom-
mens haben die USA benannt?

7. Inwiefern ist die Aufnahme des Wirkbetriebs mittlerweile erfolgt bzw. ab-
sehbar?

8. Wenn der automatisierte Datenabruf noch nicht im Wirkbetrieb ist, wie ist
der aktuelle Stand der Umsetzung, und welcher Natur sind etwaige Hinder-
nisse?

9. Wie viele Anfragen für einen automatisierten Datenabruf hat es seit Beginn
des Wirkbetriebs zwischen den Vertragspartnern gegeben (bitte nach abfra-
gender Kontaktstelle und Datenkategorie aufschlüsseln)?

10. Wie viele Übereinstimmungen von daktyloskopischen Daten oder DNA-Pro-
filen nach Artikel 4 bzw. 7 des Abkommens hat es seitdem gegeben (bitte
nach abfragender Kontaktstelle, Datenkategorien und Deliktarten aufschlüs-
seln)?

11. Wie viele bzw. welche Loci werden im Rahmen einer „Hit/no-hit-Abfrage“
miteinander verglichen?

12. In wie vielen Fällen einer Übereinstimmung wurden im Rahmen der Rechts-
hilfe weitere personenbezogene und sonstige Daten übermittelt (bitte nach
abfragender Kontaktstelle, Datenkategorie und Deliktarten aufschlüsseln)?

13. Wie viel Zeit vergeht in der Regel zwischen der Feststellung einer Überein-
stimmung von automatisiert abgerufenen Daten und der Übermittlung wei-
terer personenbezogener und sonstiger Daten im Rahmen der Rechtshilfe?

14. In wie vielen und welchen Fällen hat das BKA entsprechend Artikel 13 Ab-
satz 1 des Abkommens seine Zustimmung zur Weiterverarbeitung der über-
mittelten Daten zu anderen als den im Abkommen vorgesehenen Zwecken
gegeben, und mit welcher Begründung?

15. In wie vielen Fällen wurde das BKA ersucht, stellvertretend für möglicher-
weise Betroffene bei US-amerikanischen Stellen um Auskunft zu dort über
sie gespeicherte Daten zu ersuchen?

16. Wurden solche Anfragen durch die US-amerikanischen Kontaktstellen je-
mals verweigert, und wenn ja, wie häufig?

17. Wie häufig machte das BKA von seiner Möglichkeit Gebrauch, Betroffene
nicht über entsprechende Auskünfte zu unterrichten?

18. Welchen Umfang haben die deutschen polizeilichen DNA- und Fingerab-
druckdatenbanken im Vergleich zu den Vorjahren (bitte wie auf Bundestags-
drucksache 18/5063 darstellen)?

19. Wie unterteilen sich die Personendatensätze in die einzelnen Deliktfelder?
20. Wie viele Berichte („intelligence leads“) wurden nach Kenntnis der Bundes-

regierung im Rahmen des „Terrorist Finance Tracking Programme“ (TFTP)
seit dessen Inkrafttreten im Jahr 2010 verteilt?

21. Inwiefern werden nach Kenntnis der Bundesregierung auch Überweisungen
im Rahmen der „Single European Payments Area“ (SEPA) im Rahmen des
TFTP verarbeitet?

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22. Sofern keine SEPA-Daten im TFTP verarbeitet werden, inwiefern existiert
nach Kenntnis der Bundesregierung ein ähnliches System zur Verfolgung
verdächtiger Finanzströme innerhalb des SEPA, etwa durch die bei Europol
angesiedelte Zentralstelle der „Financial Intelligence Unit“ (FIU)?

23. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zur Frage der Notwendigkeit
eines „EU Terrorist Finance Tracking System“ (EU TFTS)?

24. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern bereits Studien oder
Forschungen zur Einrichtung eines EU TFTS beauftragt wurden, wer führt
diese durch, und wann sollen Ergebnisse vorliegen?

Berlin, den 16. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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