BT-Drucksache 18/7863

Fragen zur Lizenzvergabe für Drittabfertiger in Deutschland

Vom 11. März 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/7863
18. Wahlperiode 11.03.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Herbert Behrens, Caren Lay, Annette Groth, Sabine Leidig
Thomas Lutze und der Fraktion DIE LINKE.

Fragen zur Lizenzvergabe für Drittabfertiger in Deutschland

Im Nachgang zur EU-Richtlinie 96/67/EG des Rates wurde die Erbringung von
Bodenabfertigungsdiensten auch in Deutschland liberalisiert. Für besonders sen-
sible, kapazitäts- und leistungskritische Bodenabfertigungsdienste auf dem (luft-
seitigen) Vorfeld – wie z. B. der Gepäckabfertigung, den Vorfelddiensten, den
Betankungsdiensten sowie der Fracht- und Postabfertigung – sieht die Richtlinie
vor, dass die Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Marktöffnung vorgeben
können.
Von dieser Möglichkeit hat der Bund Gebrauch gemacht und sowohl in § 19c des
Luftverkehrsgesetzes als auch in § 3 der Bodenabfertigungsdienst-Verordnung
(BADV) entsprechende Formulierungen aufgenommen. Konkretisiert wird die
Beschränkung in Anlage 5 zur BADV, in der für jeden der in den Geltungsbereich
der Richtlinie fallenden Flughäfen die Zahl zuzulassender Dienstleister (getrennt
nach Selbstabfertigern und Drittabfertigern) festgelegt wird.
Diese Beschränkung stößt lediglich beim Bundesverband der Deutschen Flugge-
sellschaften e. V auf Kritik: „Die Erbringung der Bodenverkehrsdienste durch
Dienstleister ist an den Flughäfen teilweise beschränkt. […] Für die deutschen
Fluggesellschaften ist das ein schwerwiegender Wettbewerbsnachteil im Ver-
gleich zu ihren ausländischen Konkurrenten“ (www.bdf.aero/themen/bodenver-
kehrsdienste/).
Sowohl die Beschäftigten im Bereich der Bodenverkehrsdienste als auch die Flug-
häfen befürworten hingegen die bestehende Beschränkung und waren maßgeblich
daran beteiligt, dass die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zur weiteren
Liberalisierung der Bodenabfertigungsdienste zurückgezogen hat (vgl. www.verdi.
de/themen/nachrichten/++co++2881f182-8472-11e4-82cf-52540059119e). Auch
der Deutsche Bundestag hat sich in diesem Zusammenhang klar gegen eine Auf-
weichung der bestehenden Beschränkungen ausgesprochen: „Eine Erhöhung der
Zahl von Drittanbietern würde keine weiteren Qualitätsverbesserungen erbringen,
sondern die vorhandenen Standards eher gefährden“ (Bundestagsdrucksa-
che 17/8617).
An zwei deutschen Verkehrsflughäfen – Flughafen Schönefeld sowie Düssel-
dorf – wurden indes Lizenzen für Drittabfertiger ausgeschrieben, die über die in
Anlage 5 zur BADV festgelegte Zahl zuzulassender Anbieter hinausgehen. Am
Standort Schönefeld ist bereits eine dritte Lizenz für Drittabfertiger vergeben
worden, wobei gemäß Anlage 5 zur BADV nur zwei zulässig sind.
Diese Ausschreibungen bzw. Vergaben bezeichnet die Bundesregierung als zu-
lässig, da „die Anlage 5 […] nur Mindestzahlen enthalten“ (Antwort zu den Fra-
gen 23 bis 26 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/7260) kann und

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daher „eine Begrenzung und Verweigerung der Erhöhung durch einen nationalen
Gesetz- oder Verordnungsgeber […] rechtsmissbräuchlich und letztlich EU-
rechtswidrig“ (ebd.) wäre.
Dieser Rechtsauffassung steht die Umsetzung der Richtlinie 96/67/EG in der Re-
publik Österreich entgegen, in der gemäß § 4 Absatz 1 des Flughafenbodenabfer-
tigungsgesetzes die Anzahl der Anbieter bei den genannten sensiblen Bodenab-
fertigungsdiensten auf allen Flughäfen auf „2“ begrenzt ist. Dies wirft Fragen
hinsichtlich des Charakters und der Verbindlichkeit der Anlage 5 zur BADV so-
wie bezüglich der Rechtmäßigkeit der an den Standorten Berlin-Schönefeld und
Düsseldorf erfolgten bzw. bevorstehenden Marktöffnungen für Drittabfertiger
auf.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Markt für Bodenabfertigungsdienste in Deutschland nach Auffassung

der Bundesregierung in Deutschland vollkommen liberalisiert?
Wenn ja, mit welcher Begründung?
Wenn nein, welche gesetzlichen oder untergesetzlichen Beschränkungen der
Marköffnung gelten in Deutschland?

2. Ist es der Wunsch oder die Absicht der Bundesregierung, den Markt für Bo-
denabfertigungsdienste in Deutschland weiter oder vollständig zu liberalisie-
ren (bitte begründen)?

3. Räumt nach Auffassung der Bundesregierung § 3 Absatz 2 BADV gemäß
Artikel 6 Absatz 2 sowie Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 96/67/EG dem
Verordnungsgeber generelle Beschränkungsmöglichkeiten (d. h. ohne nä-
here Begründung) bei den besonders sensiblen, kapazitäts- und leistungskri-
tischen Bodenabfertigungsdiensten auf dem (luftseitigen) Vorfeld – wie z. B.
der Gepäckabfertigung, den Vorfelddiensten, den Betankungsdiensten sowie
der Fracht- und Postabfertigung – ein (siehe Begründung zur Verordnung
über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen, Bundesratsdrucksache
807/97) (bitte begründen)?

4. Stellt nach Auffassung der Bundesregierung die Anlage 5 zur BADV dabei
die inhaltliche Ausgestaltung dieser Beschränkungsmöglichkeiten dar, da in
ihr die jeweilige Anzahl zuzulassender Selbst- und Drittabfertiger für die in
den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/67/EG fallenden Flughäfen fest-
gelegt wird (bitte begründen)?
Wenn ja, sind die Festlegungen der Anlage 5 zur BADV für Flughafenbe-
treiber und Luftverkehrsbehörden verbindlich, d. h. muss die Anzahl zuzu-
lassender Drittabfertiger jeweils exakt oder höchstens den in Anlage 5 zur
BADV angegebenen Zahlenwerten entsprechen (bitte begründen)?
Wenn nein, welchen Zweck erfüllt Anlage 5 zur BADV nach Auffassung der
Bundesregierung?

5. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung zulässig, dass an einem in An-
lage 5 zur BADV explizit erwähnten Flughafen nur ein Bodenverkehrs-
dienstleister operiert, obwohl in Anlage 5 für diesen Flughafen die Zahl zu-
zulassender Drittabfertiger auf „2“ festgelegt ist (bitte begründen)?
Wenn ja, an welchen Flughäfen ist dies der Fall?

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6. Warum war die Bundesregierung zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Ge-
setzentwurfes zur 15. Änderung des Luftverkehrsgesetzes der Auffassung,
„die Übersicht betreffend [sei die] Zahl [der] am Flughafen Düsseldorf zu-
zulassenden Drittabfertiger […] anzupassen“ (Bundestagsdrucksache
18/6988), wenn sie kurz darauf der Ansicht war, Anlage 5 zur BADV ent-
halte lediglich „Mindestzahlen“ (siehe Antwort der Bundesregierung zu den
Fragen 23 bis 26 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/7260)
für zuzulassende Selbst- und Drittabfertiger?

7. Aus welchen Gründen wurde seitens der Bundesregierung Artikel 5 in den
Entwurf eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes
(Bundestagsdrucksache 18/6988) aufgenommen angesichts der Tatsache,
dass der Bundestag für eine Änderung der BADV nicht zustimmungspflich-
tig ist?

8. Wurden in der Vergangenheit bereits Änderungen der Anlage 5 zur BADV
dem Deutschen Bundestag vorgelegt?
Wenn ja, welche, und mit jeweils welcher Begründung?

9. Welche Änderungen wurden seit 1997 in Anlage 5 zur BADV vorgenommen
(bitte jeweils betreffenden Flughafen, konkrete Änderung der Zahlenwerte
sowie deren Verkündungsdatum im Bundesgesetzblatt angeben), und erfolg-
ten dabei nach Kenntnis der Bundesregierung die den Änderungen der Zah-
lenwerte entsprechenden Lizenzvergaben vor oder nach Inkrafttreten der je-
weiligen Änderungen der Anlage 5 zur BADV?

10. Beabsichtigt die Bundesregierung für den Fall, dass die Änderung der An-
lage 5 zur BADV im Kontext der Beschlussfassung über den Entwurf eines
fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes nicht vom
Bundestag beschlossen wird, die Erarbeitung einer Änderungsverordnung
zur Anpassung der Zahlenwerte für die Flughäfen Düsseldorf und Schöne-
feld?
Wenn ja, wann soll sie dem Bundesrat zugeleitet werden?
Wenn nein, wann soll dies erfolgen (bitte begründen)?

11. Welches formelle Verfahren existiert für die Beantragung einer weiteren Li-
zenz seitens der Flughäfen, und hat die Bundesregierung die Fachaufsicht
über dieses Verfahren bzw. die Genehmigung zusätzlicher Lizenzen für
Drittanbieter?

12. Welche Stelle ist für die Bescheidung von Anträgen – die durch Flughafen-
gesellschaften gestellt werden – auf Zulassung weiterer Drittabfertiger zu-
ständig, und nach welchen Kriterien muss diese Stelle über die Zulassung
entscheiden (bitte ggfs. entsprechende Gesetze, Verordnungen oder Richtli-
nien angeben)?

13. Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung – wie Artikel 85 Absatz 4 und
Artikel 87d Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 31 Absatz 2
des Luftverkehrsgesetzes nahelegen – die Rechts- und Fachaufsicht bei der
Genehmigung von Lizenzen für Drittabfertiger hat (bitte begründen)?

14. Wie übt die Bundesregierung ggfs. diese Rechts- und Fachaufsicht konkret
aus (bitte zuständige Referate angeben), und in welchen Fällen wurde die
Bundesregierung bisher aufsichtsrechtlich aktiv (bitte unter Angabe der je-
weiligen Begründung aufführen)?

Drucksache 18/7863 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass 㤠3 Ab-

satz 2 BADV [nur] bestimmt, dass die Anzahl von „2“ nicht unterschritten
werden darf“ (Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 23 bis 26 der
Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/7260), sofern für einen Flug-
platz in der BADV nebst ihren Anlagen eine zahlenmäßige oder sonstige
Festlegung fehlt und sich daher für die in Anlage 5 zur BADV genannten
Flughäfen die Anzahl der im einzelnen berechtigten Selbstabfertiger und
Drittanbieter aus Anlage 5 zur BADV ergibt (bitte begründen)?

16. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung, dass „eine Begrenzung
und Verweigerung der Erhöhung durch einen nationalen Gesetz- oder Ver-
ordnungsgeber […] rechtsmissbräuchlich und letztlich EU-rechtswidrig“
(ebd.) wäre, und haben die in Anlage 5 zur BADV aufgeführten Flughäfen
einen Rechtsanspruch auf eine Marktöffnung im Bereich der Bodenabferti-
gungsdienste (bitte unter Angabe der Rechtsgrundlage begründen)?

17. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Beschränkung der Anzahl von
Selbstabfertigern und Drittanbietern für die Bereiche Gepäckabfertigung,
Vorfelddienste sowie Fracht- und Postabfertigung auf jeweils „2“ – wie sie
u. a. im EU-Mitgliedstaat Österreich in § 4 Absatz 1 des Flughafen-Boden-
abfertigungsgesetzes normiert ist – rechtsmissbräuchlich und EU-rechtswid-
rig (bitte begründen)?

18. Welche Begründung wurde auf dem Treffen am 13. März 2015 in Düsseldorf
sowie dem darauffolgenden Schriftwechsel dafür vorgebracht, dass „die An-
passung der in Anlage 5 der BADV für bestimmte Dienste genannten Zahlen
am Flughafen Düsseldorf erforderlich sei“ (siehe Antwort zu den Fragen 19
und 20 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/7260) (bitte ggfs.
die Begründungen des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung
und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und des Flughafens Düssel-
dorf getrennt angeben)?

19. Nach welchen Kriterien hat die Bundesregierung diese vorgebrachte Begrün-
dung geprüft, und wer entschied letztlich darüber, in diesem Zusammenhang
die BADV anzupassen?

20. Wann hat nach Kenntnis der Bundesregierung der Flughafen Düsseldorf ei-
nen Antrag auf Zulassung einer weiteren Lizenz für Drittanbieter bei wem
gestellt, und wann wurde dieser Antrag nach Kenntnis der Bundesregierung
mit welcher Begründung positiv beschieden?

21. Haben entsprechende Treffen nebst Schriftwechsel (siehe Frage 20) auch im
Fall der Vergabe einer weiteren Lizenz am Flughafen Schönefeld stattgefun-
den?
Wenn ja, welche Treffen (bitte unter Angabe des Datums und der beteiligten
Akteure aufführen), und welcher Schriftwechsel fand statt?

22. Wann hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Flughafen Berlin Bran-
denburg GmbH (FBB) einen Antrag auf Zulassung einer weiteren Lizenz für
Drittanbieter für den Flughafen Schönefeld bei wem gestellt, und wann
wurde nach Kenntnis der Bundesregierung dieser Antrag mit welcher Be-
gründung positiv beschieden?

23. Muss der Aufsichtsrat bzw. die Gesellschafterversammlung der FBB von der
Geschäftsführung über das Stellen eines Antrages bezüglich der Genehmi-
gung zusätzlicher Lizenzen für Drittabfertiger in Kenntnis gesetzt werden
(bitte begründen), und muss die Gesellschafterversammlung und/oder der
Aufsichtsrat ggfs. sogar die Zustimmung erteilen (bitte begründen)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7863

24. Hat die FBB angesichts ihrer in der europaweiten Ausschreibung einer drit-

ten Lizenz für Drittanbieter gemachten Ankündigung, „ die Anpassung der
BADV dahingehend [zu] beantragen, dass in der Anlage 5 der BADV für
den Flughafen Berlin-Schönefeld/Flughafen Berlin Brandenburg die Erbrin-
gung der beschränkten Bodenabfertigungsdienstleistungen gemäß § 3 Abs. 2
BADV auf drei zuzulassende Drittabfertiger in den unter Punkt II 1.5 a be-
schriebenen Diensten beschränkt wird“ (http://ted.europa.eu/udl?uri=TED:
NOTICE:437909-2013:TEXT:DE:HTML&src=0), nach Kenntnis der Bun-
desregierung einen Antrag auf Erhöhung der Anzahl der zulässigen Drittab-
fertiger in der BADV gestellt (bitte begründen)?

Berlin, den 11. März 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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